Von Andreas Scheffel – Geislingen/Bad Überkingen. Nach einem Brandanschlag auf eine Gemeinschaftsunterkunft in Bad Überkingen am 18. September steht eine 32-Jährige im Verdacht, für weitere fremdenfeindliche Anschläge in Geislingen/Steige verantwortlich zu sein. In einer Vernehmung gestand die Festgenommene nach Angaben der Strafverfolgungsbehörden, einen weiteren Brandanschlag auf ein türkisches Lebensmittelgeschäft vor geraumer Zeit in Geislingen verübt zu haben. Sie soll Gelbe Säcke vor dem Supermarkt in der Stuttgarter Straße angezündet haben.
Ob die Verdächtige auch mit dem Brand eines ebenfalls unter anderem von Geflüchteten bewohnten Hauses in der Uhlandstraße in Geislingen zu tun hat, ist noch Gegenstand der Ermittlungen, so die Staatsanwältin Claudia Krauth. Die Ermittlungsbehörden gehen von einer rassistisch motivierten Tat aus. Die Verdächtige wurde einem Haftrichter vorgeführt und befindet sich in Untersuchungshaft.
Der Landkreis Göppingen kommt nicht zur Ruhe. In den vergangenen Wochen gab es in Geislingen eine Anschlagserie auf mehrere Gebäude, in denen unter anderem Asylsuchende und Flüchtlinge wohnen. Die Ermittlungsbehörden gehen von fremdenfeindlichen Taten aus. Anfang September mussten vier Menschen nach einem Brand in der Uhlandstraße mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung in ein Krankenhaus gebracht werden. Das Einsturz gefährdete Gebäude ist zum Teil nicht bewohnbar. In der darauffolgenden Woche gab es einen weiteren Brandanschlag auf ein türkisches Lebensmittelgeschäft. Dort entstand ein Schaden von circa 70 000 Euro.
Flüchtling stellt Täterin
Die Verhaftete soll am 18. September gegen 21.30 Uhr die Tür des Technikraums der Holzbau-Gemeinschaftsunterkunft in Bad Überkingen angezündet haben. Das beobachtete offenbar jemand vom zweiten Stock der Unterkunft heraus. Nachdem die Bewohnerin einen Mitbewohner informiert hatte, soll ein Mann nach draußen gestürmt sein, um die Täterin festzuhalten. Anschließend wurde die Frau der Polizei übergeben.
Die Flammen waren laut Polizei selbst erloschen. Zur Sicherheit wurde die Tür des Technikraums von der Feuerwehr geöffnet. Dort befinden sich Heizungen und der Gasanschluss der Unterkunft. Kurz darauf gab die Feuerwehr Entwarnung, da keine weitere Gefahr drohe.
Hakenkreuzfahne in der Wohnung
Die Tatverdächtige räumte später bei ihrer Vernehmung ein, den Brandanschlag auf das türkische Lebensmittelgeschäft verübt zu haben. Unklar bleibt, ob sie auch für einen Brand des Wohnhauses in der Uhlandstraße in Geislingen verantwortlich ist.
Die Polizei hält die 32-Jährige nach ihrem bisherigen Erkenntnisstand für eine Einzeltäterin. Bei einer Wohnungsdurchsuchung der Verdächtigen fanden die Ermittler eine Hakenkreuzfahne, dazu mehrere mit Hakenkreuzen und SS-Runen bemalte Blätter. Die Ermittlungen gegen die 32-Jährige werden weitergeführt, teilte uns Staatsanwältin Claudia Krauth in Stuttgart auf Nachfrage mit.
Widerstand gegen den Rechtsruck
In Geislingen ist man über die Anschläge zutiefst beunruhigt. Es formiert sich kreisweiter Widerstand gegen Fremdenfeindlichkeit und den gesellschaftlichen Rechtsruck. Parteien, Organisationen, Vereine und Einzelpersonen rufen zu einer Kundgebung in der Geislinger Fußgängerzone am Samstag, 6. Oktober, ab 11 Uhr auf. Sie möchten Vielfalt sichtbar machen und gemeinsam ein Zeichen für Zusammenhalt und Solidarität setzen.
Auszüge aus dem Aufruf im Wortlaut:
„In einer Zeit, in der der Rechtsruck in Deutschland und Europa immer stärker wird, in der in Städten RassistInnen auf Hetzjagden gegen vermeintlich ‚anders aussehende‘ Menschen gehen, werden sich solche Verbrechen wiederholen, wenn wir nicht dagegen einstehen! Positionen von AfD, Pegida & Co. finden sich inzwischen in der Mitte der Gesellschaft wieder. Wir beobachten das mit Angst und Sorge … Unsere Sorgen dürfen uns aber nicht lähmen, denn Geislingen ist und bleibt eine vielfältige und bunte Stadt, in der Respekt und gegenseitige Toleranz gelebt wird. Das lassen wir uns nicht wegnehmen. Lasst uns gemeinsam und entschlossen für eine Stadt einstehen, in der Rassismus und Hass keinen Platz haben. Lasst uns unsere Solidarität mit den Betroffenen dieser Verbrechen, aber auch mit jenen, die ebenfalls unter rechter Gewalt gelitten haben, ausdrücken. Am Samstag, den 6. Oktober, möchten wir diese Vielfalt sichtbar machen und gemeinsam mit euch ein Zeichen für Zusammenhalt und Solidarität setzen.“
Die OrganisatorInnen und Unterstützerinnen der Kundgebung:
Arbeitskreis Asyl Geislingen, Kreis Göppingen Nazifrei, Genclik Geislingen, VVN BdA BW, Naturfreunde Geislingen, RÄTSCHE, VHS Geislingen, Croatia 2012 Geislingen, Migrantinnenverein Göppingen / Geislingen, IG Metall Geislingen/Göppingen, Die Grünen Ortsverein Helfensteiner Land, SPD Ortsverein Geislingen, DGB Göppingen/Geislingen, Evangelisches Dekanatamt Geislingen, DITIB – Türkisch Islamische Gemeinde Geislingen, Sippschaft Geislingen Missglückte Welt, DIDF Jugend Geislingen.
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