Von Tape Lago – Kandel. In der südpfälzischen Kleinstadt Kandel feierten am Pfingstwochenende tausende Menschen das Begegnungsfest „Mittendrin & Bunt“ vor und in der Bienwaldhalle. Pro Tag wurden 2000 BesucherInnen erwartet. Doch es kamen nach Einschätzungen der OrganisatorInnen rund 7000 Menschen, um ein starkes Zeichen für ein weltoffenes, tolerantes, vielfältiges und solidarisches Kandel zu setzen.
Die Organisation war ausgezeichnet, und das sommerliche Wetter spielte an beiden Tagen mit. „Mittendrin & Bunt 2019 Kandel“ war ein voller Erfolg. Es sollte kein politisches Fest werden. Doch die Botschaft bei dem Begegnungsfest war unmissverständlich politisch und klar: In Kandel gebe es keinen Platz für Rassismus. Dort seien alle Menschen und Kulturen willkommen. Die südpfälzische Kleinstadt sei nicht braun, sondern bunt, vielfältig und tolerant.
Ein Begegnungsort für alle
Das interkulturelle und inklusive Begegnungsfest stammt aus Herxheim bei Landau (Pfalz). Die Initiatorin des Festivals „Mittendrin & Bunt“ ist die Singer- / Songwriterin und Musikerin Mai. Die Künstlerin hatte bereits im Jahr 2015 die Idee eines Festivals, das ein Ort der Begegnung für alle werden sollte.
Ein Ort, wo alle Menschen unabhängig ihrer Herkunft zusammenkommen und solidarisch feiern können. Mai wollte in Zeiten der rassistischen Hetze und Gewalt gegen Geflüchtete und ihre Unterkünfte nicht nur einfach „rumsitzen“, sondern etwas tun. Sie nahm sich vor, mit Musik Menschen zu verbinden und ihnen zu zeigen, dass sie alle im selben Boot sitzen und mittendrin seien.
Sterben im Mittelmeer nicht hinnehmbar
So entstand das Mittendrin-Projekt. Mittendrin in einer Gesellschaft wo Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung nichts zu suchen hätten. Dies machte Mai am Samstagabend deutlich, bevor sie ihren Song „Mittendrin“ spielte. Man solle in dieser Gesellschaft füreinander stehen und nicht gegeneinander.
Es sei nicht in Ordnung wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken und andere Menschen auf den Straßen „absaufen, absaufen, wir sind das Volk“ rufen. Mit „Mittendrin“ und weiteren Songs, gelang es der Künstlerin, die BesucherInnen zu begeistern und zum Nachdenken zu bringen. Mai unterstützte im Vorfeld die OrganisatorInnen von Kandel gegen Recht mit Ideen und Rat.
Festival für ein buntes und vielfältiges Kandel
Sarah Boos und Giulia Reininger bedankten sich zunächst bei den BesucherInnen für ihr Kommen. Denn ohne sie „wäre das alles nichts wert“ gewesen. Ein Dankeswort ging an Aktionsfonds ViRaL, die Antonio Amadeu Stiftung und die Rosa Luxemburg Stiftung, die durch ihre Förderung das Festival möglich machten. Zudem wurden auch den Initiatoren, Sponsoren, UnterstützerInnen und Kooperationspartnern „Wir sind Kandel“ und „Aufstehen gegen Rassismus“ Südpfalz gedankt.
„Wir freuen uns, dass ihr da seid, und auch über alle, die noch kommen. Wir sind glücklich darüber, dass ihr mit uns feiert und ein Zeichen mit uns setzt. Dass wir gemeinsam zeigen, dass Kandel und die Region bunt sind, vielfältig, offen und gastfreundlich. Und dass wir alle mittendrin sind, mittendrin im Leben und mittendrin in der Gesellschaft“, erklärten die RednerInnen von Kandel gegen Rechts.
Gäste aus Ostritz (Sachsen)
Eine Delegation, die von „Wir sind Kandel“ eingeladen wurde, reiste aus Ostritz (Sachsen) an, um ihre Solidarität mit Kandel zu zeigen. Marion Prange, Bürgermeisterin der Stadt Ostritz seit 2008 und Mitglied im Orga-Team des Ostritzer „Friedensfests“, führte die Delegation an, die in der Bienwaldhalle herzlich und mit Beifall begrüßt wurde.
Um dem Neonazi-Musikfestival „Schild & Schwert“ entgegenzutreten, riefen Bürgermeisterin Prange und ihre MitstreiterInnen das große „Friedenfest“ ins Leben. Ein breites bürgerliches Bündnis, das im März bereits zum dritten Mal den Nazi-Event nicht unkommentiert lassen wollte. So wurde auf dem Marktplatz das Friedenfest mit tausenden BürgerInnen organisiert, um den Neonazis deutlich zu machen, dass Ostritz keine „braune Stadt“ ist.
Aufstehen gegen Fremdenfeindlichkeit
Ostritz sei eine liberale und demokratische Gesellschaft, die nicht die menschenfeindlichen Ideologien der Neonazis teile, so die sächsische Bürgermeisterin. Mit ihren BegleiterInnen nutzte die parteilose Ostritzer Bürgermeisterin die Gelegenheit, um sich mit dem Bündnis „Wir sind Kandel“ auszutauschen.
Die Kandeler Bevölkerung sollte gegen Hass, Gewalt Fremdenfeindlichkeit und Rassismus aufstehen, zusammenhalten und durchhalten. Sie müsste sich von rechten Aufzügen nicht auseinanderdividieren lassen, um klar nach außen zu kommunizieren, dass sie diese nicht in Kandel und anderswo wolle. Prange prangerte den Rechtsruck in der Gesellschaft an und wünschte den KandelerInnen viel Kraft, Ausdauer und Durchhaltevermögen.
Zeichen gegen Hass und Hetze
Das Begegnungsfest sei ein tolles Familienfest und ein toller Anfang für Kandel, sagte Stadtbürgermeister Günther Tielebörger (SPD). Er zeigte sich von der Vielfältigkeit des Festes in seiner Stadt begeistert und freute sich darüber, dass viele Kulturen und Menschen zusammenkommen konnten. Dies zeige, dass die Demokratie noch Bestand habe. Die KandelerInnen sollten die gute Stimmung von „Mittendrin und Bunt“ aufnehmen, um für die Demokratie zu kämpfen und den Rechtspopulisten entgegenzutreten.
Dr. Dennis Nitsche, Bürgermeister von Wörth am Rhein, wertete das „Mittendrin & Bunt Festival 2019“ als riesigen Erfolg und gratulierte dem Veranstalter „Kandel gegen Rechts“. Er bedankte sich für die viele Mühe, die in der Organisation des Festes geflossen ist. Kandel sei kein Ort für Naziaufmärsche, sondern eine lebensfrohe und bunte Stadt. Das Festival sei ein perfektes Zeichen dafür, erklärte der SPD Politiker.
Es gehöre nicht zum Geist von Kandel, dass Menschen ausgegrenzt und Hassparolen durch die Straßen gebrüllt werden. „Wir feiern zusammen, wir sind weltoffen, wir sind Kandel und lassen uns nicht einschüchtern“, betonte der Wörther Bürgermeister. Dennis Nitsche, der sich stark gegen Rechts engagiert, zeigte bei fast allen Demonstrationen gegen das extrem rechte „Frauenbündnis Kandel“ Gesicht.
Antwort an das extrem rechte „Frauenbündnis“
Das Festival sei aus Sicht vieler BesucherInnen und Gästen eine klare, bunte und vielfältige Antwort an das extrem rechte „Frauenbündnis Kandel“ gewesen. Die Stadt Kandel war von Ende Dezember 2017 bis vor Kurzem Schauplatz extrem rechter Demonstrationen und machte schlechte Schlagzeilen.
Um der Region und der Welt zu zeigen, dass Kandel für Vielfalt, Toleranz und Menschlichkeit stehe und sich gegen Hass, Rassismus und Ausgrenzung stelle, wurde „Mittendrin & Bunt 2019“ mit viel Fleiß und organisatorischem Talent auf die Beine gestellt. Es begann am Samstag, 8. Juni, um 14 Uhr und ging am Sonntag, 9. Juni, gegen Mitternacht zu Ende.
Umfangreiches und zufriedenstellendes Programm für alle
Zahlreiche Musikbands und KünstlerInnen traten ohne Gage auf und konnten Publikum, Gäste und BesucherInnen begeistern. Emad Al Sarem, Künstler aus Syrien, stelle die Bilder und Skulpturen, mit denen er seine Fluchterfahrungen verarbeitet, in der Bienwaldhalle aus. Auch die geplanten Workshops draußen und in der Halle fanden mit vielen TeilnehmerInnen statt.
In der Bienwaldhalle nutzen mehrere Organisationen, wie „Kandel gegen Rechts“, Attac Kandel, Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz, „Wir sind Kandel“ und Demokratie in Bewegung die Gelegenheit, um die BesucherInnen über ihre Arbeit zu informieren und mit ihnen auszutauschen. Für Essen und Trinken für alle wurde gesorgt.
Für Kinder und Jugendliche wurden draußen ein Hüpfburg und ein Fussballspielplatz bereitgestellt. Es war ein umfangreiches und zufriedenstellendes Programm für kleine und große BesucherInnen. Ein paar mutmaßliche Neonazis irrten auf dem Festivalgelände herum, wollten dort trainieren und ihre Muskeln zur Schau stellen. Sie wurden von der Security aufgefordert, das Gelände zu verlassen.
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