Von unseren ReporterInnen – Karlsruhe. Mit einer aufwendig geplanten Protestaktion demonstrierten am Samstag, 2. Februar, rund 150 Personen am Karlsruher Rhein-Dampfkraftwerk gegen die Stromerzeugung durch Kohleverbrennung. Neben den Zufahrtsgleisen wurde auch ein Förderkran blockiert und damit aktiv die Anlieferung neuer Kohle verhindert. Sowohl die Polizei, als auch der Kraftwerksbetreiber EnBW setzten auf Kooperation, sodass es keine Festnahmen oder Anzeigen gab.
Ein stiller und nebliger Morgen liegt über dem Steinkohlekraftwerk draußen an der Einfahrt zum Karlsruher Rheinhafen. Stumm qualmen die Schornsteine des Kraftwerks. Der Rauch geht nahtlos in dem dichten Nebel auf, der schwer über dem Hafen liegt. Nichts deutet darauf hin, was von langer Hand von Klimaaktivisten unter Federführung der Organisation „Ende Gelände“ geplant worden war.
Wie aus dem Nichts erscheinen aus dem Dunkel des frühen Morgen zwei große Gruppen. Alle tragen weiße Arbeitsanzüge, viele noch dazu bunte Perücken, Sonnenbrillen oder haben sich das Gesicht bunt bemalt. Aus zwei Richtungen nähern sich die Gruppen der Zugeinfahrt des Kohlekraftwerks, und die ersten Sprechchöre werden laut. „Anticapitalista!“ ist zu hören, als die ersten Aktivisten ohne zu zögern über den Zaun und das Tor klettern. Heute wird besetzt.
Während sich rund 40 Personen innerhalb des Kraftwerksgeländes rasch auf den Weg zu einem Förderkran machen, lassen sich die übrigen über hundert Demonstranten, auf den Gleisen vor dem Tor nieder und richten sich mit Isomatten und Decken auf einen langen Tag ein. Unterdessen haben auch die Aktivisten auf dem Werksgelände ihr Ziel erreicht. Eine kleinere Gruppe macht es sich auf einem Förderband bequem, der größere Teil erklimmt den Kran und behängt diesen mit Transparenten.
Kurz darauf seilen sich auch zwei Kletterer der Gruppe „Robin Wood“ von dem neben dem Kraftwerk liegenden Hafenschutztor ab und beginnen, ein großes Banner aufzuziehen. Unter den Aktivisten herrscht große Euphorie, und Jubel bricht aus. Die Sprechchöre hallen über das Kraftwerksgelände. Von Mitarbeitern oder der Polizei ist weit und breit nichts zu sehen.
Erst nach etwa 20 Minuten erscheint ein Schiff der Wasserschutzpolizei und dreht einsame Runden im Hafenbecken. Rund zehn Minuten später stehen an den Blockaden die ersten wenigen Polizisten. Die gut vorbereiteten Sprecher und Verhandlungsführer der Demonstranten treten sofort in Aktion und machen gegenüber den Ordnungskräften und den Kraftwerksbetreibern ihre Anliegen und Forderungen klar. Unterdessen erfährt auch die Außenwelt über die sozialen Medien und die Presse von der Aktion.
„Wir meinen es ernst mit unserer Forderung nach Klimagerechtigkeit und einer guten Zukunft. Wir nehmen uns hier und heute unser Mitspracherecht, und das fühlt sich toll an“, so die Pressesprecherin Emma Weber von „Ende Gelände“. Die Ergebnisse der Kohlekommission seien nicht hinnehmbar, der Kohle-Ausstieg müsse sofort kommen.
Die Stimmung unter den Demonstranten bleibt ungebrochen gut. Gut ausgestattet gegen die Kälte wird gesungen, gelesen, getanzt. Einige holen gar auf den Schienen ein paar Stunden Schlaf nach der kurzen Nacht nach. Immer wieder werden Neuigkeiten zum Verhandlungsstand und der aktuellen Situation der Besetzer auf dem Kran verkündet, die jedes Mal mit Jubel beantwortet werden.
Am Rande der Schienenblockade unterhalten sich durch den Zaun hindurch Aktivisten mit Mitarbeitern des Kraftwerks, die sich nun auch immer wieder in die Nähe der Aktion begeben. Es werden Argumente und Positionen ausgetauscht, einer der Mitarbeiter zeigt Verständnis für die Aktion. Am Ende gehen die vermeintlichen Widersacher mit einem Lachen auseinander. Zwischen dem Zaun liegen dann eben doch keine Welten.
Gegen elf Uhr gibt es dann gute Nachrichten für die Aktivisten. Der Energiekonzern EnBW habe sich dazu entschieden, keine Anzeigen gegen die Besetzer zu erstatten, solange diese in einem ausgehandelten Zeitfenster die Blockade-Aktion beenden würden. Wieder brandet Jubel auf. Um die Blockierenden zu unterstützen, gibt es den gesamten Tag über immer wieder Getränke und Essen, angeliefert von solidarischen Aktivisten. Auch die abgeschnittenen Personen auf dem Kraftwerksgelände dürfen schließlich – wie ausgehandelt – damit versorgt werden.
Nach dem Mittag gesellt sich dann auch noch die Sonne zu den Aktivisten, was die Stimmung noch einmal merklich verbessert. Ein älterer, orts- und sachkundiger Aktivist hält nachmittags einen kurzen, spontanen Vortrag über das Kraftwerk und liefert erschreckende Zahlen und Fakten. Immer wieder sind ungläubiges Kopfschütteln und zweifelnde Blicke hoch zu den unaufhörlich rauchenden Schornsteinen des Kraftwerks zu sehen.
Am Nachmittag ist der Zeitpunkt gekommen. Die Besetzer auf dem Kraftwerksgelände beenden ihre Blockade, und auch die vor der Zugeinfahrt sitzenden Aktivisten machen die Schienen wieder frei. In der Gewissheit, den Nachschub und damit das System des Kohlestroms zumindest kurzweilig unterbrochen zu haben, begeben sich die Demonstranten bester Laune in die Karlsruher Innenstadt. Dort geben sie noch einmal alles und ziehen lautstark durch die Straßen, ehe für die Aktivisten ein langer Tag und eine noch viel längere Planungsphase zu Ende geht.
Nicht nur in Karlsruhe, auch in einigen anderen Städten wurde an diesem Tage demonstriert und gezeigt, dass der Kampf für das Klima und gegen die Kohle nicht nur in den Abbaugebieten geführt wird, sondern überall.
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