Von Franziska Stier – Basel. Der 8. März stand in vielen Ländern im Zeichen des Frauenstreiks. 38 Kollektive organisierten den Streik in deutschen Städten. Hamburg, Berlin und Leipzig sahen die größten 8. März-Demonstrationen seit Jahrzehnten. Dieser internationale Widerstand ist auch in der Schweiz angekommen. In Basel demonstrierten am Freitag, dem Frauen*Kampftag, rund 1000 Menschen.
Einen Tag später organsierte ein Frauen*bündnis in Zürich eine Demo mit rund 2000 Frauen und queeren Menschen, und am Sonntag nahmen rund 500 Frauen, inter- und nonbinäre Menschen an einer schweizweiten Streikkonferenz in Biel teil. Überall sind Frauen* im Aufstand.
Basel: Bunt und wütend
Die Frauen*kampftagsdemo in Basel stellte die Vielfältigkeit feministischer Bewegungen ins Zentrum. Den ersten Zwischenstopp machte die Demonstration am Frauengefängnis an der Heuwaage, wo Frauen in Abschiebehaft sitzen. Und auch der Protest der Flomar-Angestellten, die in der Türkei nach einem Streik entlassen wurden, fand Einzug in einen Kundgebungsbeitrag vor dem Yves Rocher Geschäft in der Freien Strasse. Auch das Bild der HDP-Abgeordneten Leyla Güven, die seit weit mehr als 100 Tagen im Hungerstreik ist, um gegen die Isolationshaft Abdullah Öcalans zu protestieren, war dabei.
Den Abschluss am Käppeli Joch, dem Ort an dem Frauen als Hexen in den Rhein geworfen wurden, bildete ein Redebeitrag des Frauenstreikbündnisses von Michele Meyer. „Es gibt mindestens 1001 Gründe zu streiken, sich den Frauen*bildern innen wie außen entgegenzustellen“, so Michele. Sie streike, weil sie als Frau* nur als Schlampe oder Freiwild gelte, als Patientin nur auf ihre Reproduktionsfunktion reduziert werde, und weil die Arbeit, die sie für die Gemeinschaft einbringe, keinen Lohn wert sei.
Zürich: „Frauen wir sind Klasse!“
Das Zürcher Bündnis demonstriert jährlich am Samstag nach dem 8. März. An dieser Demonstration nehmen ausschließlich Frauen und genderqueere Menschen teil, und wie jedes Jahr wurde im Vorfeld keine Bewilligung beantragt. Seit 30 Jahren demonstriert das Bündnis ohne Bewilligung und nimmt sich diesen Raum. Doch in diesem Jahr wurde die Demonstration durch ein massives Polizeiaufgebot, Räumfahrzeuge, Wasserwerfer und mit Gummischrot bewaffnete Polizisten massiv eingeschränkt.
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Die übliche Demonstrationsroute wurde den Frauen* unter der Grünen Polizeichenfin Karin Rykart verwehrt. Mehrfach machte die Polizei deutlich, dass sie die Demonstration nur dulde, wenn das Bündnis den Anweisungen folge leistet und sich gewaltfrei hinter dem Polizeifahrzeug bewegt. Es blieb wenig übrig, als diese absurde Machtdemonstration mit schweren Geräten gegen 2000 Frauen* mit Besen, Transparenten und Lippenstift „bewaffnet“ zur Kenntnis zu nehmen. Nur selten erscheint das Patriarchat im Staat so deutlich wie in diesen Momenten.
Biel: 500 Frauen* an Streikkonferenz
Überall in der Schweiz organisieren sich Frauen* in Streikkollektiven, um am 14. Juni die bezahlte und unbezahlte Arbeit niederzulegen. Ihre Delegierten trafen sich in Biel, um sich zu vernetzen und ein gemeinsames Manifest zu verabschieden. Am 14. Juni 2019 wird der 2. Frauen*streik in der Schweiz stattfinden.
Neben Lohngleichheit, dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, Zugang zu gratis Verhütungsmitteln und Elternzeit, die den Namen verdient, geht es auch um eine Neuverteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit. Die Sorgearbeit muss anerkannt, aufgewertet und zwischen den Geschlechtern anders verteilt werden. Zunehmend leiden Frauen* unter den Folgen der Sparpakete und Sozialabbau. Dem muss ein Ende gesetzt werden. Der Streik richtet sich aber nicht nur an politische Entscheidungsträger, sondern an die gesamte Gesellschaft, deren Umbau dringend nötig ist.
Tausende Stunden Widerstand
Neben der Verabschiedung des Manifests präsentierten die Streikkollektive ihre Arbeit. Besetzte Universitäten, genähte Banner, bedruckte T-Shirts, Streikkalender, hunderte Stunden Orgatreffen, Theater und Gesang. Sehr eindrücklich war dabei auch, wie die Frauen* vorgehen. Ein Kollektiv hat Fragen formuliert, um mit anderen Frauen in ein Gespräch über den Streik zu kommen. Darunter die Frage: „Stell dir vor Männer könnten gebären. Glaubst du nicht auch, dass unsere Städte voll von gebärenden Männerstatuen wären.“ Vermutlich wären sie es.
Man mag nun entgegenhalten, dass dieser eine Tag Streik nicht reicht, um die Gesellschaft zu ändern. Und vermutlich wird die Ungleichheit am 15. Juni 2019 nicht beseitigt sein. Doch nach dem Streik ist vor dem Streik. Und wenn wir sehen, wie viele Stunden bereits jetzt in die gemeinsame Organisierung fließen, dann sehen wir auch, dass tausende Frauen* ihre Zeit neu priorisieren. An diesem Wochenende blieben tausende Küchen ungeputzt, tausende Mahlzeiten ungekocht, Berge von Wäsche ungebügelt, weil die Frauen* diese Zeit mit anderen Frauen verbrachten, um ihren Widerstand zu organisieren.
Franziska Stier ist regelmäßige Redakteurin für die Beobachter News. Im Rahmen des Schweizer Frauenstreiks wird sie für uns eine Kolumne über ihre Organisierung schreiben.
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