Stuttgart/Karlsruhe. Die Gewerkschaft Verdi wirft dem SB-Warenhaus-Gesellschaft Real Tarifflucht vor. Das Unternehmen habe sich vom Tarifvertrag für den Einzelhandel verabschiedet und drastische Lohnsenkungen angekündigt. Verdi ruft die 34 000 Beschäftigten von Real deshalb am Freitag, 13. Juli, bundesweit zu Streiks auf. „Wir wollen keine Dumpinglöhne, wir kämpfen für Löhne, von denen man leben kann“, sagte Stefanie Nutzenberger, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand, in Berlin. Auch in Baden-Württemberg wird es ab 5 Uhr morgens Warnstreiks geben. Verdi rechnet mit 500 Streikenden.
Im Tarifkonflikt zwischen Verdi und der Real GmbH ist der zuständige Unternehmerverband AHD den Aufforderungen der Gewerkschaft zu Tarifverhandlungen nicht nachgekommen. Verdi sieht im Vorgehen von Real – „Tarifflucht gepaart mit einem Betriebsübergang“ – einen massiven Angriff auf die Rechte der Beschäftigten bei Real. Die zum Metro-Konzern gehörende GmbH wolle künftig einen mit dem Verein DHV abgeschlossenen Tarifvertrag anwenden. Nach der Flucht aus dem Flächentarifvertrag seien auch die auslaufenden Verträge von rund 4500 befristet Beschäftigten nicht zu den vorherigen Konditionen verlängert worden.
Damit würden erfahrungsgemäß Neueingestellte gegen Altbeschäftigte ausgespielt und Zukunftsängste geschürt. Dies wollten die Belegschaften der Real GmbH nicht hinnehmen: „Ein Unternehmen, das am Markt konkurrenzfähig sein will, braucht motivierte Beschäftigte, denen Wertschätzung entgegengebracht wird. Dazu ist Lohndumping nicht geeignet“, sagt Jan Bleckert, zuständiger Gewerkschaftssekretär für den Einzelhandel der Region.
Kundgebungen in Böblingen-Hulb und Ettlingen
Verdi ruft die Real-Beschäftigten in Baden-Württemberg am Freitag, 13. Juli, ab 5 Uhr zu Warnstreiks auf. In Böblingen-Hulb ist ab 10 Uhr eine Kundgebung vor der Real-Filiale in der Otto-Lilienthal-Straße 24 geplant. Zu ihr werden Streikende aus 12 Märkten aus den Regionen Stuttgart, Fils-Neckar-Alb und Schwarzwald-Bodensee erwartet.
Im Bezirk Fils-Neckar-Alb sind die Real-Märkte Kirchentellinsfurt, Dettingen/Erms, Balingen, Tübingen, Nürtingen, Ostfildern und Filderstadt zum Streik aufgerufen. „Das Ziel ist klar: Unsere Kolleginnen und Kollegen wollen einen rechtsverbindlichen Tarifvertrag auf dem Niveau des Verdi-Einzelhandelstarifvertrag für die ganze Belegschaft durchsetzen. Dafür haben die Beschäftigten einen langen Atem“, erklärt Bleckert.
Real kooperiert mit „gelber Gewerkschaft“
Die Streikenden der sechs Märkte in Karlsruhe, Freiburg und Ettlingen versammeln sich zu einer gemeinsamen Kundgebung in Ettlingen ab zehn Uhr vor dem Real-Markt Zehntwiesen Straße 47.
Den Ausstieg aus den mit Verdi vereinbarten Tarifverträgen habe dem Unternehmen der Übergang auf eine andere Metro-Gesellschaft ermöglicht. Sie hat Tarifverträge mit dem DHV abgeschlossen hat. Der DHV geltet unter Branchenkennern als sogenannte „gelbe“ Gewerkschaft, erklärt Verdi. Deren Tarifverträge führten zu durchschnittlich 23 Prozent weniger Geld und längerer Arbeitszeit bei Real-Neueinstellungen.
„Lohndumping um jeden Preis“
Für eine Verkäuferin in 60-Prozent-Teilzeit bedeutet das beispielsweise: Statt bislang 1547 Euro bekäme sie künftig 1260 Euro brutto im Monat. „Solche Löhne führen direkt in die Altersarmut der Beschäftigten“, sagte Nutzenberger. Sie sprach von „Lohndumping um jeden Preis, selbst mit einer Gewerkschaft, deren Tariffähigkeit seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Juni zweifelhaft ist“.
Nicht nur niedrigere Löhne, sondern auch weniger Urlaubs- und Weihnachtgeld, die Abschaffung der Spätarbeitszuschläge und Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen erst ab 22 Uhr drohten den Beschäftigten.
Durch die Kündigung des „Zukunftstarifvertrags“ mit Verdi umgehe das Unternehmen zudem die darin geregelte Standort- und Beschäftigungssicherheit ebenso wie die Investitionszusagen in die Märkte. „Damit ist die Zukunft der Beschäftigten völlig ungewiss. Dramatische Demotivation und Verunsicherung sind die Folge“, sagte das Verdi-Bundesvorstandsmitglied.
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