Von Andreas Scheffel und Alfred Denzinger – Stuttgart. Nach der Aufhebung ihrer Ausreisesperre in der Türkei ist die deutsche Journalistin Mesale Tolu am Sonntag, 26. August, in Deutschland eingetroffen. Die Ulmerin ist 16 Monate nach ihrer Festnahme auf dem Stuttgarter Flughafen gelandet. Ihr Ehemann bleibt weiterhin in der Türkei inhaftiert. Unmittelbar nach ihrer Ankunft trat Tolu vor die Presse.
Die für die türkische Nachrichtenagentur Etha arbeitende Journalstin wurde in der Türkei wegen Terrorvorwürfen angeklagt. Vor einer Woche wurde die Aufhebung ihrer Ausreisesperre bekannt. Ihr dreijähriger Sohn hatte zeitweise bei ihr im Gefängnis gelebt.
Keine wirkliche Freude über die Ausreise
„Ich bin zwar zurück in Deutschland, aber hunderte Kolleginnen und Kollegen, Oppositionelle, Anwälte und Studenten sind immer noch nicht frei. Deswegen kann ich mich nicht wirklich über die Ausreise freuen. Ich weiß, dass sich in dem Land, in dem ich eingesperrt war, nichts verändert hat“, erklärte Tolu.
Die 1984 in Ulm geborene Tolu legte 2007 die türkische Staatsbürgerschaft ab und ist seitdem ausschließlich deutsche Staatsbürgerin. Im Jahr 2014 zog sie nach Istanbul, um für den Radiosender Özgür Radyo zu arbeiten. Der Sender wurde wie viele andere Medien auch nach dem Putschversuch von Juli 2016 per Dekret geschlossen. Danach arbeitete Tolu in der Auslandsredaktion der Agentur Etha.
- Mesale Tolu
- Ali Rıza Tolu freut sich über die Ankunft seiner Tochter Mesale
Nach Angaben ihrer Anwältin Kador Tonc wird Tolu vorgeworfen, sie habe Propaganda für eine terroristische Organisation verbreitet. Des Weiteren wird der Journalistin unterstellt, Mitglied in der verbotenen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei MLKP zu sein. 2015 hatte Tolu als Berichterstatterin über die Beerdigung zweier von Polizisten getöteten Mitglieder der MLKP berichtet. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von 15 Jahren. Als Journalistin und Übersetzerin für die regierungskritische linke Nachrichtenagentur „Etha“, ist Tolu eine von über 100 JournalistInnen, die neben Deniz Yücel seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 verhaftet wurden.
Misshandlungen und Erniedrigungen
Der Ehemann von Meşale Tolu, Suat Corlu, wurde bereits am 5. April 2017 in Untersuchungshaft genommen. Im Gefängnis Silivri, so berichtet der Solidaritätskreis, sei der Ehemann Tolus Misshandlungen und Erniedrigungen ausgesetzt gewesen, weil er und andere Gefangenen sich nicht in einer Reihe zum Appell aufgestellt hätten. Ihr dreijähriger Sohn Serkan war vermutlich der jüngste politische Gefangene des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Serkan trat jeden Morgen mit seiner Mutter und den 23 anderen Frauen, die sich eine Zelle teilten, an, um gezählt zu werden. Das Kind befand sich mit seiner Mutter im Gefängnis von Bakirköy, einem Stadtteil im Südwesten Istanbuls.
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