Von Sahra Barkini – Stuttgart. „Politik geht auch anders – No Risk No Future.“ Damit wirbt die „Partei der Humanisten“ auf ihrer Website. Doch wer ist diese Kleinstpartei und was will sie eigentlich?
Gegründet wurde die Partei 2014 in Berlin. Ihre Ausrichtung laut Wikipedia: Säkularismus, Progressivismus, Evolutionärer Humanismus, Rationalismus, Liberalismus, Scientismus, Transhumanismus und Kulturoptimismus. Die Initiatoren behaupten von sich „Wir sind kein Fähnchen im Wind“. Das klingt ja im Prinzip erstmal gut. Und sagen weiter „Fakten vor Befindlichkeiten“ – auch das ist eigentlich positiv. Wenn man sich dann allerdings näher mit dieser Partei befasst, tauchen doch Fragezeichen auf.
Lange Liste der Unvereinbarkeiten
Was sehr auffällig ist: Es gibt eine sehr lange Unvereinbarkeitsliste. Diese umfasst sowohl politische Parteien und Gruppierungen als auch religiöse, dazu Medien aller Art. Laut eigenen Angaben wollen sich die Humanisten vor Problemen mit Extremisten schützen. Auf dieser Unvereinbarkeitsliste befindet sich unter anderem die gesamte Partei „die Linke“, Linksjugend ’solid, Attac, Sozialistische Jugend (SJD) – die Falken, diverse kurdische Gruppen, die Gewerkschaft FAU (Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union), dazu alle Gruppierungen, die „Antifa“ im Namen oder eine Antifa-Fahne im Emblem haben, und die „Rote Flora“. Außerdem noch der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten).
Warum grenzt man sich in der heutigen Zeit, in der es weltweit einen Rechtsruck gibt, von allem ab, was auch nur einen „Hauch von links“ und Antifaschismus hat? Und welche Wählerschicht möchte man dann erreichen? Im Namen der Partei steckt „human“ – das bedeutet aus dem Lateinischen übersetzt „menschlich“. Wo bleibt die Menschlichkeit, wenn man sich in einer extrem langen Unvereinbarkeitsliste unter anderem von denjenigen abgrenzt, die sich gegen Faschismus stellen?
Die Liste der Unvereinbarkeiten geht aber noch weiter. Die Humanisten grenzen sich von rechten Parteien und Gruppierungen, von diversen Medien, von Verschwörungstheorien und Esoterik, Sekten, verschiedenen christlichen Gruppierungen und dem Islam ab. Beschlossen wurde diese Liste vom Bundesvorstand bereits 2018.
Von der Gentechnik bis zur Leihmutterschaft
Außer, dass die Humanisten ihre Überzeugungen mit vielem unvereinbar sehen, gibt es auch Dinge, die sie wollen. Unter anderem Offenheit gegenüber Gentechnik, Stammzellenforschung, „Laborfleisch“, die Legalisierung von Leihmutterschaft. Sehr interessant: Sie fordern eine Abkehr vom Kernkraft-Ausstiegsszenario bis 2022 – hin zu einem geregelten Übergang zu neuen Kernreaktortypen, so dass die Versorgungssicherheit zu keinem Zeitpunkt gefährdet ist.
Außerdem fordern sie die Abschaffung von Geschlechterquoten bezüglich der Wahllistenparität und die Legalisierung aller Drogen. Des Weiteren sind sie für die Abschaffung von Uploadfiltern, dem Netz DG und weiteren Gesetzen, die aus ihrer Sicht das Internet bedrohen.
„Wir sind wissenschaftlich“
Bei den Demonstrationen gegen die EU-Urheberrechtsreform und Artikel 13 beziehungsweise 15 in Stuttgart waren sie ebenso Mitunterstützer wie bei der Demo gegen das Tanzverbot am Karfreitag. In allen Fällen sprach der baden-württembergische Landesvorsitzende Mark Simon auf der Bühne. Die Piratenpartei, die diese Demonstrationen initiiert hat, fällt ja auch nicht unter die Unvereinbarkeitsliste.
In den FAQ der „Partei der Humanisten“ ist zu lesen, dass ihr im Gegensatz zu den Piraten, stabile Strukturen wichtiger als eine „flüssige Demokratie“ sind. Auf Flyern steht „Wir sind nicht links – wir sind nicht rechts – wir sind wissenschaftlich“. Soweit so schlecht, denn was das bedeuten soll, wird allerhöchstens etwas „schwammig“ klar. Sie erklären, sie sind die Partei für diejenigen, die Probleme lösen wollen und keine Lust auf die Rechts-Links Diskussion haben. Klingt nach: „Wir wissen nicht so genau was wir wollen. Irgendwas mit Wissenschaft und Zukunft.“ Jedenfalls sind sie sich insoweit mit den Rechten und Rechtspopulisten einig, dass sie sich anscheinend konsequent gegen Antifaschismus abgrenzen, also haben sie trotz all der Wissenschaft nichts aus der Geschichte gelernt?!
Ohne Korallen ist ein Riff nutzlos
Auf die Frage einer Facebook-Nutzerin, ob sie die Natur abschaffen wollen, quasi Freiheit auf Kosten der Lebensgrundlage, antwortet die Partei der Humanisten sinngemäß, dass die Natur nicht abgeschafft wird, aber man könne sie auch künstlich herstellen. Dies führe dann nicht zu weniger Natur, sondern rette sie. Zum Beispiel Korallenriffe aus dem 3D-Drucker. Auf eine weitere Nachfrage eines Facebook Nutzers, ob sie wisse, dass ein Korallenriff ohne Korallen nichts bringt, wenn die Temperatur der Meere weiter ansteigt, wird geantwortet, dass man keineswegs die Natur abschaffen wolle, aber abwägen, welche Maßnahmen sinnvoll sind, denn man lebe nicht in der Vergangenheit.
Interessante These: die Natur bewahren und schützen wollen gleichzusetzen mit einem Leben in der Vergangenheit. Zu Umweltfragen haben die Humanisten sowieso nicht viel zu sagen und wenn, dann wieder sehr schwammig.
Auf ihren Wahlplakaten zur Europawahl liest man „Wer vögeln will, muss freundlich sein“. Dies ist zwar im Kern richtig, aber es sagt nicht besonders viel in Bezug auf die Wahl aus. Auf einem anderen heißt es „Wer Zukunft will, muss mutig sein“. Im Wahlprogramm ist dann von der Forderung nach einer europäischen Armee und einer einheitlichen Koordination der Migration auf EU-Ebene zu lesen. Die Humanisten fordern eine Unterscheidung zwischen Asylsystem und Migrationssystem. Ein Antrag auf Migration solle vor der Einreise in die EU gestellt werden, und dabei sollen berufliche Qualifikation, Ausbildung, Sprachkenntnisse und ein Wertetest berücksichtigt werden.
Auffällig ist, dass sie immer wieder von Zukunft sprechen und sich deren Zukunft aber an der Wissenschaft orientiert und auch nur diese zählt. Der Mensch, so scheint es, tritt trotz des Parteinamens in den Hintergrund.
Kommentar: „Siamo Tutti Antifascisti“
Zu sagen, alles was „Antifa“ im Namen trägt, ist abzulehnen, und es mit Gewalt zu assoziieren, halte ich persönlich für falsch. Wer Antifaschismus mit Gewalt gleichsetzt, hat nichts verstanden und bedient sich außerdem der Hufeisentheorie. Und wer die Geschichte der VVN-BdA kennt und diese dann ablehnt, begeht einen großen Fehler.
Gerade jetzt müssen alle gemeinsam gegen den Faschismus aufstehen. Wäre es nicht 74 Jahre nach Kriegsende angebracht sich endlich uneingeschränkt zum Antifaschismus zu bekennen? „Antifas“ sind doch diejenigen, die immer da sind, wenn es erforderlich ist, sich konsequent gegen Nazis und deren Gesinnungsgenossen zu stellen. Der aufkommende Faschismus bekämpft sich nicht mit Kamillentee und Stuhlkreisen, sondern mit konsequentem Handeln und Dagegenstellen. Antifaschismus ist und bleibt legitim in diesem Sinne: „Siamo Tutti Antifascisti“!
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