Von Franziska Stier – Basel. Für Freitag, 17. August, wurde zu einer Solidaritätsdemo für die Fasnachtsguggen „Negro-Rhygass“ und „Mohrekopf“ in Basel aufgerufen. Knapp 70 AntirassistInnen stoppten den Demozug kurz auf der Wettsteinbrücke. Auslöser dieser „Solidaritätsdemo“ war eine Debatte über die Symbolik der Clique „Negro-Rhygass“. Ihr Logo zeigt einen schwarzen Mann, trommelnd mit großen Lippen, Bastrock und Knochen im Haar. Ist in der Fastnacht tatsächlich alles erlaubt?
Diese Symbolik bedient alte Muster von Rassentheorien. Sie reichen bis hin zur Entmenschlichung und Kulturlosigkeit. In einem Flugblatt antirassistischer und schwarzer Kollektive, das im Umfeld der „Solidaritätsdemo“ verteilt wurde, heißt es dazu: „Baströcke und nackte Haut wurden in Europa zu Zeichen von ‚Unzivilisiertheit‘ und ‚Dekadenz‘. Diese Dekadenz überschatten die beiden Gründungsjahre, sowohl 1927 als auch 1958, auf die sich die Fasnächter berufen. Dasselbe gilt für den Knochen im Haar, der darüber hinaus auch die koloniale Phantasie befeuert, in der Schwarze des Kannibalismus und Aberglaubens bezichtigt werden.“ Stattdessen wird eine Fasnachtskultur gefordert, die Rassismus und anderen Formen der Diskriminierung entgegentritt.
„Die Fasnacht darf alles“
Während der Basler Fasnacht herrscht Ausnahmezustand. Da darf selbstverständlich auch der Souverän kritisiert werden. Doch hier geht es nicht um die Obrigkeit. Und hier geht es auch nicht um Tradition und Satire oder gar um eine „Hommage“ auf People of colour, wie es in einigen Kommentaren zu lesen ist. Hier geht es darum, dass People of colour noch immer als kulturell minderwertig inszeniert wird.
Diese Sichtweise ist dahingehend erklärungsbedürftig, dass es ein Minimum an Geschichtsbewusstsein braucht. Denn dieses Bild lässt sich nicht frei von Sklaverei, Kolonialismus und heutigem Alltagsrassismus interpretieren. Wer sich einer (Bild)Sprache bedient, die 60 beziehungsweise 90 Jahre alt ist und damit Vorurteile nachhaltig schürt, die seinerzeit politisch gewollt waren, der macht sich mitschuldig daran, dass farbige Menschen in einer primär weißen Gesellschaft vielfältige Diskriminierung erfahren.
Unheilige Allianzen
Neben Familien und Fasnachtsbegeisterten, die möglicherweise tatsächlich nur die Zensur der „drei schönsten Tage im Jahr“ befürchteten, mischten sich auch Neonazis und Hooligans unter die Demo. Darunter der PNOS-Vorsitzende Tobias Steiger. Die neofaschistische Gruppe verkündete dies stolz über Facebook. Auch ein rechtsradikaler Hooligan, der sich laut sich laut Recherchen von Blick und Berner Antifa am „Kampf der Nibelungen“ beteiligte, einem Schläger-Event, an dem rund 700 Neonazis teilnahmen, flankierte mit einigen KameradInnen den Solidaritätsmarsch mit seinem „Fight Antifa“-Shirt. Für solche Gruppen ist Rassismus tatsächlich eine Tradition, die bewahrt werden muss.
Ab 22.35 Uhr versuchte eine kleine Gruppe von etwa 12 Personen mehrfach durch Provokation am Hirscheneck eine Eskalation herbeizuführen. Dort hatten sich rund hundert antirassistisch engagierte Menschen nach der kurzen Blockade auf der Wettsteinbrücke eingefunden. Die Neonazis zündeten zunächst erfolglos ein Transparent mit der Botschaft „Für eine antirassistische Tradition“ an. Wenig später folgte eine zweite Provokation. Daraufhin rückte die Kantonspolizei teilweise mit Gummischrot bewaffnet aus und sperrte die Straße. Es folgte kein Einsatz und verletzt wurde niemand.
Und der Staat?
„Schweizer Polizisten schützen die Rassisten“, lautete kurz eine Parole vor dem Hirscheneck. Was nach einem linken Mythos klingt, war Realität. Die „Solidaritätsdemo“ wurde nach Angaben der „Tageswoche“ von nur einer Polizistin begleitet und endete wenige hundert Meter entfernt vom Restaurant Hirscheneck, das in der Vergangenheit häufig Ziel gewalttätiger Übergriffe von Rechtsradikalen wurde. Obwohl also gewaltbereite Neonazis an der Demonstration teilnahmen, wurde der Abschlusskundgebungsort mit geringstem Polizeiaufgebot bewilligt. Diejenigen, die die Eskalation suchten, wurden geschützt und antirassistisch Engagierte unter Generalverdacht gestellt.
Wenn der Alltagsrassismus eskaliert
Die Debatte, die nun um „Mohrenkopf“ und „Negro-Rhygass“ geführt wird, ist um ein Vielfaches rassistischer geprägt als der Auslöser selbst. Während und nach der Demonstration riefen Leute mehrfach einfach „Neger“ oder „Negro“, um zu provozieren. Auch die Stimmung der Demonstration war während der kurzen antirassistischen Intervention massiv aufgeladen. Mehrere aggressive Personen, die die Konfrontation suchten, mussten zurückgehalten werden. Es wurde heftig gepöbelt.
Antirassistische Transparente, die auf der Marschroute aufgehängt wurden, wurden laut „Tageswoche“ abgerissen und zerstört. Auch die regionale Berichterstattung schokiert. Die „Basellandschaftliche Zeitung“ übertrug einen Livestream der „Soliparty“ und teaserte in einem Artikel vollkommen unreflektiert zum Auslöser des Konflikts: „Sie [die Guggenmusiken] beziehen sich auf eine traditionsreiche Figur, die heute etwas aus der Mode gekommen ist. Und genau hier liegt das Problem.“
Eine Firma sponsorte Schaumküsse, die von dieser Zeitung als auch von der Firma stolz als „Mohrenköpfe“ gefeiert wurden, und auf Demo-Schildern am Auftaktkundgebungsort war zu lesen: „Händ weg vo unserne Kulturgueter“ oder „Den bin i halt au rassistisch“. Auf Facebook werden indes Memes geteilt mit dem Text „Je suis Negro-Rhygass – Je suis Fasnacht“. Antirassistisches Engagement wird auf diese Weise mit terroristischen Anschlägen und Toten gleichgesetzt. Kritische Berichterstattung zum Thema wird mit „Fakenews“ kommentiert. Da wird der Bock zum Gärtner.
Mein persönlicher Kommentar: Es ist echt zum Heulen. Rassismus mit Tradition und Kultur zu legitimieren, ist wirklich armselig. Merken die Beteiligten eigentlich, was sie sagen? Ist ihnen bewusst, welche Botschaften sie an alle entsenden, die nicht weiß sind und täglich mit Diskriminierung aufgrund Rassismus zu kämpfen haben?
Natürlich darf die Fasnacht weiterhin provokant und politisch sein. Und sie darf, kann und soll weiterhin kritisieren. Am Ende geht es in dieser Debatte aber nur am Rande um die Fasnacht. Vielmehr diente der Denkanstoß einer Reflektion des eigenen Alltagsrassismus. Davon ist niemand befreit. Anstatt das Thema aber fasnachtsgerecht aufzugreifen, wird vielfach mit Hass und Gewalt reagiert. Das zeigt, wie dringend diese Debatte ist – gerade unter allen, die glauben eben nicht rassistisch zu sein. Und es sind vor allem die, die „nicht rassistisch sind“, die AntirassistInnen bedrohen und beleidigen.
Es hat sich eine gefährliche, demokratiefeindliche Mischung formiert, die angetreten ist, Privilegien um jeden Preis zu verteidigen. Auch wenn es bitter ist und für viele schwer verständlich: Am Ende sind fast tausend Menschen gemeinsam mit RassistInnen auf die Straße gegangen – für das Recht gemeinsam rassistisch sein zu dürfen.
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