Backnang. „An mehreren Stellen auf dem Schulgelände in Heininger Weg haben Unbekannte in der Zeit zwischen Mittwoch, 21 Uhr und Donnerstag, 6 Uhr Farbschmierereien in schwarzer und roter Farbe angebracht. Wie hoch der entstandene Sachschaden ist, ist derzeit nicht klar. Die Ermittlungen dauern an.“ Das war die Pressemitteilung der Polizei zum Vorfall vom 19. auf den 20. September am Berufsschulzentrum Backnang. Kurz, knapp und ohne jeglichen Hinweis auf einen neonazistischen Hintergrund. Hört sich schön harmlos an, ist es aber nicht. Das meint zumindest die Antifaschistische Linke [Antiautoritäre] Rems-Murr (ALARM).
Die Antifa-Gruppe ALARM verschickte am 27. September einen „Offenen Brief“ an die Schulleitung, an die Stadtverwaltung und an Oberbürgermeister Frank Nopper. Betreff: „Nazis drohen und jeder nimmt’s hin?“. Entsprechende Kopien gingen an die regionale Presse.
Schulleitung zum Dialog bereit
Schulleiterin Dr. Isolde Fleuchaus reagierte umgehend: „Gerne trete ich mit Ihnen in einen engagierten und bekennenden, aber nicht anonymen Dialog, in dem Möglichkeiten erörtert werden können, wie wir mit diesem Thema noch aktiver in der Schulgemeinschaft umgehen und uns auch stärker vor derartigen Angriffen schützen können.“
Wir dokumentieren nachstehend den offenen Brief von ALARM … :
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Dr. Fleuchaus,
sehr geehrter Herr Nopper,
in der Nacht vom 19. auf den 20. September wurde das Berufsschulzentrum Backnang massiv mit rechten und menschenverachtenden Parolen besprüht. Zudem wurden (illegale) Runen und Symbole angebracht. Passiert ist daraufhin – nichts.
Weder stand es in einer polizeilichen Meldung, noch konnte man hiervon etwas in der Zeitung lesen. Noch, und das scheint wohl das Traurigste, wurden die menschenverachtenden Schmierereien zeitnah entfernt.
Dies obwohl offen Bezug zum Nationalsozialismus hergestellt „(HKNKRZ“), zu Gewalt gegen farbige Menschen aufgerufen („Nigger jagen“) und mit verbotener Symbolik (Wolfsangel, Keltenkreuz) gearbeitet wurde.
Man kann sich nur vorstellen, welche Wirkung solches Aussehen einer Schule auf migrantische Schüler*innen, örtliche Geflüchtete oder auch Anwohner*innen hat. Rassismus und Faschismus kann und darf in einer aufgeklärten Gesellschaft keinen Platz finden. Gerade nach und wegen der faschistischen Hetzjagden in Chemnitz sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass man Nazis keinen Raum lässt.
Doch in diesem Punkt hat die städtische Politik wohl versagt.
Wir fühlen uns an die Beschmierung des Backnanger Bahnhofs erinnert, wo es auch zu keinerlei Statement kam. Erst als ein investigativer Journalist berichtete, wurden die Parolen entfernt. Nun hat die selbe rechte Gruppierung ein weiteres Mal großflächig im öffentlichen Raum gehetzt und wir erleben die gleiche Ruhe, aus den städtischen Ecken.
Wir fragen uns: Warum wurde nirgends berichtet? Weshalb wurde die rassistische Hetze nicht umgehend entfernt und wie gedenkt die Stadtverwaltung mit so etwas umzugehen? Wurde davon überhaupt Kenntnis genommen und will sich die Stadt gegen die rassistischen Tendenzen ihrer Umgebung wehren oder sollen diese einfach totgeschwiegen werden?
Als antifaschistische Linke kennen wir den Rems-Murr-Kreis und seine unrühmliche rechte Tradition. Den Mordversuch von Winterbach, den Brand der Geflüchtetenunterkunft in Weissach und ultrarechte Gruppen.
Gestoppt und eingedämmt konnte dieses braune Treiben, immer und immer wieder nur durch eine lebendige und aktive Zivilgesellschaft, sowie aktive Antifaschist*innen. Nun scheinen wieder einige Nazis an die Türen von Backnang zu klopfen. Ein Moment in dem sich die Stadt die Frage stellen sollte, ob sie dagegen aktiv wird. Oder sich einmal mehr bewahrheitet, dass der Kampf gegen Nazis nur auf selbstständiger und selbstorganisierter Basis erfolgen kann. Wir für unseren Teil, wehren uns auf jeden Fall.
Wir freuen uns über Rückmeldung und die Beantwortung unserer Fragen.
Für Rückfragen stehen wir selbstverständlich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Antifaschistische Linke [Antiautoritäre] Rems-Murr alarm.blogsport.eu
Anhang: zugehöriges Bildmaterial
Anmerkung der BN-Redaktion:
Alle Fotos in diesem Beitrag: ALARM – Antifaschistische Linke [Antiautoritäre] Rems-Murr
… und die Antwort der Schulleiterin
Sehr geehrte anonyme Schreiberinnen und Schreiber der Antifaschistischen Linken im Rems Murr Kreis,
in der Tat ist am 19. und 20. September unsere Fassade teilweise mit den von Ihnen geschilderten Schmierereien belastet worden. Wir erleben immer wieder diese Angriffe, wenn auch nicht in diesem Ausmaß.
Es ist allerdings nicht richtig, dass wir dies totgeschwiegen hätten!!!
Die Kolleginnen und Kollegen waren alle sehr betroffen und haben das in vielen Klassen thematisiert. Die Schulleitung und der Technische Dienst haben umgehend morgens die Polizei alarmiert und Anzeige erstattet. Diese war auch unverzüglich vor Ort und ebenfalls betroffen und hat entsprechende Maßnahmen im vorgegebenen Rahmen eingeleitet.
Der Technische Dienst des Hauses hat umgehend versucht die Schmierereien zu beseitigen. Dies war auf der neuen energetisch sanierten Fassade jedoch nicht einfach. Hierzu braucht es Fachfirmen. Diese ist nun auch so zeitnah wie möglich an die Beseitigung der Schmierereien gegangen. Allerdings mussten erst einige Farbversuche durchgeführt werden, um nicht noch einen größeren Schaden zu verursachen. Seit Mittwoch dieser Woche sind nun alle Zeichen zumindest nicht mehr erkennbar und mit Farbe überpinselt.
Die Kolleginnen und Kollegen haben zudem den Antrag der Schulleitung mit großer Unterstützung wahrgenommen und in allen Klassenzimmern den sich im Anhang befindenden Aushang aufgehängt und das Thema in den Klassengemeinschaften diskutiert. Gleichzeitig arbeiten die Kollegen in den Werkstätten an einigen großen Schildern/Aufstellern, die vor den Fassaden mit diesem Text im Anhang in den nächsten Tagen aufgestellt werden sollen. Diese werden nach Möglichkeit mit einer Farbe/Flüssigkeit überpinselt, die ermöglicht weitere Schmierereien wieder abwaschen zu können.
Ich hoffe, dass ich damit Ihre Fragen beantwortet habe. Gerne trete ich mit Ihnen in einen engagierten und bekennenden, aber nicht anonymen Dialog, in dem Möglichkeiten erörtert werden können, wie wir mit diesem Thema noch aktiver in der Schulgemeinschaft umgehen und uns auch stärker vor derartigen Angriffen schützen können.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Isolde Fleuchaus
Schulleiterin
Warum berichteten die Beobachter News bisher nicht?
Das ist sehr einfach zu beantworten: Wir hatten bisher keine Kenntnis von diesem Vorfall am Berufsschulzentrum Backnang.
Hier ein kleiner Auszug zu unserer Berichterstattung zum Thema Nazischmierereien im Rems-Murr-Kreis:
Erneut Farbanschlag auf BN-Herausgeber
Wenn die Kunst zum Ziel des Hasses wird
Hakenkreuze an der Aussichtsplattform
Angebliche „Autonome Nationalisten“ trauen sich offenbar nur nachts auf die Straße
Unerträgliche Zustände: Nazisymbole und NS-Schriftzüge an öffentlichen Stellen
Wieder Hakenkreuze im Welzheimer Wald
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