Kommentar von Ferry Ungar – Rudersberg-Schlechtbach. Die Meldung schockierte das ganze Wieslauftal. Die Polizei gab am Freitag, 2. November, eine Pressemitteilung heraus, und die regionale Presse berichtete umgehend über das schwere Verbrechen mutmaßlich linker Terroristen: „Linke Farbschmierereien an Holzhütte“! Vermutlich ist das gesamte Abendland in Gefahr. Wo kommen wir hin, wenn derartige linke Verbrechen um sich greifen?
Was daran ist es wert, dass ich mich überhaupt damit beschäftige? Was bringt an dieser Nebensächlichkeit mein Blut in Wallung? Dazu muss man die Vorgeschichte zu diesem „Hüttenverbrechen“ beleuchten.
Nazis schmieren – die Polizei schweigt
Unbekannte Neonazistümper schmieren ihre faschistischen Symbole und Sprüche seit Ende 2015 in Rudersberg an Wände, Bushaltestellen und an sonstige Plätze, die sie als geeignet betrachten. Seit Mitte 2017 wurden das Wohnhaus und das Auto des Chefredakteurs der Beobachter News mehrfach angegriffen (siehe hierzu „Anschlag gegen Herausgeber der Beobachter News“ und „Erneut Farbanschlag auf BN-Herausgeber„).
Die nun beschmierte Hütte befindet sich in der Nähe und wurde von der Nazibrut mit Faschistensymbolen verunstaltet. Was meldete die Polizei damals über die Sachbeschädigung an der Hütte und über das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole? Nichts, absolut gar nichts.
- Hütte wird von Nazis im Juli 2017 beschädigt und BN-Journalist beleidigt – Polizeipressemeldung? Fehlanzeige!
- Stand der Beschädigungen im August 2018
- Anfang November 2018: Die unfassbare Sachbeschädigung durch „Linksterroristen“
- Juli 2017: Das linke Unheil bahnt sich an – Übrigens: „ANRM“ steht für „Autonome Nationalisten Rems-Murr“
- Stand der Beschädigungen im August 2018
- Anfang November 2018: Das längst befürchtete, mutmaßlich „linksterroristische Verbrechen“ wird Realität – Polizeipressemitteilung ist eine Selbstverständlichkeit
Und was meldete die Polizei in Sachen Anschlag auf den BN-Redakteur? Die Polizei nahm den Sachverhalt vor Ort auf, schien sich jedoch nicht besonders für die Bedrohung eines Journalisten zu interessieren. Der Anschlag war dem zuständigen Polizeipräsidium Aalen zumindest keine Erwähnung in seinem täglichen Pressebericht wert – anders als jeder leichte Auffahrunfall im Kreisverkehr oder das jetzige „Hüttenereignis“. Was ist schon ein Journalist im Vergleich zu einer Holzhütte?
Wo steht die Polizei?
Nachdem die BN über den Farbanschlag berichtet hatte, berichtete dann auch die Polizei. Die Meldung in deren Presseportal war allerdings lückenhaft und enthielt keine Angaben zu den Hintergründen. Dass Nazisymbole verwendet wurden, fiel unter den Tisch: „… wurden in der Nacht zum Samstag zwei Wohngebäude, ein Stromkasten sowie ein Pkw mit Farbe besudelt. Dabei entstand Sachschaden in Höhe von ca. 3500 Euro. Die Polizei hat die Ermittlungen dazu aufgenommen.“
- Archivbild
Die gleichzeitig beschädigte Hütte und das gegenüberliegende verunstaltete Transformatorenhäuschen waren der Polizei keine Erwähnung wert. Warum? Weil die Täter ja nur Neonazis waren und nicht, wie im jetzigen Fall vermutet wird, Linke? Die Polizei wird doch nicht etwa gewisse Sympathien für die Nazischmierer haben? Das ist natürlich ein völlig absurder Gedanke. Die Polizei und rechts?! Niemals! Oder? Ob diese Tat wohl an die Staatsanwaltschaft gemeldet wurde? Ich habe da meine Zweifel.
Linke Symbole – die Polizei schreit
In Bezug auf die Hütte kann man jedenfalls zusammenfassend festhalten: Nazis können in Schlechtbach schmieren, was immer sie wollen. Die Polizei interessiert das offensichtlich bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit nicht so sehr. Mutmaßlich linksgerichtete Taten werden umgehend thematisiert.
„Liebe“ Polizei, höre endlich auf damit, Taten von Neonazis zu verharmlosen und tot zu schweigen. Und höre damit auf, mutmaßlich linke Bagatelltaten zu dramatisieren. Damit aber keine Missverständnisse entstehen: Wer eine Holzhütte eines unbeteiligten Mitbürgers beschädigt, um seine wirren Botschaften zu verbreiten, der ist auch nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte. Denken hat noch niemandem geschadet.
Die Pressemitteilung der Polizei im Wortlaut:
„Rudersberg-Schlechtbach: Farbschmierereien an Holzhütte
Unbekannte brachten an einer Holzhütte in der Lindentaler Straße zwischen Montag und Mittwoch Farbschmierereien an, welche dem linken politischen Spektrum zugeordnet werden können. Wie hoch der Sachschaden ist, ist aktuell noch unklar.
Hinweise auf die Täter nimmt die Polizei Schorndorf unter Telefon xxxxxxxxx entgegen.“
Siehe auch:
Unerträgliche Zustände: Nazisymbole und NS-Schriftzüge an öffentlichen Stellen
Polizei sucht „Schmierfinken“
Nazi-Schmierereien in Rudersberg nicht mehr sichtbar
Hakenkreuze an der Aussichtsplattform
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