Von Tape Lago – Speyer. In der vorderpfälzischen Stadt Speyer demonstrierten am Samstag, 5. Januar, bei winterlichen Verhältnissen mehr als 500 AntifaschistInnen und andere DemokratInnen für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Anlass war eine Kundgebung der neonazistischen Splitterpartei „Der dritte Weg“. Zu der Demonstration hatte das Bündnis für Demokratie und Zivilcourage Speyer aufgerufen. Gewerkschaften, Antifa-Gruppen aus der Region, Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen schlossen sich dem Aufruf an und machten den Neonazis durch lautstarken Protest deutlich, dass sie in der Domstadt unerwünscht und nicht willkommen seien.
Die Neonazis wollten einen Großteil der Bevölkerung erreichen und TeilnehmerInnen für ihre Kundgebung unter dem Motto „Wir werden aktiv – komm und mach mit! UN-Migrationspakt und Multikulti-Chaos stoppen!“ gewinnen. Die Partei von Klaus Armstroff, ehemaliger NPD-Funktionär, verteilte tagelang Flugblätter in der Stadt. Schließlich kamen etwa 50 „ParteisoldatInnen“. Die Neonazi-Kundgebung am Samstagnachmittag auf dem Berliner Platz war ein Flop, eine Blamage für die Anhänger des Nationalsozialismus. Die Botschaft ihrer GegnerInnen war klar und deutlich: „Speyer ist und bleibt bunt.“
DemoteilnehmerInnen aus dem antifaschistischen Spektrum wurden – vor Beginn des Protests gegen die Neonazis – kurzzeitig von der Polizei in der Bahnhofshalle festgehalten. Es sollen vereinzelt Personalien aufgenommen worden sein. Danach setzte sich eine Spontandemonstration zum Kundgebungsort in Bewegung. Lautstarke Parolen wie „Hinter dem Faschismus steht das Kapital – der Kampf um Befreiung ist international“ schallten durch die Speyerer Straßen und Wohngebiete.
Oberbürgermeisterin zeigt Gesicht gegen Neonazis
Zur Gegenkundgebung, die wie geplant um 12.15 Uhr begann, kam auch die neue gewählte Oberbürgermeisterin. Stefanie Seiler (SPD), die am 1. Januar ihr Amt antrat, sendete mit ihrer Anwesenheit eine unmissverständliche Botschaft an die TeilnehmerInnen und in die Bevölkerung: „Gesicht zeigen gegen Rechte und Neonazis“.
„Speyer bekennt Farbe, wir setzen ein Zeichen für Toleranz und Menschlichkeit. Ein Zeichen für Vielfalt und Demokratie. Darum stehen wir heute hier auf dem Berliner Platz, in Sicht- und Hörweite zu den Neonazis. Und wir stehen hier, um laut und deutlich „NEIN!“ zu sagen. Nein zu Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung, Rassismus und Gewalt“, sagte OB Seiler in einer Ansprache und erntete lauten Beifall.
Kein Platz für Rassismus, Faschismus und Diskriminierung
Die Oberbürgermeisterin bedankte sich zunächst bei den SpeyererInnen und anderen TeilnehmerInnen für ihr Kommen und sagte weiter: „Sie demonstrieren, dass Speyer ein weltoffener und humaner Ort ist, war und bleibt“. „Bei uns leben Menschen aus dutzenden Nationen friedlich zusammen. Darauf sind wir stolz, und das lassen wir uns nicht kaputt machen. Wir leben Willkommenskultur“, betonte Seiler. Sie bedankte sich auch bei den OrganisatorInnen der Veranstaltung und erklärte im Anschluss unter Applaus: „Wir, die hier stehen, sind das wahre Gesicht unserer Stadt.“
Es sei nicht hinnehmbar, dass Neonazis und Rechtsextreme Stimmung gegen Geflüchtete und ihre UnterstützerInnen machen. Auch sei es unwürdig und beschämend, dass „Faschisten des sogenannten dritten Weges“ heute in Speyer stehen, erklärte sie. Dass Asylsuchende und Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland angegriffen werden, sei eine Schande. „Es ist unerträglich, dass lautstark gegen Menschen gehetzt wird, die vor Bomben, Terroranschlägen und willkürliche Hinrichtungen geflohen sind“, erklärte sie. „Fremdenfeindlichkeit und Rassismus vergiften unser Zusammenleben“, so die Oberbürgermeisterin. In Speyer sei kein Platz für Rassismus, Faschismus und Diskriminierung.
„Der dritte Weg“ ist brandgefährlich
Sabrina Albers, Sprecherin des Bündnisses für Demokratie und Zivilcourage und Organisatorin der Gegenkundgebung, kritisierte die neonazistische Kleinstpartei aufs Schärfste und bezeichnete sie als „direkte Nachfolgerpartei der NSDAP“. „Der dritte Weg“ sei brandgefährlich und stehe gegen die Demokratie, das Grundgesetz, Menschen mit „Migrationshintergrund, die LGBT-Community und Vielfältigkeit.
Es sprachen auch Axel Elfert (DGB), Holger Heim (Bündnis Kandel gegen Rechts) und ein Vertreter des Kulturzentrums „Eckpunkt“. Heim kritisierte die „Faschisten“ des „dritten Weges“, schilderte die rechten Umtriebe in Kandel und bat die TeilnehmerInnen, das lokale antifaschistische Bündnis Kandel gegen Rechts zu unterstützen.
Neonazi-Kundgebung unter lautstarkem Protest
Die Neonazis standen auf dem Berliner Platz unter sich wie in einem Käfig eingeschlossen. Sie hatten offenbar gedacht, mit ihrer Flugblätter-Aktion einen starken Zulauf aus der Bevölkerung zu bekommen. Doch der erwartete Andrang blieb aus. Umzingelt von Absperrgittern und GegendemonstrantInnen begann ihre Mini-Kundgebung unter dem Motto „UN-Migrationspakt und Multikulti-Chaos stoppen!“ kurz nach 13 Uhr unter lautstarkem Protest und Gegenwind.
„Nazis raus, Nazis raus“ riefen die GegnerInnen, als Julian Bender (Gebietsleiter West), Mario Matthes (Stützpunkt Pfalz) und Tony Gentsch (stellvertretender Gebietsleiter Mitte) das Wort ergriffen. Die „Neonazi-Führer“ wetterten mit falschen Fakten gegen den beschlossenen UN-Migrationspakt, Geflüchtete, MigrantInnen, Linke und PolitikerInnen.
Mit Trillerpfeifen und lautstarken Buhrufen übertönten die GegnerInnen die Neonazi-Kundgebung. Die hetzerischen, abgrenzenden und rassistischen Botschaften der Neonazis drangen nicht über den Berliner Platz hinaus. Nach eineinhalb Stunden verließen die Neonazis unter lautstarken Protest in Begleitung einer starken BFE-Einheit den Berliner Platz.
Wohl Neonazi-Angriff auf AntifaschistInnen
Eine Gruppe von rund 40 Anhängern des „dritten Wegs“ soll etwa 35 AntifaschistInnen aus Mannheim bei der Anreise nach Speyer in einem Zug angegriffen haben. Die Attacke gegen die AntifaschistInnen ereignete sich am Bahnhof Schifferstadt. Dort sollen die Neonazis zugestiegen sein und „alles, was als Antifa und NazigegnerInnen aussah“ attackiert haben.
Als der Zugführer damit drohte, die Polizei zu rufen, seien die Neonazis ausgestiegen. Die Polizei sprach in einer Mitteilung am Samstag von einer „Auseinandersetzung“: „Der einzige Zwischenfall ereignete sich in Form einer Auseinandersetzung anreisender Versammlungsteilnehmer am Hauptbahnhof Schifferstadt. Die Ermittlung hierzu führt die Bundespolizei.“
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