Kommentar von Meide Wolt – Stuttgart. Am fünften Verhandlungstag gegen MitarbeiterInnen der Waffenfirma Heckler & Koch, sagte am Donnerstag, 14. Juni, ein Beamter des Zollkriminalamts aus Köln als Zeuge aus. Er belastete Heckler & Koch, deren MitarbeiterInnen und die mexikanischen Behörden gemeinsam Dokumente geschönt haben sollen, um Genehmigungen für Waffentransporte nach Mexiko von den deutschen Behörden zu erwirken. Keiner der Verfahrenensbeteiligten verurteilt die Produktion, den Verkauf oder die Nutzung von Waffen durch Polizisten und Soldaten überhaupt. Angeklagt sind die Waffenproduzenten lediglich wegen bürokratischer Ungereimtheiten.
Das Verfahren gegen Heckler & Koch wird nichts an der Waffenproduktion und den Waffenexporten Deutschlands ändern. Das Gericht befasst sich mit Formalitäten. Am Stuttgarter Landgericht wird kein moralischer Prozess geführt. Wie der Vorsitzende Richter deutlich machte, gehe es bei der Verhandlung gegen Heckler & Koch im Kern um die Frage, ob die Waffenfirma Dokumente missachtete, die die Lieferungen nach Mexiko untersagt hätten. Zu bestrafen wäre also, dass sich die Firma und deren ArbeiterInnen nicht an den innerdeutschen Papierkram gehalten haben. Es geht nicht darum, dass Waffen in den Händen des Staates, deren Polizeikräften und deren Soldaten, den Zweck haben Menschen zu überwachen und gegebenenfalls umzubringen. Es geht nicht darum, und dass wer Waffen baut und exportiert diesem Zweck dient. Es geht auch nicht darum, dass Heckler & Koch, wie jede ganz normale Firma versucht möglichst viel seiner Ware zu verkaufen und damit ein höchstes Interesse daran hat, möglichst ungehindert in die ganze Welt an alle möglichen Abnehmer zu exportieren.
Das Vergehen war lediglich die Akten missachtet zu haben
Heckler & Koch wird vorgeworfen, Genehmigungen des Bundesministeriums für Wirtschaft wissentlich umgangen zu haben und an Bundesstaaten in Mexiko geliefert zu haben, an die keine Lieferungen hätten erfolgen dürfen. Der Beamte des Zollkriminalamts hatte ausgesagt, dass seinen Erkenntnissen nach Heckler & Koch „mit der mexikanischen Seite lediglich abgesprochen hat, welche Bundesstaaten in den Anträgen genannt werden dürfen und nicht wohin die Waffen tatsächlich geliefert werden“. Der Fehler von Heckler & Koch war demnach weder Waffen nach Mexiko zu liefern, noch Waffen in verbotene Bundesstaaten zu liefern, sondern lediglich die Akten missachtet zu haben. Ein rein bürokratischer, und eben kein moralischer Fehler. Weiter warf der Beamte Heckler & Koch vor, Waffen, die für einen verbotenen Bundesstaat vorgesehen waren, umzuquittieren und dadurch in einen „erlaubten“ Bundesstaat zu liefern.
Keiner der Beteiligten hat ein moralisches Interesse
Allen Beteiligten ist klar, dass weder Heckler und Koch, noch das Bundesministeriums für Wirtschaft den Verbleib der Waffen ernsthaft kontrollieren kann. So verteidigten die Anwälte vor Gericht die Waffenfirma eben auch mit dem Argument, dass nicht Heckler & Koch, sondern die deutschen Behörden für die Kontrolle verantwortlich seien. Außerdem seien Lieferungen nach Mexiko generell genehmigt worden und für die Aufteilung auf die verschiedenen Bundesländer sehe man sich nicht verantwortlich. Auch dafür seien letztlich die deutschen und mexikanischen Behörden verantwortlich. Wohl wissend, dass die mexikanischen Behörden lediglich auf dem Papier dafür garantieren, wo und wofür die Waffen verwendet werden. Da die deutschen Behörden ebenfalls kein Interesse an einer ernsthaften Kontrolle haben, ist die Argumentation der Waffenproduzenten also im höchsten Maße zynisch und moralisch erschütternd, gar gruselig.
Die deutschen Gesetze sind blind für die Probleme der mexikanischen Bevölkerung
Aber dieser moralische Abgrund wird von deutschen Gerichten nicht verurteilt werden. Die Gerichte in unserer Gesellschaft haben die Funktion ganz formal zu überprüfen, ob die Gesetze eingehalten wurden. Gesetze, die wiederum keinen moralischen Anspruch haben. Gesetze, die die Interessen der mexikanischen Bevölkerung nicht berücksichtigen. Gesetze, die alle nur einen kleinen Ausschnitt der Welt betrachten und für den Gesamtzusammenhang, für die Geschichte und für die Gesellschaft blind sind.
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Menschlich eine Katastrophe, aber gerichtlich unantastbar
So wirft dieser Prozess ein erschütterndes Bild auf die deutschen ArbeiterInnen, die Hand in Hand mit der Industrie und den deutschen Behörden ihre gemeinsamen Interessen vertreten – und auf ein Gerichtswesen, das darin versagt als Gewissen der Gesellschaft herzuhalten. Egal wie hoch die Strafen vor dem Wirtschaftsgericht wegen missachteter Dokumente sein wird, für ihr größtes Verbrechen, ihre moralische Widerwärtigkeit, werden die ArbeiterInnen, die Angestellten und die Firmenbesitzer der deutschen Waffen-Export-Industrie nicht bestraft werden.
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