Von Wolfgang Weichert – Stuttgart/Filderstadt. Alle reden in Stuttgart davon, dass die Bahn wegen der Stuttgart-21-Baustelle den Flughafen für ein Jahr vom S-Bahn-Netz abhängen möchte. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Region um Filderstadt wird dadurch ebenfalls vom S-Bahn-Verkehr abgehängt. Die S-Bahn nach Filderstadt fährt ebenfalls über den Flughafen.
Abhilfe soll laut Bahn die künftige Verlängerung der U6 bis Flughafen Stuttgart bringen. Sie soll Ende 2021 fertig gestellt sein. Kritiker fragen sich jedoch, wie eine der schon jetzt meist frequentierte Linien im Netz der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB-AG), die derzeit von Gerlingen bis zum Fasanenhof führt, auch noch ab dem Stuttgarter Hauptbahnhof die vielen Reisenden mit ihren Koffern bis zum Flughafen verkraften soll.
Dabei müsse man berücksichtigen, dass die Stadtbahnen der SSB nicht die Kapazitäten einer S-Bahn abdecken können. Das gehe dann nur noch mit Zuständen wie in Tokio oder in Indien. Als Vergleich muss Tokio reichen, da in den Tunneln der U6 keine Leute auf den Dächern mitfahren können wie auf den Bahnen in Indien. Außerdem wäre das wegen den Stromleitungen zu gefährlich.
In einer von Feinstaub und Dieselfahrverbot gebeutelten Stadt wie Stuttgart ist das Abhängen der Filder-Region ein absolutes Horrorszenario für den öffentlichen Nahverkehr. Der Hinweis der Bahn: Man werde das „mit anderen Nahverkehrsmitteln überbrücken“ können. Dazu gehören natürlich auch Busse. Diese können sich dann im alltäglichen Stauszenario im Berufsverkehr rund um Stuttgart einreihen.
Die Gegner von Stuttgart 21 warnten schon von Anfang an, dass S21 dem Nahverkehr in Stuttgart schaden werde. Dafür wurden sie immer belächelt und gar diffamiert. Offensichtlich waren diese Warnungen nicht ohne Grund: Selbst Befürworter von Stuttgart 21 wie etwa die Regionalräte kritisieren jetzt das Vorgehen der Bahn.
Auch die am Flughafen Stuttgart gelegene Messe wird die für ein Jahr geplante Abhängung vom S-Bahnverkehr spüren. BesucherInnen, die zur Messe mit der Bahn anreisen möchten, sind ebenfalls betroffen. Während der großen Messen im Messe-Zentrum am Flughafen sind die S-Bahnen derzeit mehr als gut ausgelastet. Diese Menschenmassen auf die neue U-6-Verbindung auszulagern dürfte aus Kapazitätsgründen scheitern. Ebenso, diese Massen in Busse umzulagern, da die Busse ansonsten vom Hauptbahnhof in Stuttgart zur Messe im Minutentakt fahren müssten. Nur so ließen sich diese Mengen an Passagieren bewältigen – ohne einen gewissen Anreisekomfort garantieren zu können.
Mit dem einjährigen Kappen der S-Bahn-Station Flughafen wird auch der Berufsverkehr von und um Filderstadt zur Stuttgarter Innenstadt gekappt. Gleichzeitig tritt zum 1. Januar 2019 das Dieselfahrverbot in Stuttgart in Kraft. Dann werden die Pendler aus der Region rund um die Fildern zusätzlich bestraft, wenn sie mit dem öffentlichem Nahverkehr in die Stuttgarter Innenstadt fahren müssen.
Auch wird sich der Flughafen Stuttgart als Mitfinanzier von S21 wohl fragen, ob er sein Geld sinnvoll eingesetzt hat. Der Flughafen Stuttgart übernimmt unmittelbar einen Anteil von 107,8 Millionen Euro und weitere 112,242 Millionen Euro „zum Ausgleich für Betriebsverluste“. Außerdem errichtet er auf eigene Kosten verschiedene Bauwerke und Anlagen (siehe den Artikel „Kosten und Finanzierung von Stuttgart 21“ bei Wikipedia). Der Aufsichtsrat des Flughafens stimmte am 16. Juli 2008 der Überweisung der 112 Millionen Euro an die Deutsche Bahn zu. Diese Mittel sind nicht an konkrete Bauleistungen gebunden.
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