Von Angela Berger – Ludwigsburg. Zeitweise waren am Samstag, 7. Juli, etwa 400 BesucherInnen auf dem Platz neben dem Goethegymnasium in Ludwigsburg beim Festival „Mut gegen Rechts“. Es begann mit einem Vortrag von Peter von den Stuttgarter Falken. Sein Thema: „Mut gegen Rechts und Nationalismus- aber was ist Rechts und was ist Nationalismus?“ Starken Eindruck machte auf viele ein Bericht von Mattes Szodrak über die Arbeit der Mission Lifeline.
Zunächst versuchte Peter von den Falken dem Publikum deutlich zu machen, wo Nationalismus beginnt und wie wichtig es sei zu begreifen, warum immer mehr Menschen rechten Parolen folgen.
Danach lauschten viele Besucher dem Vortrag von Mattes Szodrak, der einen Einblick in die Arbeit der Mission Lifeline gab. Szodrak war schon zweimal bei Missionen der Seawatch-Crew dabei und berichtete über die Motivation der HelferInnen, den Ablauf der Missionen und die aktuelle Lage im Mittelmeer.
Seenotretter werden kriminalisiert
Mit Bildern und seinem sehr persönlichen Vortrag erinnerte er daran, wie wichtig die Hilfe der NGOs im Mittelmeer sei. Alle Rettungsmissionen handelten nach geltendem Seerecht zur Seenotrettung. Ihm zufolge ist „… jeder Schiffsführer auf hoher See innerhalb seiner Möglichkeiten verpflichtet, unabhängig von Nationalität, Status und Umständen, in welchen sich die Hilfesuchenden befinden, bei Seenot unverzüglich Hilfe zu leisten, wenn er über eine konkrete Notsituation informiert wird.“
Doch statt die Arbeit der NGOs zu unterstützen, kriminalisierten Anrainerstaaten die Helferinnen. Aktuell dürften weder die Schiffe auslaufen, um Menschenleben zu retten, noch das private Flugzeug „Moonbird“ starten, das für die Sichtung der Hilfesuchenden im Mittelmeer zuständig ist.
Die Abschottung soll abschrecken
Die Europäische Gemeinschaft schaue einfach weg. Dabei hingen die Fluchtursachen Krieg und Gewalt, Hunger, Klimawandel, die Ausbeutung der Rohstoffe und der damit verbundene Landraub, die Umweltzerstörung, Verfolgung, Diskriminierung, Armut und Perspektivlosigkeit unmittelbar mit dem Wohlstand in Europa zusammen.
Die Absicht der Abschottung und des Verhinderns der Hilfsmissionen sei klar: Die schrecklichen Bilder sollen die Menschen in Not davon abhalten, nach Europa kommen zu wollen. Aber auch vor den ersten Hilfsaktionen im Mittelmeer 2015 gab es schon viele Menschen, die auf den verschiedensten Routen versuchten, ein besseres Leben zu finden, sagte Szodrak. Denn wer würde nicht für sich und seine Familie ein besseres Leben suchen, wenn er in seiner Heimat keine Chance hätte, in Frieden und in Sicherheit ein gutes Leben in Würde zu führen? Habe nicht jeder Mensch das Recht, sich den Platz, an dem er leben möchte, auszusuchen?
Migration ist Menschenrecht
Die Märkte und globalen Unternehmen nähmen sich auch das Recht heraus, auf die Kontinente und in die Länder zu ziehen, in denen sie die höchsten Gewinne für sich erzielen können. Warum sollten dann umgekehrt nicht auch die Menschen dort hin gehen dürfen, wo für sie die höchste Lebensqualität zu finden ist?
Das Recht auf Migration ist schon 1948 von den Vereinten Nationen beschlossen worden. In deren Charta steht: „Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren. Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen. Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden.“
NSU-Verbrechen weiter unaufgeklärt
Nach den Vorträgen gab es Musik, es spielte die Band „Kuballa“ und danach „Planet Watson“. Janka Kluge (VVN) erinnerte an den Tag X, der nächste Woche bevorsteht, das Ende des Prozesses gegen die Angeklagten des NSU. Die Urteilsverkündung bedeute aber noch lange keinen Schlussstrich. Noch immer wird die Aufklärung und die Auflösung des NSU-Komplex gefordert.
Denn nach über fünf Jahren gebe es mehr Fragen als Antworten. Zwar werde mittlerweile von einem „Kerntrio“ gesprochen, und es sei klar, dass die drei die Morde, Anschläge und Raubüberfälle nicht alleine geplant und durchgeführt haben können. Doch sei völlig offen, wie viele Morde tatsächlich auf das Konto des NSU gehe. Bei einer Nachuntersuchung der Polizei seien allein in Baden-Württemberg etwa 200 weitere ungeklärte Mordfälle in der aktiven Zeit des NSU an Migrantinnen und Migranten aufgefallen.
Schon vor der Urteilsverkündung sei allen klar: Es wird in diesem Prozess keine Aufklärung geben. Deswegen gebe es auch bundesweit den Aufruf verschiedener Bündnisse, am „Tag X“ auf die Straße zu gehen. Auch in Ludwigsburg, in Karlsruhe und in Stuttgart wird es Veranstaltungen geben.
Nazis stilisieren sich als Märtyrer
Wie schon Ursula Haverbeck-Wetzel versuche sich der im NSU-Prozess Mitangeklagte André Eminger, ein bekennender Neonazi, zum Märtyrer zu stilisieren. Auch die Holocaust-Leugnerin Haverbeck-Wetzel habe viel dazu getan, verurteilt zu werden. Sie floh nicht und ließ sich in ihrer Wohnung verhaften. Seither gebe es überall immer wieder Solidaritätsaktionen für die über 90-Jährige. Janka Kluge forderte, man dürfe nicht aufhören, das Leugnen der Schoah und die Verehrung von Adolf Hitler in jeder Form unter Strafe zu stellen.
Man müsse immer und immer wieder dagegen halten, wenn man in seinem Umfeld irgendeiner Form von Faschismus begegne – so der Appell der Rednerin. Man dürfe Faschisten kein Fußbreit überlassen, schon gar nicht, wenn heute wieder von exterritorialen Lagern gesprochen wird. Rechte Begriffe würden immer mehr in den normalen Sprachgebrauch übernommen. Vielen falle es gar nicht mehr auf, wenn sie solche Begriffe hörten oder sie gar selbst verwendeten. Janka Kluge forderte alle auf, im Kampf gegen den Faschismus zusammenzustehen – unabhängig von ihrer Gruppierung.
Das Festival klang mit Hip-Hop Musik von „Dreiblatt“ und mit Punkrock von „Hell and back“ aus.
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