Von Tape Lago – Frankfurt. In der Mainmetropole demonstrierten am Samstag, 13. Oktober, tausende Menschen gegen Rassismus und den Rechtsruck in Deutschland und Europa. Zu der Demonstration, die bei der Bevölkerung in der Stadt gut ankam, hatte das Bündnis „#wirsindmehr Frankfurt“ aufgerufen. Dem Veranstalter zufolge beteiligten sich 8000 Menschen an der musikalischen Großdemonstration. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort und sprach von 3000 TeilnehmerInnen.
Am früheren Nachmittag füllte sich der Baseler Platz. Tausende warteten bereits auf den Start der Auftaktkundgebung, die um 14 Uhr geplant war. „Wir werden der extrem rechten AfD heute zeigen, dass wir mehr sind“, sagte eine Teilnehmerin und freute sich, dass so viele Menschen ein Zeichen gegen Rechts setzen wollten. Die SprecherInnen von Lautstark gegen Rechts Rhein-Main und The Second Planet wirkten gestresst, aber zuversichtlich, dass tausende Menschen erscheinen werden.
Es gibt kein Flüchtlingsproblem, sondern ein Rassismus-Problem
Bei der Auftaktkundgebung kritisierte der Arzt Michael Wilk die rassistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete und MigrantInnen in Deutschland und Europa. „Es gibt kein Flüchtlingsproblem, sondern vielmehr ein Rassismus-Problem“, erklärte er. Es werde getrommelt und zum Kampf aufgerufen – angeblich für Heimat, Nation, die „Wertegemeinschaft des christlichen Abendlandes“, die bedroht seien.
Die Mischung derer, die kämpferisch unter völkisch-nationaler Flagge unterwegs sind, beschränke sich dabei nicht nur auf AfD, die Identitäre Bewegung, oder „plump faschistische Hitler Fans“, sondern reiche längst bis in die Regierung und die Parteien, betonte Wilk. Der Giftschrank vormals tabuisierter Begriffe aus dem Fundus national-sozialistischer Propaganda stehe inzwischen weit offen, so der Allgemein- und Notfallmediziner, der mehrmals in Rojava/Nordsyrien im Einsatz war.
Deutsche- und europäische Flüchtlingspolitik angeprangert
Wilk prangerte die Flüchtlingspolitik Deutschland und Europas an: „Was wir erleben, ist eine barbarische Verrohung, ein skrupelloses Über-Bord-werfen jeder humanitärer Ansprüche. Was sich im Mittelmeer und an den Außengrenzen Europas offenbart, ist politisches Kalkül das über Leichen geht“.
In einzigartigen Hetzkampagnen, bezogen auf die Nachkriegsgeschichte Deutschland, würden Menschen – meist mit wenig auf dem Leib aus den Kampfzonen Syriens oder auch den Hungerregionen Afrikas und unter Einsatz ihres Lebens über das Mittelmeer kommend – zu einer Bedrohung des Abendlandes und zu potenziellen Vergewaltigern deutscher Frauen aufgebaut, fügte der Wiesbadener Arzt hinzu.
Brutaler Umgang mit Opfern globaler Armut
Der brutale und zynische Umgang europäischer Staaten mit den Opfern globaler Armut werde uns täglich vor Augen geführt. Selbst für Menschen, die wegen sogenannter anerkannter Fluchtursachen ihr Land verlassen, bestehe keinerlei legale Möglichkeit, Europa zu erreichen. Die Grenzen der Festung würden mit Flugzeugen und Drohnen überwacht, seien mit Mauern und Stacheldrahtzäunen befestigt.
Abschottung, Vertreibung und Abschiebung würden forciert. Mit nationalistischer und rassistischer Propaganda werde gegen Schutzsuchende, Geflüchtete und illegalisierte Menschen auch innerhalb der Staatsgrenzen Stimmung gemacht, und sie würden der Verfolgung durch Staatsorgane ausgeliefert. Rassismus sei nur zu bekämpfen indem er als solcher benannt und in seinen Erscheinungsformen angegriffen wird.
Keine AfD in den Hessischen Landtag
Ulrike Eifler, Sprecherin des Bündnisses „Keine AfD in den Landtag“, kritisierte die extrem rechte Partei von Alexander Gauland aufs Schärfste und begrüßte die Proteste gegen sie. Die AfD sei eine rassistische und völkisch-nationalistische Partei. Sie stehe für Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und andere Formen der Diskriminierung. Die AfD spreche Muslimen das Recht auf freie Religionsausübung ab. Außerdem vertrete sie ein reaktionäres Familienbild und wolle Frauenrechte einschränken.
Die AfD schüre Hass und Angst gegen Minderheiten, Geflüchtete und Migrantinnen. Das sei nicht hinnehmbar. Deshalb rief Eifler zum Kampf gegen sie auf. Die AfD gehöre gestoppt, betonte sie. Sie kritisierte die Äußerungen von AfD-Funktionären wie Alexander Gauland und Björn Höcke.
„Wir brauchen eine breite Bewegung, die gegen die faschistische Gefahr kämpft, ebenso wie eine breite Bewegung die für soziale Gerechtigkeit, sozialen ökologischen Umbau und Weltfrieden kämpft“, sagte sie weiter: „Machen wir den Wahlkampf in Hessen zur Auseinandersetzung.“ Auch ein Sprecher der Piratenpartei kritisierte die rassistische Politik der AfD
Bunte und lautstarke Demonstration in der Innenstadt
Anschließend setze sich der bunte und lautstarke Demonstrationszug mit tausenden TeilnehmerInnen und LKWs, die als Bühnen für DJs und KünstlerInnen galten, Richtung Innenstadt in Bewegung. Bei der Zwischenkundgebung auf dem Platz der Einheit prangerte Matthias Maier, Sprecher von „Seebrücke Frankfurt“, die Flüchtlingspolitik der EU an und kritisierte die Kriminalisierung der Seenotrettung. Er forderte die Stadt Frankfurt auf, sich zur sicheren Hafenstadt zu erklären.
Es müsse für alle Menschen einen sicheren Weg nach Europa geben, wenn sie in ihrer Heimat von Unterdrückung, Gewalt und Hunger bedroht sind. Maier kritisierte auch die „Frankfurter Neue Presse“ wegen eines Artikels, der im Vorfeld der Demonstration TeilnehmerInnen als „Linksradikale, die das System in Fragen stellen“ bezeichnet haben soll.
Polizei beobachtet antifaschistische MusikerInnen
Ein Polizeifahrzeug, das zwischen den DemonstrantInnen mitfuhr, sorgte für Empörung. Die darin sitzenden Polizisten sollen Mitglieder einer antifaschistischen Punkband beobachtet haben. Sie wurden von den OrganisatorInnen aufgefordert, ihre Beobachtung zu unterlassen und die Zwischenkundgebung zu verlassen. Daraufhin zog der Demonstrationszug zum Willy-Brandt-Platz, wo eine weitere Zwischenkundgebung abgehalten wurde. Weitere RednerInnen warnten vor dem Einzug der AfD in den Hessischen Landtag.
Kein Platz für Diskriminierung und Rassismus in Frankfurt
Danach zog der Zug zum Roßmarkt, wo die Abschlusskundgebung am Abend geplant war. Dort feuerte zunächst die Musikband Schmutzki aus Stuttgart mit kritischen Punk, Pop- und Rockmusik das Publikum an und brachte die ZuschauerInnen zum Jubeln, Springen und Tanzen. Sylvia Weber, Frankfurter Integrations- und Bildungsdezernentin (SPD), bedankte sich bei den OrganisatorInnen des Bündnisses „#wirsindmehr“. In Frankfurt sei Platz für Vieles, für unterschiedlichen Lebensentwürfe, Nationalitäten, und Kulturen.
Aber es sei Kein Platz für rechte Gruppen, Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus, erklärte die Bildungsdezernentin unter Beifall. „Wir sind mehr und wir wollen in unserer Stadt keine rechte Hetzer, keine Schläger und keine Nazis“, betonte Weber. „Wir wollen, dass unsere Stadt genauso tolerant, weltoffen und friedlich bleibt wie sie heute ist“, fügte sie hinzu. Aus Sicht der SPD Politikerin war die Großdemonstration gegen Rassismus ein Riesenerfolg. Diese Ansicht teilten Lautstark gegen Rechts Rhein-Main und The Second Planet, Veranstalter der musikalischen Großdemonstration gegen Rassismus.
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