Von Tape Lago – Landau. In der südpfälzischen Universitätsstadt Landau demonstrierten am Samstag, 27. Oktober, 400 Menschen für die Seenotrettung und gegen das Sterben von Geflüchteten und MigrantInnen im Mittelmeer. Zur Demonstration hatten das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz und „Seebrücke Landau/SÜW“ aufgerufen. Getragen und unterstützt wurde die Veranstaltung unter dem Motto „Seebrücke – Schafft sichere Häfen, stoppt das Sterben!“ von Kandel gegen Rechts (KgR), OAT (Offenes Antifaschistisches Treffen) Landau, DGB Region Vorder- und Südpfalz und zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Parteien. Bei der Abschlusskundgebung auf dem Stiftplatz wurden die Werte Europas in einer emotionalen Trauerzeremonie aus Protest symbolisch zu Grabe getragen.
Bis Ende August sind laut Internationaler Organisation für Migration (IOM) in diesem Jahr 1549 Menschen im zentralen Mittelmeer ertrunken. Dennoch werden fast alle Schiffe und das Flugzeug der zivilen Seenotrettung in europäischen Häfen festgesetzt. Damit nehme Europa bewusst den Tod vieler weiterer Menschen im Mittelmeer in Kauf. Dagegen wollten die Seebrücke-AktivistInnen, AntifaschistInnen, FlüchtlingshelferInnen und AntirassistInnen mit einer lautstarken Demonstration ein starkes Zeichen setzen.
„Werte Europas nicht über Bord werfen“
Höhepunkt der Veranstaltung war der Erfahrungsbericht eines Seenotretters bei der Abschlusskundgebung. Jo Lichti unterstützt die Seebrücke-Bewegung und war mit der Hilfsorganisation Sea-Eye im Einsatz auf dem Mittelmeer. Dort habe er Menschen gerettet und sterben gesehen.
Deshalb forderte der engagierte Seenotretter die deutschen und europäischen Regierenden auf, die Werte Europas nicht über Bord zu werfen. Sonst könne Europa „kaputt gehen“. Er rief dazu auf, alles daran zu setzen, die auf dem Mittelmeer in Seenot Geratenen zu retten, damit das Sterben im Mittelmeer aufhört.
Eine Schande für Europa
Bei der Auftaktkundgebung um 12 Uhr verlas Tanja Sattler, Sprecherin des Bündnisses Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz (AgR Südpfalz) und Versammlungsleiterin der Seebrückendemo, die Auflagen. Sie richtete ein Grußwort der Rettungsorganisation Mission Lifeline an die hunderte Demonstrierenden auf dem Bahnhofsvorplatz.
Armin Schowalter, Geschäftsführer der SPD-Stadtratsfraktion, kritisierte die Zustände auf dem Mittelmeer. Das Sterben von Geflüchteten und MigrantInnen und die Kriminalisieren der Seenotrettung seien ein Unrecht und eine Schande für Europa und die deutsche Politik, so Schowalter. „Lasst uns Mensch sein, lasst uns ein Zeichen setzen“, rief der SPD-Politiker den Demonstrierenden vor Beginn des geplanten Protestmarsches zu.
Lautstarker Demonstrationszug in der Innenstadt
Orange war die dominierte Farbe auf dem Bahnhofsvorplatz. Viele DemonstrantInnen trugen die Farbe der Seenotrettung und Rettungswesten, die vom DRK-Wasserwacht SÜW zur Verfügung gestellt wurden. Der Demonstrationszug hatte den Charakter eines Trauermarsches. Neben Transparenten und Plakaten war auch ein Sarg mit einer Europaflagge auszumachen. Damit wollten die OrganisatorInnen auf die menschenfeindlichen Zustände auf dem Mittelmeer und die Kriminalisierung der Seenotrettung aufmerksam machen.
„Im Mittelmeer und an den europäischen Außengrenzen werden die Werte Europas zu Grabe getragen“, sagte eine Studentin, die sich für Geflüchte und die zivile Seenotrettung auf dem Mittelmeer engagiert. Mit Sprechchören wie „Kein Mensch ist illegal, Bleiberecht überall“, „Say it loud, say it clear, Refugees are welcome here“, „Hoch die Internationale Solidarität“ und „No borders, no nation, stop deportation“ zog der Protestzug vom Hauptbahnhof über die Ostbahnstraße durch die Innenstadt.
Sterben auf dem Mittelmeer beenden
Auf dem Martha-Saalfeld-Platz fand eine Zwischenkundgebung statt. Dort zeigte sich Claudia Sieling (SPD-Ortsverein Landau) von der laustarken Seebrückendemo beeindruckt. Sie schilderte die Not der Geflüchteten und MigrantInnen, die keine andere Wahl hätten, als über das Mittelmeer zu fliehen. Sie kritisierte die Kriminalisierung der SeenotretterInnen und forderte ein Ende des Sterbens auf dem Mittelmeer und vor den Küsten Europas.
„Wir setzen heute in Landau ein kraftvolles Zeichen für ein soziales Europa der Menschlichkeit und internationalen Solidarität“, betonte Sieling. Rosa Stecher von der Hochschulgruppe „Festival contre le racisme Landau“ las den Text „Die drei Soldaten und die Reichen“ von Bertolt Brecht vor. Abschließend plädierte sie für eine solidarische Gesellschaft und mehr Solidarität mit Geflüchteten und MigrantInnen.
Symbolische Trauerzeremonie auf dem Stiftplatz
Mit einem Sarg – Symbol einer menschenfeindlichen und rassistischen europäischen und deutschen Asylpolitik – an der Spitze setze sich der Demonstrationszug Richtung Stiftplatz in Bewegung. Dort wurden der „EU-Sarg“ vor der Bühne abgestellt und Blumen für die „Beerdigung der Werte Europas“ verteilt. Danach hielt Künstlerin Kaja Lori eine symbolische Trauerrede und spielte eine Trauerzeremonie vor. Demnach legten die TeilnehmerInnen in einem emotionalen Moment Blumen auf dem Sarg nieder.
Tanja Sattler: „Europa trägt seine Werte zu Grabe“
„Wir tragen unsere Werte zu Grabe. Europa trägt seine Werte zu Grabe“, erklärte Tanja Sattler, Sprecherin von Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz und Seebrücke-Aktivistin. „Menschen suchen aus Verzweiflung und Angst, Schutz vor Krieg und Elend in Europa. Doch sie sterben auf dem Weg zu uns im Mittelmeer.“
Aufgrund der europäischen Abschottungspolitik seien bereits im Jahr 2018 weit über 1600 Menschen im Mittelmeer ertrunken und hätten ihr Leben verloren, so Sattler. „Da können wir nicht mehr zugucken“, sagte sie weiter und forderte ein sofortiges Ende des Sterbens im Mittelmeer. Denn jedes Menschenleben sei gleich viel wert.
„In Libyen herrscht Folter“
- Magdalena Schwarzmüller
- Nico De Zorzi
Magdalena Schwarzmüller vom Café Asyl erzählte die Geschichte einer Flüchtlingsfamilie, die heute in Landau lebe und auch im Mittelmeer hätte ertrinken können. Die Flüchtlingshelferin verglich die Situation der Geflüchteten und MigrantInnen in Libyen mit der Hölle. Dort würden die Schutzsuchenden gefoltert. „Rettet die Menschen im Mittelmeer, stoppt das Sterben im Mittelmeer“, forderte Schwarzmüller.
Nico De Zorzi von Kandel gegen Rechts und der Partei Die Partei kritisierte die Kriminalisierung der SeenotretterInnen und Alexander Gauland, AfD-Bundessprecher, der stets mehr Härte gegenüber Geflüchteten fordert. Im Mittelmeer stürben Mütter, Väter, Brüder, Schwestern, Töchter, Söhne und Freunde. Menschen mit einer Zukunft, mit Träumen, Hoffnung und Wünschen. Menschen die keinem etwas nehmen wollten, sondern einfach nur ohne Angst leben möchten. „Lasst uns aber nicht weiterzusehen“, forderte De Zorzi. Er rief die Demonstrierenden dazu auf, weiterhin Zeichen für Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe zu setzen.
Solidarität mit Geflüchteten und SeenotretterInnen
Eine Sprecherin des OAT Landau prangerte den Rechtsruck in Deutschland und in anderen Ländern Europas an. Sie kritisierte die extrem rechte AfD für ihre offen rassistische Politik. Die Antifaschistin griff auch die Unionsparteien CDU und CSU an, die ebenfalls dafür sorgten, dass die Gesellschaft immer weiter nach rechts rückt. Sie rief abschließend zu mehr Solidarität mit Geflüchteten, SeenotretterInnen und gegen die Festung Europa unter Beifall auf. Weitere RednerInnen sprachen im Sinne ihrer VorrednerInnen. Alle forderten die Bundesregierung und Europa auf, das Sterben im Mittelmeer zu stoppen und sichere Häfen und Fluchtwege zu schaffen.
Mit kritischen und emotionalen Liedern sorgten die Künstlerinnen Eva Croissant, Sorelle, Mai und die Band „Schnauze Lübke für die Musik und gute Stimmung. Insgesamt war die Seebrückendemo, die um 17 Uhr beendet wurde, aus Sicht der Versammlungsleiterin Tanja Sattler und MitstreiterInnen ein Riesenerfolg. Sattler lud am Ende alle TeilnehmerInnen dazu auf, sich an den Protesten gegen das sogenannte „Frauenbündnis“ um den „Führer“ Marco Kurz, am Samstag, 3. November, in Kandel zu beteiligen.
- Künstlerin MAI
- Musikband „Schnauze Lübke“
- Sängerin Eva Croissant
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