Stuttgart. „Die Vielen“ riefen im Vorfeld der Europawahlen bundesweit zu „glänzenden Demonstrationen“ auf. In Stuttgart versammelten sich am 19. Mai unter dem Motto „Unite & Shine“ über 500 Menschen aus ganz Baden-Württemberg auf dem Marienplatz.
Nach einer Begrüßung durch VertreterInnen der Veranstalter gab es eine Reihe von Reden. Janka Kluge von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) sprach über die „Verfolgung von KünstlerInnen während der NS –Zeit“ und Jörg Armbrusters Thema war der Artikel 5 des Grundgesetzes, unsere Meinungs- und Pressefreiheit. Ülkü Süngün erklärte die Zusammenhänge zwischen Kunst und Aktivismus. Weitere Redner waren Z. Blace zZ und Christoph Szalay.
Regenbogen der Vielfalt
Im Anschluss lud Kunstvermittlerin Sara Dahme zur Farbmeditation ein. Unter der Anleitung von Laura Oppenhäuser (Freie Tanz- und Theaterszene Stuttgart) durfte sich in Form eines 15 x 10 Meter großen Regenbogenbanners die Vielfalt entfalten.
Während des Demonstrationszuges entlang der Tübinger Straße und am Rotebühlplatz gab es musikalische Beiträge des Freien Chor Stuttgart sowie von DJ Matjes*, die Performance Punch Agathe von Gütesiegel Kultur, Sängerin Sandra Hartmann, die Inflatables (glänzende aufblasbare Würfel) der Gruppe Tools for Action.
Die Kunst bleibt frei
„Solidarität statt Privilegien. Die Kunst bleibt frei – für ein Europa der Vielen“ lautete das bundesweite Motto, das auch die baden-württembergische Gruppe DER VIELEN aufgriff. Sie erklärten, im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stehe die Stärkung der Kommunikation und Handlungsmöglichkeiten unter KünstlerInnen, Ensembles und AkteurInnen der Darstellenden und Bildenden Künste. Dies gelte insbesondere für KünstlerInnen, für die Kunst machen heißt, an einer Gesellschaft zu arbeiten, die sich aus Menschen aller Hautfarben und Geschlechtervariationen, vieler sexueller Orientierungen, unterschiedlichster Bedürfnisse und Fähigkeiten, aus Gläubigen und Nicht-Gläubigen zusammensetzt und auf deren Gleichberechtigung beruhe.
DIE VIELEN solidarisieren sich mit allen Aktiven der Kunst- und Kulturlandschaft und deren Institutionen, die von rechtspopulistischen und rechtsextremen Positionen attackiert oder in Frage gestellt werden.
Und weiter: „DIE VIELEN befördern die Kunst genreübergreifend als Wegbereiterin einer gleichberechtigten, offenen Gesellschaft.
DIE VIELEN treten für ein Zusammenleben mit offenen Grenzen ein – nach innen wie nach außen. Sie stehen für ein Miteinander, das mutig und großzügig ist.
DIE VIELEN organisieren Aktionen und Happenings, die sich gegen Hass wenden. Sie stoßen streithaft Debatten innerhalb der Theater- und Kunstlandschaft an.
DIE VIELEN agieren dabei unterstützend als aktives Netzwerk und bieten eine Plattform zur Vernetzung für Kunst- und Kulturinstitutionen und KünstlerInnen.“
Thomas Koch von der Oper Stuttgart bezeichnete es als sehr kraftvolle Geste und ein starkes Zeichen, dass sich in Baden-Württemberg über 300 sehr unterschiedliche Kunst-Institutionen und Kollektive, KünstlerInnen und Kulturschaffende zusammengeschlossen haben. Und Rampe-Intendantin Martina Grohmann betonte, dass die gemeinsame Baden-Württemberger Erklärung nach außen eine klare Haltung für ein pluralistisches Europa formuliert.
Die Kunst bleibt antirassistisch
Es gebe die Selbstverpflichtung, die auch nach innen die eignen Strukturen und Arbeitsmechanismen kritisch überprüfe: „Wie offen sind Kulturinstitutionen wirklich? Auch intern mangelt es oft an Diversität.“ Lisa Tuyala vom Kulturkabinett sagte, die Erklärung der Vielen helfe dabei, sich zu rassistischen und diskriminierenden Vorfällen zu positionieren, den Anfeindungen gegen Intellektuelle, KünstlerInnen, People of Color (POC) oder LGBTTIQs einen gemeinsamen Gestaltungswillen entgegenzusetzen.
Adelheid Schulz vom Theater Prekariat erinnerte daran, dass die Abschaffung der Kunstfreiheit innerhalb der Europäischen Union in Ungarn oder Polen bereits bittere Realität sei, die Bedrohung der Kunstfreiheit in Italien oder Österreich voranschreite. Im Osten Deutschlands gebe es etwa Boykottaufrufe, wenn auf der Bühne klassische Rollen mit POC besetzt werden. „In Baden-Württemberg spüren wir das alles noch nicht so deutlich, aber auch hier sitzt die AfD im Landtag und in verschiedenen kulturellen Gremien. Plötzlich müssen sich Institutionen rechtfertigen, dass sie so viele
internationale KünstlerInnen im Programm haben – das ist lächerlich und realitätsfern“, führte Schulz weiter aus.
Am Ende der Abschlusskundgebung schlossen sich die TeilnehmerInnen mit ihren Transparenten und Plakaten der Demonstration „Ein Europa für Alle – Gegen Nationalismus“ an.
Mehr Infos auf: dievielen.de
Videos
Weitere Bilder des Tages
Folge uns!