Von Alfred Denzinger – Heilbronn. Vor dem Amtsgericht Heilbronn wurde die Verhandlung gegen einen Atomkraftgegner am Montag, 10. September, fortgesetzt. Er war bereits am Gründonnerstag, 29. März, in dieser Sache vor dem Amtsgericht gestanden, nachdem er im vergangenen Jahr auf der Straße gegen die Castortransporte der EnBW auf dem Neckar protestiert hatte. Wegen eines Befangenheitsantrags gegen den Richter wurde die Verhandlung damals vertagt (wir berichteten). Jetzt wurde der Aktivist von Amtsrichter Jan Jäger zu einer Geldbuße von 100 Euro zuzüglich Gerichtskosten wegen Nichtbefolgen eines Platzverweises verurteilt.
Im vergangenen Jahr hatte der EnBW-Konzern zum ersten Mal in der an Skandalen reichen Geschichte der Atomindustrie fünf Castor-Transporte per Schiff auf einem Binnengewässer durchgeführt. Trotz der mit ihnen für Mensch und Umwelt verbundenen Gefahren wurden unter der Beteiligung starker Polizeikräfte 15 strahlende Castoren auf dem Neckar von Obrigheim nach Neckarwestheim transportiert. Gegen diese Transporte gab es immer wieder Protest (wir berichteten).
Rüge gegen den Richter
Das Ordnungsamt Heilbronn erließ gegen den Umweltaktivisten zunächst einen Bußgeldbescheid über 150 Euro wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Gegen diesen Bescheid legte er Einspruch ein. Zwei Tage vor dem ersten Verhandlungstag wurde der vom Angeklagten gewählte Rechtsbeistand Holger Isabelle Jänicke vom zuständigen Amtsrichter Jäger abgelehnt. Die Begründung: Es bestehe eine „nicht hinreichende Vertrauenswürdigkeit“.
Die vom Rechtsbeistand beantragte Akteneinsicht wurde ihm verwehrt. Auch eine weitere vom Angeklagten benannte Laienverteidigerin wurde vom Richter abgelehnt. Der Atomkraftgegner rügte sofort nach der Eröffnung der Fortsetzung der Verhandlung die Ablehnungen der Verteidiger.
Zeuge hat den Angeklagten bei der „Tat“ nicht gesehen
Als einziger Zeuge war ein 37-jähriger Polizeibeamter geladen. Er berichtete, er sei am besagten 28. Juni 2017 wegen des Castortransports auf dem Neckar im Einsatz gewesen. Er erhielt von einem Zugführer den Befehl, den jetzt Angeklagten festzunehmen, da dieser einen Platzverweis nicht befolgt habe. Da seien zwar mehrere Leute gestanden, aber er habe nur den jetzt Angeklagten festnehmen sollen.
Es habe keine Ausschreitungen gegeben, es sei ein friedlicher Protest gewesen. Laut Bußgeldbescheid wurde dem Angeklagten vorgeworfen, er habe sich um 13.20 Uhr auf der Otto-Konz-Brücke befunden. Der Polizeibeamte der Bereitschaftspolizei Bruchsal sagte aus, er habe den Angeklagten nicht auf der Brücke gesehen.
Es geht nicht um Mord, deshalb Beweisantrag abgelehnt
Da der Zeuge nicht zur Aufklärung des eigentlichen Vorwurfs beitragen konnte, stellte der Angeklagte den Beweisantrag, den namentlich bekannten Polizeibeamten als Zeugen zu hören, der die Anzeige veranlasste. Richter Jäger lehnte diesen Beweisantrag mit der Begründung ab, ihm reiche der schriftliche Bericht des Beamten aus. Der betriebene Aufwand sei nicht angemessen. Schließlich handele es sich ja nicht um einen Mordfall, „dann hätte ich den Zeugen gehört“.
Der Angeklagte gab eine Erklärung ab (siehe unten). Er beantragte zunächst die Einstellung des Verfahrens, dann Freispruch. Richter Jäger lobte das politische Engagement des AKW-Gegners und verurteilte ihn zu einem Bußgeld von 100 Euro zuzüglich Kosten.
Erklärung des Angeklagten vor Gericht
Wer die Erde nicht respektiert, zerstört sie, wer nicht alles Leben so wie das eigene respektiert, wird zum Mörder. Der Mensch glaubt manchmal, er sei zum Besitzer, zum Herrscher erhoben worden. Das ist ein Irrtum. Er ist nur ein Teil des Ganzen. Seine Aufgabe ist die eines Hüters, eines Verwalters, nicht die eines Ausbeuters. Der Mensch hat Verantwortung, nicht Macht. Wir denken bei jeder Entscheidung an die siebte der kommenden Generationen. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen nach uns, die noch ungeborenen Generationen, eine Welt vorfinden, die nicht schlechter ist als die unsere – und hoffentlich besser.
(Oren Lyons, Häuptling der Onondaga-Nation)
Lieber Herr Jäger,
ich stehe hier ihnen gegenüber, aufgrund eines Weges , indem mehrere Menschen die Ihre Arbeit tun, sprich, Entscheidungen treffen, indem sie mit dieser Arbeit ihre Existenzen sichern.
Sie bekommen Geld dafür, dass sie dies tun. Und in dem Moment, der Abhängigkeiten agieren wir nicht mehr frei.
Es war ein wenig mühsam, den Hergang mir zu vergegenwärtigen, wie die Wege sind.
Erstmal habe ich ein Schreiben des Ordnungsamtes bekommen, der Bußgeldbescheid, indem der Name Herr R***** (von der Redaktion geändert) geschrieben steht, oben auf dem Briefkopf. Und maschinell hat Herr R***** unterschrieben.
Die Staatsanwaltschaft hat hier auch mitzureden, hier ist die Staatsanwältin Frau O******* (von der Redaktion geändert) benannt, sie hat sogar persönlich unterschieben.
Herrn R***** kenne ich nicht , ich konnte mit ihm nicht reden, bevor er mir dieses Schreiben geschickt hat. Ich möchte mit diesen Tatsachen verdeutlichen, wie ohne Auseinandersetzungen und menschlichen Austausches hier verfahren wird. Am Ende stehe ich hier als Mensch und so will ich mit ihnen hier im Saal des Amtsgerichtes bezogen sein.
Die Bezogenheit zur Natur, bei der wir ein Teil dessen sind, haben wir verloren. Wir spielen uns als Herrscher auf, Herrscher der Technik , der Natur, über andere Menschen.
Lieben wir noch? Was ist Liebe?
Liebe ist im ursprünglichen Sinn die Mutterliebe, sie dient der Entwicklung eines jeden Menschen, wenn eine Mutter oder Vater liebt, dann lieben sie alle Kinder, sie sind Eltern aller Kinder, und übernehmen Verantwortung und die Fürsorge.
Sie sehen ihre Kinder nicht als ihr Besitz an.
Ich liebe die Menschen und diese Schöpfung, ich übernehme freiwillig die Verantwortung, und ich tue es mit ganzer Liebe und Freude. Ich übernehme dafür ganz bewusst alle Konsequenzen.
Als ich im Jahr 2017 von den Castortransporten auf dem Neckar erfuhr, war mir klar, wie gefährlich das für uns Menschen und der Natur ist.
Der Transport von Atommüll ist eine lebensgefährliche Sache. Darauf möchte ich hier technisch nicht weiter eingehen.
Um diesen Müll zu produzieren, stehen Atomkraftwerke in aller Welt, die unser aller Leben gefährden . Die so herrlich in meinen Augen ist. Die Natur schenkt uns Leben und wir zerstören sie jeden Tag aufs neue.
Um die Atomkraftwerke ist eine signifikante Zahl von Kinder die an Leukämie gestorben sind und sterben werden. Wenn sie geheilt werden können , leiden sie auf dem Wege der Heilung. Wir nehmen das hin. Nicht alle Menschen. Doch diese Politik.
Dieser ganze Herrschaftsapparat der einfach funktioniert. Nach Ordnungen, Regeln. Doch wem oder was dienen diese Ordnungen und Regeln? Meine, und die Erfahrungen die viele Menschen machen, ist, das dieser Apparat, und ich betone Apparat, das ist ein Ding ohne Seele und ohne Mitgefühl, einfach agiert, ohne Liebe.
Es herrscht und führt ihre Arbeit aus.
Ich stehe hier und stehe für das Leben, da heißt für die Kinder , Mütter, Väter die eine Welt des Friedens, der Verantwortung und der Liebe zu allen Dingen sehen, und danach handeln.
Ich spreche zu Ihnen als Mensch mit all meinen Sorgen und Hoffnungen für unsere und nachfolgende Generationen.
Fukushima, Tschernobyl, Nagasaki, Hiroshima und alle Menschen die bei den Atombombentest heute noch leid erfahren.
Diese Technologie bringt nur Leid. Sie zerstört unsere Lebensgrundlagen.
Ich stehe hier mit meinem ganzen Mitgefühl allen Menschen auf dieser Welt, und so fühle ich das, ich will und tue das was mein Herz mir sagt.
Ich werde mich immer dieser todbringende Technologie entgegenstellen, bis das letzte Atomkraftwerk still steht und wir, soweit uns das noch möglich ist, die Uranlager sichern, was eigentlich ganz unmöglich ist.
Mir ist auch bewusst, das ohne Atomkraftwerke, es keine radioaktiven Waffen geben würde.
Mir ist bewusst, das ohne Atomkraftwerke das Wasser um die Atomkraftwerde herum lebendig wäre.
Mir ist bewusst, das diese Technologie nur Leid und Tränen bringt.
Deswegen stehe ich hier und nehme alle Konsequenzen auf mich. Ich übernehme Verantwortung für die Entwicklung der Liebe, des Lebens und der Bewahrung unserer Schöpfung.
„Wir haben die Welt nicht geerbt, sondern von unseren Kindern ausgeliehen.“
Fällen sie ihr Urteil, ich nehme es an.
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