Von Alfred Denzinger – Ellwangen. Sauwetter wäre untertrieben. Dauerregen bei Temperaturen leicht über dem Gefrierpunkt verbunden mit heftigen Windböen. Das herrschte am Donnerstag, 14. März, in Ellwangen. Die Geflüchteten und eine Handvoll ihrer Unterstützer hielt das nicht davon ab, PassantInnen über mehrere Stunden über die Situation im allgemeinen und speziell über die Ereignisse in der Nacht auf den 3. Mai 2018 zu informieren, als es in der LEA (Landeserstaufnahmestelle) Ellwangen eine Polizeirazzia gab.
Die Geflüchteten hielten am 14. März annähernd sechs Stunden eine Mahnwache am „Fuchseck“ in der Spitalstraße ab. Sie endete mit einer Kundgebung. In den Redebeiträgen wurde die emotionale Betroffenheit einiger Geflüchteter deutlich zum Ausdruck gebracht.
Eine Pressemitteilung des Freundeskreises Alassa & friends hatte vorab über die bevorstehende Mahnwache informiert. Darin hieß es, das Amtsgericht Ellwangen bezweifle die Rechtmäßigkeit der Polizeirazzia in der LEA Ellwangen am 3. Mai 2018. Die für den 14. März angesetzten Prozesstermine vor dem Ellwanger Amtsgericht, vor dem sich mehrere Flüchtlinge verantworten sollten, wurden aufgehoben. Der Freundeskreis forderte, alle kriminalisierten Flüchtlinge sofort zu rehabilitieren, und rief zum Protest in Ellwangen auf.
Keine Pressefreiheit in Flüchtlingsunterkünften?
Ein Geflüchteter, der aus dem bayerischen Ingolstadt angereist war, erklärte bei der Abschlusskundgebung, er wolle die Geflüchteten ermutigen, für ihre Rechte aufzustehen. Die Polizeiaktion in Ellwangen sei der Versuch gewesen, den Zusammenhalt der Flüchtlinge zu zerstören und die Betroffenen zu demoralisieren. Seine Begleiterin klagte, die Kinder in der Ingolstädter Flüchtlingsunterkunft hätten keinen Schulunterricht. Bei Einzelnen dauere dieser Zustand schon drei Jahre an. Die junge Frau führte weiter aus, dass Sicherheitsleute keine Pressevertreter auf das Gelände der Unterkunft ließen. Somit gelangten keine direkten Informationen der Geflüchteten nach draußen.
Ein weiterer Redner äußerte, die Polizei versuche, die Leute zu kriminalisieren, dabei seien die Polizeibeamten die Kriminellen. „Sie diskriminieren Flüchtlinge, aber Flüchtlinge sind auch Menschen. Wie alle sind Menschen, nur unsere Hautfarbe unterscheidet sich“, erklärte er. Er prangerte die deutschen Waffenexporte an und forderte, der Rassismus müsse jetzt aufhören. Schließlich stellte er eine Frage in den Raum: „Was ist so toll daran, ein Deutscher zu sein?“
Menschenrechte angemahnt
Ein Geflüchteter aus einer Karlsruher Unterkunft stellte klar, dass die Geflüchteten Schutz suchten. Deshalb hätten sie ihr Land verlassen. „Wir wollen niemandem etwas tun, aber die Menschenrechte gelten auch für uns. Wir sind keine Kriminellen, wir sind keine Terroristen. Wir suchen nur Schutz.“
Moderiert wurde die Kundgebung von Rex Osa, Sprecher der Gefüchtetenorganisation „Refugees 4 Refugees„. Weitere Redebeiträge kamen von Adelheid Gruber, Sprecherin des Freundeskreises Alassa & friends, von einer Vertreterin von Justizwatch aus Berlin und von einem Vertreter der „Aktion Bleiberecht“ (siehe Videos).
- Moderator Rex Osa, Sprecher der Gefüchtetenorganisation „Refugees 4 Refugees“
- Adelheid Gruber, Sprecherin des Freundeskreises Alassa & friends
- Redner der „Aktion Bleiberecht“
Zum Hintergrund:
Im Februar diesen Jahres stellte das Verwaltungsgericht Hamburg die Schutzwüdigkeit der Wohnung auch von Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften fest. In der Folge zweifelt nun das Amtsgericht Ellwangen an der Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes in der Nacht auf den 3. Mai 2018 in der LEA (Landeserstaufnahmestelle) Ellwangen. Wenige Tage vor der Razzia, an der rund 500 Beamte beteiligt waren, hatten in der Lea etwa 150 Flüchtlinge gegen die Abschiebung eines Afrikaners nach Italien protestiert – angeblich mit Drohgebärden gegen zwei Polizeistreifen.
„Wir sind Flüchtlinge und keine Kriminellen“ skandierten nach der Razzia mehrere hundert Geflüchtete am 9. Mai 2018 bei einer selbst organisierten Pressekonferenz und Demonstration (siehe hierzu „Viel wurde über uns geredet, jetzt reden wir“ und „Protest gegen Kriminalisierung„). Einer ihrer Anmelder war Alassa M. Er reichte im September 2018 Klage gegen das Land Baden-Württemberg wegen des Vorgehens der Polizei ein.
Videos
Eine Zusammenfassung aller Redebeiträge gibt es hier!
Weitere Bilder des Tages
Folge uns!