Von Andreas Scheffel – Stuttgart. Das lange Zittern um die Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen der türkischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen hatte ein Ende. Kurz nach 20 Uhr trafen sich am am Sonntag, 24. Juni, auf dem Stuttgarter Schlossplatz etwa 250 Oppositionelle, die den Einzug der Demokratische Partei der Völker (HDP) ins Parlament feiern wollten. Die ersten Hochrechnungen signalisierten, dass die Zehn-Prozent-Hürde übersprungen wurde. Im Verlauf des Abends provozierten mehrmals Erdogan-Anhänger die feiernden Menschen auf dem Schlossplatz. Es kam zu Verfolgungsjagden und zu einzelnen Scharmützel zwischen den gegnerischen Lagern.
Trotz aller Freude und feierlicher Stimmung der HDP-Anhänger, gab es auch TeilnehmerInnen, die skeptisch über den weiteren Verlauf der Wahlen in der Türkei waren. Einzelne verfolgten gespannt auf ihren Handys den Verlauf der Hochrechnung und Meldungen aus der Türkei, während die Anderen singend und tanzend ihre Freude zum Ausdruck brachten.
Oppositionsvertreter attackiert
Die Wahlen in der Türkei waren am Sonntag nach Meldungen von Medien und Beobachtern überschattet von Gewalt und Unregelmäßigkeiten. In der Türkei hatte sich eine extreme Spannung aufgebaut, da ein Wahlsieg der Opposition nicht mehr ausgeschlossen schien. Sie entlud sich teilweise in massiver Gewalt. Nach Meldungen von Medien sind in der ostanatolischen Stadt Erzurum der Vorsitzende einer oppositionellen Partei und zwei seiner Begleiter getötet worden. Laut weiteren Meldungen wurden auch in anderen Städten Oppositionsvertreter attackiert.
„Ihr scheiß Kurden, euch muss man töten“
Fest steht, dass Recep Tayyip Erdogan mit seiner regierenden AKP-Partei nur mit dem Bündnis der rechtsextremen MHP die Mehrheit erreichen konnte. Im Verlauf des Abends, fuhren Erdogan-Anhänger mit einem Auto an den feiernden Personen vorbei und riefen provozierend „Allahu Akbar“ und „ihr scheiß Kurden, euch muss man töten“, dabei hielt ein Insasse die türkische Fahne aus dem Fenster des Fahrzeugs. Einige TeilnehmerInnen der Versammlung fühlten sich dadurch so provoziert, dass sie dem Fahrzeug hinterherrannten und Steine warfen. Im weiterem Verlauf kam es zu Beschädigungen an Fahrzeugen und zu regelrechten Verfolgungsjagden, sowie zu einzelnen Scharmützel unter den verschiedenen Lagern.
OSZE kritisiert ungleiche Bedingungen
Wahlbeobachter berichteten, Erdogan und seine AKP hätten einen „deutlichen Vorteil“ gehabt, insbesondere durch die „exzessive Berichterstattung“ regierungsnaher Medien. Auch seien unter dem geltenden Ausnahmezustand Grundrechte wie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit eingeschränkt gewesen, teilte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in einer Pressemeldung mit.
Prokurdische HDP zieht ins Parlament ein
Während die Türkei weiter stark nach rechts abdriftet, zieht die prokurdische HDP ins Parlament ein. HDP-Vertreter aus Stuttgart freuten sich über den Wiedereinzug ins Parlament und sehen sich für die Zukunft gestärkt. „Trotz erheblicher Unregelmäßigkeiten im kurdisch geprägten Südostanatolien gelang der Sprung über die Zehn-Prozent-Hürde. Wir, die Oppositionellen, lassen uns nicht von den Erdogans einschüchtern. Wir stehen für eine stabile Demokratie in der Türkei ein“, so eine Teilnehmerin, kurz vor Ende der Veranstaltung auf dem Schlossplatz.
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