Stuttgart/Berlin. Die dju (Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union) in Verdi wertet Teile eines Polizeieinsatzes am Samstag, 18. August, in Stuttgart als „unverhältnismäßige Behinderung journalistischer Arbeit und nicht hinnehmbare Einschränkung der Pressefreiheit“. Das schrieb sie in einem Brief an Landes-Innenminister Thomas Strobl.
Mit den Worten „die Pressefreiheit ist jetzt ausgesetzt“ beziehungsweise „hier endet nun Ihre Pressefreiheit“ seien Journalisten, die über den Polizeieinsatz zum Schutz eines Infostands der rechtsextremen und vom Verfasssungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ (IB) berichten wollten, am Betreten der U-Bahn-Station Charlottenplatz gehindert worden (siehe auch „Journalist von IB-Anhänger bedroht„).
„Bei Angriffen auf Journalisten konsequent ermitteln“
Zuvor sei einem Journalisten – es handelt sich um den Chefredakteur der Beobachter News – von einem Mitglied der IB Gewalt angedroht worden. Seine Strafanzeige wurde von den Polizeibeamten erst nach wiederholtem Drängen angenommen, kritisiert die dju in ihrer Mitteilung.
Sie fordert in ihrem Brief eine Klarstellung des Ministers und der Polizeiführung, dass die Freiheit der Berichterstattung nicht durch einzelne Polizeibeamte willkürlich eingeschränkt werden darf, da die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit über einsatztaktischen Überlegungen stehe. Weiter fordert die Verdi-Journalistenorganisation konsequente Ermittlungen, wenn Strafanzeigen wegen Angriffen auf Journalisten gestellt werden.
dju bietet Gespräche und Weiterbildung für Polizisten an
Die dju bietet dem Minister und der Polizei Gespräche über den praktischen Schutz der Pressefreiheit bei Polizeieinsätzen an und weist darauf hin, dass Journalistinnen und Journalisten auch für Weiterbildungen von Polizistinnen und Polizisten zur Verfügung stehen – etwa zur Bedeutung der Presseausweise, die aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Deutschen Presserat und der Innenministerkonferenz ausgestellt werden.
Wie wir berichteten, erteilte die Polizei am Rand des Infostandes der IB vier Platzverweise gegen linke AktivistInnen. Es gab außerdem zwei Strafanzeigen von Journalisten gegen Rechte: die oben bereits erwähnte wegen Beleidigung und Bedrohung und eine weitere wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung, weil ein IB-Anhänger unablässig filmte.
Innenministerkonferenz muss Pressefreiheit thematisieren
Nach den Vorfällen in Sachsen, wo die Polizei ein von einem Pegida-Anhänger und Mitarbeiter des Landeskriminalamts angezeigtes Kamerateam des ZDF 45 Minuten lang von der Berichterstattung abhielt, und Baden-Württemberg fordert die dju bundesweit, das Thema Pressefreiheit auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz zu setzen. „Unser Land braucht einen Plan, wie das Grundrecht der Pressefreiheit und sein Schutz durch den Staat von Ämtern, Behörden und Dienststellen wirksam durchgesetzt werden kann“, fordert die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, Cornelia Haß.
Die Situation sei dramatisch. „Wenn ein Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamts genau weiß, mit welchen Methoden er offenbar nicht ausreichend informierte Einsatzkräfte dazu bringen kann, ein Fernsehteam für 45 Minuten an seiner Arbeit zu hindern, wenn ein Polizist in Stuttgart die Pressefreiheit außer Kraft setzt, weil er dem vermeintlichen Schutz von Mitgliedern der Identitären Bewegung Vorrang gibt, dann ist das ein Alarmsignal für den Umgang mit der Pressefreiheit.“
Weitere Details zur „Identitären Bewegung“ veröffentlichte heute auch das Handelsblatt unter „„Identitäre Bewegung“ laut Innenministerium für über 100 Straftaten verantwortlich„. Dem Beitrag liegt eine Antwort des Innenministerium des Bundes auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktions-Abgeordneten Martina Renner zugrunde.
„Da hat sich etwas Ungutes zusammengebraut“
Die Politik könne hier nicht tatenlos zusehen“, sagte Haß. Gerade in rechten Kreisen, die sich der Berichterstattung im öffentlichen Interesse oftmals zu entziehen versuchten, würden solche Methoden von Behinderung der Pressefreiheit nur zu gerne aufgegriffen und systematisch verbreitet. „Die Sicherung unserer Pressefreiheit muss ein wesentlicher Baustein in der Ausbildung von Sicherheitskräften sein. Da hat sich etwas Ungutes zusammengebraut“, erklärte Haß.
Erst am Donnerstag wurde der Chefredakteur der Beobachter News vom Amtsgericht Backnang vom Vorwurf der versuchten Nötigung freigesprochen (siehe „Freispruch für Chefredakteur der BN„). Er hatte Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt, den er nach einer Anzeige eines baden-württembergischen AfD-Funktionärs hin erhalten hatte. Der AfD-Mann hatte im September vergangenen Jahres versucht, ihn am Fotografieren eines Wahlkampfstands seiner Partei zu hindern.
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