Freiburg. In zwei Wochen ist der Christopher-Street-Day Freiburg geplant – am 23. und 24. Juni. Doch die Stadt Freiburg legt dem CSD-Verein ähnlich wie bereits 2017 Steine in den Weg. Er erwägt nun als Veranstalter, die Parade am 23. Juni abzusagen oder gegen die Stadt zu klagen, um für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und die Sichtbarkeit von LSBTIQA* (Lesben, Schwulen, Bi+sexuellen, Trans*, Inter*, queeren & a_sexuellen Menschen) zu kämpfen.
Schon 2017 gab es erhebliche Probleme bei der Planung und Durchführung des Christopher-Street-Day in Freiburg, klagen die Veranstalter. Er war deutschlandweit der erste nach der Öffnung der Ehe am 30. Juni vergangenen Jahres. Trotz aller Bemühungen des CSD-Vereins und angesprochener Bedenken habe die Stadt unter anderem einen problematischen Aufstellungsort und eine unglückliche Route vorgeschrieben.
Bei der Demonstration/Parade hätten sich die Probleme dann realisiert, sodass am Ende alle Seiten unzufrieden gewesen seien: die Stadt Freiburg, die Polizei, der CSD-Verein als Veranstalter, die Freiburger LSBTIQA*-Community und viele Teilnehmende. Danach habe die Stadt Freiburg versucht, juristisch gegen den CSD-Verein vorzugehen. Ein Strafverfahren stellte die Staatsanwaltschaft jedoch straflos ein. Nach Dezember 2017 folgten Bußgeldbescheide des Amts für öffentliche Ordnung, denen der Verein widersprochen hat. Das Verfahren dauere noch an.
Breiter Ansatz der CSD-OrganisatorInnen
Um den CSD 2018 zu planen, hätten die Veranstalter die Initiative ergriffen und frühzeitig mit allen Beteiligten den Dialog gesucht. So habe es schon im Januar ein offenes Plenum mit Freiburger Gruppen der LSBTIQA*-Community, bisherigen und potentiell in Zukunft Teilnehmenden am Freiburger CSD gegeben.
Weitere Anfragen des CSD-Vereins seien an die Polizei und die OB-Kandidaten für die Wahl am 22. April gegangen. Die persönlichen Treffen im Februar und März – unter anderem mit dem noch amtierenden Oberbürgermeister Dieter Salomon und dem inzwischen gewählten neuen OB Martin Horn seien „durchweg konstruktiv“ verlaufen. So habe sich Salomon etwa dafür eingesetzt, dass die Freiburger Stadtreinigung der Demonstration/Parade eine Kehrmaschine folgen lässt. Damit habe ein langjähriger Streitpunkt geklärt werden können.
Rückkehr der “Rosa Listen”
Eine besonders problematische Forderung des Amts für öffentliche Ordnung sei die Herausgabe personenbezogener Daten der am CSD Beteiligten. Der CSD-Verein soll verpflichtet werden, vor dem CSD der Polizei und dem Amt Listen mit Namen von Ansprechpersonen, Wagenverantwortlichen und OrdnerInnen zu geben. Das würde bei der Größe der Versammlung bedeuten, dass mindestens 70 Personen ohne erkennbaren Grund Opfer dieser „Datensammelleidenschaft“ würden. Aus Sicht des CSD-Vereins wird damit ein Generalverdacht erzeugt und die Demonstrationsfreiheit ungerechtfertigt eingeschränkt.
So stellt auch das Bundesverfassungsgericht klar, dass eine Verpflichtung des Veranstalters, personenbezogene Daten zu übermitteln, als erhebliche Erschwerung der Wahrnehmung des Versammlungsrechts anzusehen ist (vgl. BVerfG v. 17.02.2009, 1 BvR 2492/08). Eine behördliche Erfassung personenbezogener Daten ist vor dem Hintergrund der Versammlung als Ausdruck queerer Emanzipation und als Schutzbereich der LSBTIQA*-Community besonders kritisch zu sehen (“Rosa Listen”, Strafverfolgung nach § 175 StGB, HIV/AIDS-Stigmatisierung).
Eine Route der Unsichtbarkeit
Obwohl der CSD 2018 im November 2017 als Versammlung angemeldet wurde, gab es – nach mehreren Nachfragen – erst sechs Monate später im Mai einen Termin für ein Kooperationsgespräch, das nur drei Tage vorher angekündigt wurde. Das Gespräch verlief aus Sicht der Veranstalter zunächst konstruktiv. Die Argumente schienen ernstgenommen, als am darauffolgenden Tag eine Bestätigung der vom CSD-Verein angemeldeten Route kam.
Vier Tage darauf ließ das Amt für öffentliche Ordnung jedoch mitteilen, dass diese Nachricht nur ein Versehen und vollständig zu ignorieren sei. Erst rund zwei Wochen vor dem CSD diktierte das Amt für öffentliche Ordnung eine neue Route, die die zentralen und belebtesten Straßen in der Freiburger Innenstadt auslassen soll. Es scheint mit zweierlei Maß gemessen zu werden, wenn Freiburgs größte LSBTIQA*-Demonstration des Jahres „aus verkehrstechnischen Gründen“ aus der Innenstadt ferngehalten werden soll. Andere Demonstrationen und Veranstaltungen in Freiburg, die ebenfalls am Samstagen und Sonntagen mit Lastwagen durch die zentrale Innenstadt fahren, scheinen hingegen kein Problem darzustellen. Das zeigen Beispiele wie der Global Marijuana March, der Rosenmontagszug oder das Freiburg Marathon.
Gleiches war 2015 und 2016 für den CSD Freiburg noch möglich, obwohl sich an Zusammenstellung und LKW der Demonstration/Parade nichts geändert hat. Hätte es starke Bedenken gegen diese innerstädtischen Straßen gegeben, hätte man dies in den letzten sechs Monaten kommunizieren können, die gegenseitigen Positionen austauschen und Alternativrouten besprechen können, argumentieren die Veranstalter. All dies habe das Ordnungsamt jedoch im Vorfeld nicht versucht.
Verzögerungen durch das Amt für öffentliche Ordnung
Einen Auflagenbescheid, gegen den der Veranstalter vorgehen könnte, liegt immer noch nicht vor. Dabei soll am Dienstag, 12. Juni, ein Vortreffen mit den teilnehmenden Gruppen aus der LSBTIQA*-Community stattfinden. Dadurch bleibe dem CSD-Verein keine Zeit mehr, die Probleme einvernehmlich zu lösen. Stattdessen zwinge das Amt für öffentliche Ordnung ihm zwei Optionen auf: Entweder klagt der CSD-Verein (sobald der Auflagenbescheid irgendwann zugestellt wird) vor Gericht, was mit viel zusätzlicher Arbeit und hohen Kosten verbunden wäre. Oder es ist in Betracht zu ziehen, die größte LSBTIQA*-Demo in Freiburg abzusagen.
In anderen Städten ist eine zentrale Route selbstverständlich und der CSD ein Fest in der Stadt: egal, ob in Karlsruhe, Straßburg, Stuttgart, oder Köln.
Es scheint, dass sich Freiburg gerne Vielfalt auf die Fahnen schreibt – aber Minderheitenschutz und Vielfalt zu leben, bedeutet eben doch viel mehr.
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