Von Angela Berger und der Redaktion – Stuttgart. In der Schweiz ist am Freitag, 14. Juni, ein Frauenstreiktag mit verschiedenen Protestaktionen geplant. Über Hintergründe und den Stand der Vorbereitungen berichtete Franziska Stier, Mitinitiatorin und Mitarbeiterin der Beobachter News, am Mittwoch, 29. Mai, im Willy-Bleicher-Haus in Stuttgart. Man konnte auch Bustickets für die Fahrt nach Zürich kaufen. Es gibt sie auch beim Aktionsbündnis 8. März oder beim Verdi-Bezirk Stuttgart.
Es gehe den Frauen nicht nur darum, einen ökonomischen Effekt zu erzielen, etwa für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn zu bekommen. Es gehe ihnen auch um die gesellschaftliche Anerkennung der unbezahlten Sorge- und Hausarbeit, sagte Franziska Stier.
Die Planung des Frauenstreiktags war aufwendig, berichtete die Mitinitiatorin. Es mussten Unterstützerinnen gefunden werden, Arbeitsgruppen bildeten sich, ein Aktionskonsens wurde vereinbart, Forderungen wurden öffentlich gemacht. Viele Aktionen mussten organisiert werden, und es wurden auch phantasievolle Ideen gesammelt.
Auch Gewerkschaften rufen auf
Im Gegensatz zur deutschen Frauenstreikbewegung rufen in der Schweiz auch Gewerkschaften zum Streik auf. Bereits jetzt wird der Streik über das linke Spektrum hinaus unterstützt. Bäuerinnen werden in Liegestühlen demonstrative Pausen machen, es wird Aktionen in Krankenhäusern geben und hunderte kleine Aktionen in Betrieben und im öffentlichen Raum.
Für die Frauenstreikbewegung ist nicht nur die ökonomische Ungleichheit über die Lohnungleichheit Thema. Auch in der Schweiz verdienen Frauen rund 20 Prozent weniger als Männer. Aber die große Diskriminierung liegt in der unbezahlten Sorgearbeit. „Wer Verantwortung für Kinder und Alte übernimmt, riskiert Altersarmut.“, erklärt Stier. Pro Jahr gehen den Frauen rund 100 Milliarden Franken verloren, weil sie Sorge- und Pflege an Kindern, Alten und Kranken übernehmen.
„Frauenkampf ist Klassenkampf“
In Spanien, Argentinien, Polen und auch in Deutschland legten Frauen und genderqueere Menschen die Arbeit nieder, um gemeinsam gegen eine Welt aufzustehen, die ihre Körper angreift und ihnen die Lebensgrundlage nimmt. „Wir sehen gerade, dass sich Frauen und genderqueere Menschen als Klasse formieren“, sagte Stier. Sie formulierten gemeinsame Interessen und seien gemeinsam bereit, für sie zu kämpfen. Ihr Kampf gehe über Landesgrenzen hinaus und sie beziehen sich produktiv aufeinander. „Es geht nicht nur darum, die Situation weißer Frauen in der Schweiz zu verbessern, sondern es geht darum,ein Zuhause für alle zu bauen“, fasste Stier die Streikforderungen zusammen. Alles in allem erfordert ein solcher Streiktag eine Menge Zeit und Arbeit.
Bereits am 14. Juni 1991 fand ein Frauenstreiktag in der Schweiz statt. Anlass des Streiks war das zehnjährige Bestehen des Gleichstellungsartikels in der Bundesverfassung, ohne dass dieser Umsetzung fand. Unter dem Motto: „Wenn Frau will, steht alles still“ beteiligten sich eine halbe Million Frauen an den Streikaktionen. Und der Streik zeigte Wirkung.
Noch immer ungleiche Löhne
Es beteiligten sich mehr Frauen an der Politik und das „Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann“ trat am 1. Juli 1996 in kraft – 2004 wurde gegen die Stimmen bürgerlicher Parteien die Vergewaltigung in der Ehe zum Straftatbestand. aber von einer echten Gleichstellung kann bis heute keine Rede sein. Grund genug, erneut auf die Straßen zu gehen und auf die Probleme aufmerksam zu machen.
Auch in Deutschland steht in der Verfassung, dass Frauen und Männer vor dem Gesetz gleichgestellt sind, aber die Erfahrung der Frauen und genderqueeren Menschen zeichnet eine andere Realität.
Durch die patriarchale Kultur geschützt werden ungleiche Löhne für gleiche Arbeit, schlecht bezahlte Care-Arbeit (Krankenschwestern und Sozialarbeit), unbezahlte Sorgearbeit und Hausarbeit mit den daraus entstehenden Rentenlücken und die mangelnde Wertschätzung dieser Arbeit, steigende Altersarmut gerade bei Frauen, sexuelle und sexistische Gewalt, Femizide (Frauenmorde). Die Verschränkungen aus Kapitalismus und Patriarchat stützen sich gegenseitig und gipfelten 2015 in Deutschland in 335 Feminiziden. Diese Frauen starben, weil sie Frauen sind.
Solidarität gegen Ungerechtigkeit
Die Schweizer Presse thematisiert vor allem die Frage der Legalität des Streiks. Die Gründe für den Streik scheinen weniger zu interessieren. Dabei betreffen diese Themen alle Frauen und queeren Menschen, in allen Schichten. Nur durch eine breite Solidarität kann diese Ungerechtigkeit abgeschafft werden. Nur eine grundlegende Veränderung in der Gesellschaft könne die in den Verfassungen versprochene Gleichstellung gewährleisten.
Am 8. März 2018 forderten schon rund 1200 AktivistInnen beim Frauentag in Stuttgart gleiche Rechte (siehe Kämpferischer Frauentag in Stuttgart).
Videomitschnitt des Vortrags
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