Von Anne Hilger – Backnang. Der Versuch eines AfD-Funktionärs, den Chefredakteur der Beobachter News Alfred Denzinger zu kriminalisieren, ist gescheitert. Von den erhobenen Vorwürfen blieb nichts übrig. Denzinger hatte auf die Anzeige des AfD-Mannes hin einen Strafbefehl wegen versuchter Nötigung erhalten, die Staatsschutzabteilung der Kriminalpolizei von sich aus sogar wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Tatsächlich befand sich jedoch Frank Kral, baden-württembergischer Landesschatzmeister der AfD, im Unrecht, als er den Journalisten daran zu hindern versuchte, einen Wahlkampfstand seiner Partei zu fotografieren (wir berichteten). Denzinger wurde am Donnerstag, 23. August, vom Amtsgericht Backnang freigesprochen.
„Es ist erlaubt, von öffentlichen Versammlungen Bilder zu machen. Das gilt dem Grund nach auch für Wahlkampfstände.“ Das stellte Richter Dr. Marco Siever klar. Die Zulässigkeit der Aufnahmen „war mir nicht bewusst“, räumte Frank Kral vor Gericht ein. Alfred Denzinger hatte einen Strafbefehl über 1500 Euro erhalten und Einspruch eingelegt. So kam es zu der Verhandlung. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft forderte zuletzt ebenso wie Verteidiger Christos Psaltiras Freispruch. Die Kosten des Kriminalisierungsversuchs einschließlich der Auslagen des Freigesprochenen trägt die Staatskasse.
AfD-Mann Kral wollte am 16. September 2017 verhindern, dass der Wahlkampfstand seiner Partei vor einem Drogeriemarkt in der Grabenstraße in Backnang fotografiert wird. Immer wieder hatte er sich zwischen Kamera und Wahlkampfstand gestellt, war dem Fotografen auf eine Strecke von bis zu hundert Metern gefolgt, wie er vor Gericht zugab. Denzinger ließ sich nicht einschüchtern und fotografierte weiter. Später erstattete Kral dann Anzeige.
Pressearbeit darf nicht behindert werden
„Es spricht manches dafür, dass Herr Kral verkannt hat, welche Zulässigkeit es hat, Fotos von Wahlkampfständen zu machen. Er war sich über die Rechtswidrigkeit seines Tuns nicht im Klaren“, begründete Richter Siever sein Urteil. Kral hätte Denzingers von der Pressefreiheit geschützte Arbeit nicht behindern dürfen und hätte auch seinerseits wegen Nötigung auf der Anklagebank sitzen können.
Auch die anderen Prozessbeteiligten schlossen sich der Auffassung des Richters an, dass es sich nach den Aussagen Denzingers und Krals erübrigte, weitere Zeugen zu hören, um den Vorfall genauer aufzuklären. Selbst im Fall, dass sich Denzinger Kral gegenüber nicht korrekt verhalten hätte, wäre das aus Notwehr geschehen.
Schläge in Richtung der Kamera
Von dem Vorfall, der sich eine gute halbe Stunde um die Mittagszeit hinzog, gab es unterschiedliche Darstellungen. Denzinger legte dem Gericht mehrere Fotos vor. Sie zeigten unter anderem, wie er verfolgt und wie in Richtung seiner Kamera geschlagen wurde. Damit widerlegten sie auch die Aussage Krals, er habe die ganze Zeit „demonstrativ die Hände in den Hosentaschen“ behalten und sich „betont passiv verhalten“, während er Denzinger verfolgte.
Der Journalist war eigentlich nach Backnang gekommen, um über eine antifaschistische Kundgebung zu berichten (siehe „Kamerascheue Stimmenwerber mit Stinkefinger„). Er stritt vor Gericht ab, jemanden genötigt, beleidigt oder bedroht zu haben. Es sei genau andersherum gewesen: „Ich wurde bedroht, bedrängt, beleidigt und daran gehindert, meine Arbeit zu machen, die ja in Deutschland der Pressefreiheit unterliegt.“
Passanten wollten die Polizei holen
Das hätten auch Passanten bemerkt. Sie hätten angeboten, die Polizei zu holen. Aus heutiger Sicht sei sein einziger Fehler an diesem Tag gewesen, den Vorfall als nicht so brisant eingeschätzt zu haben, dass das geboten wäre. Zunächst habe sich am AfD-Stand auch offensichtlich niemand an den Aufnahmen gestört. Vielmehr habe man in die Kamera gelächelt und gewunken. Auch später noch sei die Stimmung am Stand gelöst gewesen.
Kral erklärte, ihm sei es nicht darum gegangen, Aufnahmen von sich selbst zu verhindern. Sie gingen in Ordnung, da er Funktionär seiner Partei sei. Es hätten sich jedoch andere Mitarbeiter an dem Stand, für den er verantwortlich zeichnete, beschwert. „Hier geht es schlicht um die Frage, ob es erlaubt ist, einen Wahlkampfstand zu knipsen“, sagte der Richter. Das bejahte er. Selbst wenn man sich als Interessent an einen solchen Stand begebe, müsse man das aushalten.
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