Von unseren ReporterInnen – Berlin. Die Linke will das neue Jahr mit einer Einladung an „alle fortschrittlichen, sozialen und ökologischen Kräfte“ beginnen, soziale Spaltung zu bekämpfen und den Rechtsruck aufzuhalten. Der Jahresauftakt der Partei am Freitagabend, 11. Januar, im Berliner „Refugio“ war aber weniger von langen Ansprachen geprägt als von Musik und Small Talk bei Häppchen, Bier und Wein. Die Berliner Band The Swag brachte Stimmung in den Saal, die Schriftstellerin Carolin Emcke steuerte Gedanken zu einer „demokratischen und solidarischen Politik“ bei.
Auch die Spitzenkandidaten der Linken zur Europawahl Martin Schirdewan und Özlem Demirell traten als Moderator und Rednerin auf. Für den späteren Abend war die Kabarettistin Idil Baydar mit ihrer Kunstfigur Jilet Ayse, einem „Berliner Großmaul mit Migrationshintergrund“ (Bernd Riexinger) angekündigt.
„Sozialer Aufbruch. Mutiger Klimaschutz“
Auf den Stehtischen lag ein von den beiden Vorsitzenden der Partei verfasstes Konzept „Sozialer Aufbruch. Mutiger Klimaschutz“ aus. Katja Kipping eröffnete den Abend. Die Linke müsse an den alltäglichen Sorgen vieler Menschen in Europa anknüpfen, die nicht wüssten, wie sie mit ihrem Geld bis zum Monatsende kommen sollen, sagte sie. Das Programm der Partei müsse sich von da in einem Spannungsbogen bis hin zu der Aufgabe bewegen, Sorge für den Planeten und den Klimaschutz zu tragen. Überdies: „Vor diesem Rechtsruck dürfen wir nicht kapitulieren. Es gilt, ihm die Stirn zu bieten“, forderte sie.
Gegen Kriminalisierung der Seenotrettung
Kipping begrüßte Carolin Emcke, Trägerin des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, deren Stück „Ja heißt ja und …“ derzeit an der Schaubühne läuft. Ebenso Ruben Neugebauer, Pressesprecher von „Sea Watch“. Die Linken-Vorsitzende hob hervor, dass sich jetzt auch Berlin dem Bündnis mit Flüchtlingen solidarischer Städte angeschlossen habe. Lifeline-Kapitän Claus-Peter Reisch, der sich vor Gericht verantworten muss, habe ebenfalls kommen kommen wollen, aber wegen einer familiären Verpflichtung absagen müssen. Menschen wie er, die andere aus Seenot retten, gehörten nicht kriminalisiert, sondern ausgezeichnet, forderte Kipping.
Sie begrüßte Dietmar Bartsch stellvertretend für die Bundestagsabgeordneten im „Refugio“. Sie hatten eine zweitägige Fraktionsklausur hinter sich. Die Co-Vorsitzende Sahra Wagenknecht war hingegen beim Jahresauftakt der Linken nicht zu sehen.
Parteichef Bernd Riexinger sprach von „einigen Bewährungsproben“ im vergangenen Jahr. Er selbst sei „viel herumgekommen“. Dabei hob er die Pflegekampagne hervor, mit der es die Linke geschafft habe, Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unter Druck zu setzen. Er dankte allen Beteiligten, auch den MitarbeiterInnen der Linken“ für ihr Engagement bei dieser Aktion und weiteren wie der MieterInnen-Kampagne.
Bei Ryanair wurde auf internationaler Ebene gestreikt
Gerade, als der frühere Stuttgarter Gewerkschaftssekretär an die Streiks bei Ryanair und der Sicherheitskräfte an den Flughäfen zum Jahresauftakt erinnerte, betrat Verdi-Chef Frank Bsirske den Saal. Bei Ryanair habe es sich um einen internationalen Streik gehandelt, hob Riexinger hervor.
Die Linke müsse bei der Europawahl, aber auch generell an der Seite derer stehen, an denen der Aufschwung vorbei ging – aber auch an der Seite derjenigen, die die Verhältnisse ändern wollten. Er sei stolz darauf, dass sich Hunderttausende an den Demonstrationen „Unteilbar“ und „Ausgehetzt“ in München beteiligt hätten. „Die Linke muss diese Kämpfe vorantreiben, weil wir ganz klar gegen Rechts stehen müssen“, sagte Riexinger – und die soziale Frage mit diesen Kämpfen verbinden: „Wir erleben in vielen Ländern, dass die Rechte bereit steht für einen autoritären Kapitalismus. Wir dürfen ihnen Europa nicht überlassen.“
„Politik muss auch irritierbar sein“
Die Philosophin und Schriftstellerin Carolin Emcke sprach mit Blick auf das vergangene und das gerade begonnen habende Jahr von dem, was sie „verstanden zu haben“ glaube und für unverzichtbar halte, und von dem, was sie nicht verstanden habe. Sie halte es für unverzichtbar für eine demokratische und solidarische Politik, dass sie inklusiv ist, also alle einbezieht und niemanden – etwa seiner Armut wegen – ausschließt.
Sie müsse außerdem international sein, nämlich lokale und globale Fragen zusammen denken, und irritierbar sein, also nicht von unumstößlichen Wahrheiten ausgehen. Sie denke politisches Handeln und Kritik an Unterdrückung als „etwas Dynamisches“, sagte Emcke. Eigene Überzeugungen produzierten auch immer blinde Flecken. Unsicher und ratlos habe sie jedoch die Frage gemacht, was demokratische Willensbildung eigentlich noch heiße und wo sie stattfindet.
Zwischen den meist kurzen Redebeiträgen spielten die Musiker und SängerInnen von The Swag Hip hop, und es gab Pausen als Gelegenheit zum Anstoßen und zum Gespräch.
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