Von unseren ReporterInnen und der Redaktion – Rudersberg. „Ich hab nicht besonderen Mut, sondern ich habe besondere Angst. Angst, dass diese Menschen irgendwo an Machthebel kommen.“ So erklärte Alfred Denzinger, Chefredakteur und Herausgeber der Beobachter News, weshalb er seine journalistische Arbeit trotz der Morddrohungen und Anschlägen auf ihn und seine Familie fortsetzt. Das Bündnis „Zusammen gegen Rechts“ (ZgR) Rems-Murr hatte am Mittwoch, 5. Juni, zu einer Podiumsdiskussion „Was tun gegen rechte Gewalt“ ins Schulhaus in Rudersberg eingeladen. Fast 100 ZuhörerInnen kamen.
Hintergrund des Abends über „Ursachen von rechter Gewalt und mögliche Gegenstrategien“ war eine an den Rudersberger Journalisten verschickte Morddrohung. Ein anonymer Absender rief in einer Textnachricht dazu auf, Alfred Denzinger samt Familie durch einen Brandanschlag zu töten. Denzingers Haus beziehungsweise Wagen wurden bereits vier Mal tatsächlich von Faschisten beschädigt, vor allem mit Farbbeuteln oder Farbe aus Sprühdosen.
Im Vorfeld der Podiumsdiskussion hatte es eine Solidaritätserklärung gegeben, die von 59 beziehungsweise 128 Organisationen und Einzelpersonen unterzeichnet wurde. Auch an dem Abend selbst bekundeten viele RudersbergerInnen in Redebeiträgen ihre Solidarität mit den Betroffenen rechter Gewalt. Die breite Teilnahme an der Veranstaltung zeigte, dass es in der Gemeinde keinen Platz für rechte Gewalt und Pressefeindlichkeit gibt.
Die Veranstaltung, bei der auch der Rudersberger Bürgermeister Raimon Ahrens im Publikum war, verlief weitgehend ruhig. Allerdings stattete ihr noch vor Beginn eine Polizeistreife einen Besuch ab, dessen Ziel unklar war. Die Beamten ließen sich aber von den Veranstaltern dazu bewegen, wieder zu gehen.
Auf dem Podium diskutierten Matthias Fuchs (Geschäftsführer der IG Metall Waiblingen), Peter Schwarz (Redakteur beim Zeitungsverlag Waiblingen), Alfred Denzinger (Chefredakteur sowie Herausgeber der Beobachter News), Tim Neumann (Sprecher des Bündnisses Zusammen gegen Rechts Rems-Murr), Sonja Großhans (Fachstelle Demokratieförderung und Rechtsextremismusprävention des Landkreises Rems-Murr) und Aleyna, die sich als antifaschistische Aktivistin vorstellte. Renate Angstmann-Koch (Mitglied im Landes- und Bundesvorstand der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in Verdi) moderierte.
Im Anschluss gab es eine lebhafte Diskussion mit RednerInnen aus dem Publikum. Im Mittelpunkt stand den Abend über die Frage nach Zusammenhängen zwischen rechten Gewalttaten und rechten Netzwerken im Rems-Murr-Kreis. Auch die Rolle des Staatsschutzes Waiblingen war Thema. Die Anschläge auf Denzingers Haus und weitere Attacken im Rems-Murr-Kreis sind weiter unaufgeklärt.
Kontrovers wurde darüber diskutiert, welche Maßnahmen gegen rechte Umtriebe effektiv und legitim sind. Besonders Peter Schwarz kritisierte Aktionsformen, die darauf hinausliefen, dass sich etwa die AfD bei Veranstaltungen und an ihren Infoständen nicht äußern könne. Aleyna hielt dagegen.
Rechter Blog veröffentlicht Bild und Adresse –
Lübcke und Denzinger gemeinsam auf „Schwarzer Liste“
„Sie werden vor nichts zurückschrecken. Im Moment trifft es mich, aber meinen tun die alle“, sagte Denzinger: „Da wird keiner ausgenommen, der nicht so tickt wie sie.“ Er berichtete eingangs von den Anschlägen gegen sein Haus und der Morddrohung, die sich auch gegen seine Familie und Freunde richtete (siehe Morddrohung gegen Chefredakteur).
In einem Interview mit dem SWR im April, in dem es um Anschläge auf einen Journalistenkollegen in Heidelberg ging, hatte Denzinger die Politik dazu aufgefordert, Hetzseiten wie etwa „PI-News“ zu verbieten. Der Blog hatte mehrfach nicht nur das Bild und die Adresse Denzingers veröffentlicht, sondern auch von vielen anderen Journalisten und politisch Aktiven – so 2015 die des vor kurzem ermordeten hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU). Wie jetzt bekannt wurde, stehen Denzinger und Lübcke auf einer „Schwarzen Liste“ der Neofaschisten.
Der Artikel der „PI-News“ über das Interview selbst habe ihn nicht schockiert. Schlimmer seien die Kommentare unter dem Artikel gewesen, sagte Denzinger. Dort sei zur Gewalt gegen ihn aufgefordert und mehrfach seine Adresse veröffentlicht worden. Unter anderem wurde er als „Schädling für das deutsche Volk“ bezeichnet. Die Adresse des Chefredakteurs wurde schließlich entfernt – mit dem Hinweis, es sei nicht nötig, sie zu veröffentlichen, da sie ja unschwer im Internet zu finden sei.
In der anonymen Morddrohung standen Sätze wie „die Denzinger Mischpoke töten“. Man werde seine „Familie der Ausrottung anheim stellen“, er sei wegen „feindlicher Agitation gegen das deutsche Volk zum Tod durch Verbrennen“ verurteilt worden.
Kein Mittel gegen Hasskommentare
Das Internet ist voll von solchen Hasskommentaren, bisher gibt es kein wirklich wirksames Mittel gegen sie. Im Fall der „PI-News“ gibt es nicht einmal ein Impressum, was nicht zulässig ist. Es sei fraglich, weshalb es den Ermittlungsbehörden mit all ihren Möglichkeiten der Überwachung nicht gelinge herauszufinden, wer hinter solchen Hetzseiten steht.
Die Beobachter News berichten seit über acht Jahren über politische Demonstrationen, Gerichtsverhandlungen mit politischem Hintergrund und über sonstige politische Ereignisse. Es sei klar, dass das vielen rechten Gruppierungen nicht gefällt. Ein besonderes Augenmerk habe die Redaktion auf die Aktivitäten von Neonazis, aber auch auf das Verhalten von Polizeibeamten. Vermutlich sei genau dieser Schwerpunkt seiner Arbeit der Grund für die Einschüchterungsversuche rechter Gruppierungen.
Hetzer und Anheizer
Mutmaßlich stecke die Gruppe Autonome Nationalisten Rems-Murr (ANRM) hinter den Farbanschlägen. Sie hinterlasse immer wieder ihr Kürzel. Hinter ihm stecke eine kriminelle Vereinigung, die im ganzen Rems-Murr-Kreis durch Sachbeschädigungen in Erscheinung trete – etwa mit Schmierereien verbotener verfassungsfeindlicher Symbole und mit Drohungen. Anderweitige politische Aktivitäten seien nicht erkennbar. Es gehe offenbar ausschließlich darum, politische Gegner und Journalisten einzuschüchtern.
Neben den beiden Hauptakteuren der Hetze gegen ihn gebe es weitere Anheizer, sagte Denzinger. Die AfD mache gern mit Anzeigen und völlig absurden Anfragen im Landtag Stimmung gegen die Beobachter News. Damit finde die Partei Aufmerksamkeit bei ihren Anhängern und weiteren neonazistischen Gruppen.
Ein weiterer „geistiger Brandstifter“ sei der Anführer von „Fellbach wehrt sich“, der seit Jahren öffentlich gegen Denzinger und die Beobachter News hetzt. Er verbreite Fotos von ihm im Internet, bezeichne ihn als Terrorist und die Redaktionsräume als „Terrorzentrale“. Für Denzinger steht außer Frage, dass Akteure wie der Anführer von „Fellbach wehrt sich“ oder die PI-News der Ursprung der Hetze gegen ihn, seine Familie und die Redaktion sind.
Die Übergriffe sind kein Einzelfall
Sonja Großhans betonte, dass die Übergriffe kein Einzelfall seien. Es gebe durchaus rechte Strukturen im Rems-Murr-Kreis. Das zeige die Statistik der Polizei. Im Jahre 2018 habe es 102 rechtsmotivierte Straftaten gegeben, im Jahr davor sogar 120 Straftaten. Die häufigsten Straftaten seien Propagandadelikte – Schmierereien, die im ganzen Kreis auftauchten. Die Polizei wisse nicht, wer hinter diesen Straftaten stecke.
Um das Jahr 2000 gab es Großhans zufolge schon einmal eine rechte Gruppierung, die autonomen Nationalisten Backnang, die damals sehr aktiv und auch sehr gewalttätig waren. Sie verübten auch mehrere Anschläge. Einige dieser Rechten seien damals ins Gefängnis gekommen. Es wäre ein interessanter Ansatz zu schauen, ob sich die heute aktiven Gruppen auf solche Vorgänger beziehen oder ob es Zusammenhänge gebe.
Auch die sogenannten „Identitären“ haben eine Gruppe im Rems-Murr-Kreis, und es fänden wohl regelmäßig Teffen statt. Auffällig seinen aber die Netzwerke nach ganz Europa. Dabei fallen Namen wie Oliver Hilburger, der bei der Vernetzung der rechten Musikszene mit Rechtspopulisten und Rechtsextremen in ganz Europa immer wieder in Erscheinung tritt.
Eine lange Kontinuität
Oliver Hilburger und Michael Wendland waren Gründungsmitglieder der Neonaziband Noie Werte, die Ende der 80-iger Jahre bei Stuttgart gegründet wurde. Wendland war eine Zeitlang Landesvorsitzender der NPD in Baden-Württemberg. Hilburger war ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht Stuttgart sowie Betriebsrat. Als bekannt wurde, dass Hilburger in der Band spielt, musste er von beiden Ämtern zurücktreten.
Bei den Betriebsratswahlen des Daimler-Werks Untertürkheim trat Hilburger 2010 mit der neuen Gruppe „Zentrum-Automobil“ an. Seine stark nationalistischen Veröffentlichungen und ein Auftritt bei dem Kongress der „Neuen Rechten“ 2017, bei dem er unter anderem mit Jürgen Elsässer, Björn Höcke, Lutz Bachmann und Martin Sellner zu hören war, widerspreche seiner Aussage, die rechtsextremen Zeiten damals gehörten der Vergangenheit an.
Peter Schwarz bestätigte, dass es eine lange Kontinuität von der „Urszene“ Anfang der 1990 Jahre an gebe. Damals habe sich über längere Zeit mit Ian Stuart eine Gründungsfigur des modernen Neonazismus und der Gründer des Nazinetzwerks „Blood and Honour“ im Rems-Murr-Kreis aufgehalten.
Die rechte Szene ist stark vernetzt
Am 10. Juli 1993 fand ein in rechten Kreisen schon fast legendäres letztes Konzert in Waiblingen (auf dem Grillplatz im ehemaligen Steinbruch) statt. Legendär wurde das Konzert, weil es wohl das letzte Konzert für ihn war, denn Ian Stuart starb kurz danach bei einem Unfall. Schon damals seien die Netzwerke sehr stark gewesen. Der Stuttgarter Raum war wohl eine Art Angelpunkt für die rechtsextreme Gruppe „Blood and Honour“.
Auch ausgedehnte Konzertreisen nach Ostdeutschland gehörten dazu. Ziele waren, Jugendliche mit Musik in die rechte Szene zu bekommen, und die Radikalisierung der internationalen rechtsextremen Szene. Bis heute seien die Verbindungen von damals nie ganz abgerissen. Man dürfe sich das nicht isoliert vorstellen, sagte Schwarz. Es gebe historische und personelle Zusammenhänge, die bis heute bestehen. Die Konzerte seien bis heute für das „Netzwerken“ der Neonazis sehr wichtig.
Es gibt durchaus Ermittlungsansätze
Der Fall Alfred Denzingers sei leider kein Einzelfall, sagte Aleyna. Allerdings steche er durch die Anschläge auf sein Wohnhaus besonders hervor. Sie erfolgten, um Antifaschisten einzuschüchtern. Immer wieder sei von der Polizei zu hören, sie habe wenig Erkenntnisse.
Aber schon allein durch das bei der Podiumsdiskussion Zusammengetragene gebe es genügend Anhaltspunkte zu ermitteln. Im Rems-Murr-Kreis gebe es auch noch viele zum Teil weiter aktive NPD-Anhänger. Auch daran könne man sich „entlanghangeln“.
Auf dem Gewerkschaftshaus stehe derzeit „linker Terror“ und das Datum, wann sich die Antifa dort trifft, berichtete Matthias Fuchs. Auch auf der PI-News-Seite würden immer wieder einzelne Gewerkschafter erwähnt. Die AfD schreibe auch an ihn regelmäßig Briefe mit der Aufforderung, sich klar zu bekennen, ob man auch „linke Terroristen“ sei oder „gute Gewerkschafter“. „Wenn die einen uns auffordern, uns von der Antifa zu distanzieren, und die nächsten unser Gewerkschaftshaus beschmieren und die dritten uns auffordern zu erklären, dann ist schon klar, wie weit das alles geht“, sagte Fuchs.
Diffamierung seit Pegida
Tim Neumann zufolge sei das erste Ziel der Übergriffe wohl die Einschüchterung. Im Fall Alfred Denzingers sei auch der finanzielle Schaden ein Ziel. Es solle verunsichert werden mit hinterhältigen Nacht- und Nebelaktionen. Seit dem Aufstieg der sogenannten Pegida- Bewegung in Dresden seien alle gängigen Medienformate systematisch diffamiert und als „Lügenpresse“ bezeichnet worden.
Zeitgleich seien im Internet zahlreiche Verschwörungstheoretiker aufgetaucht und hätten rechte Gruppen verschiedenste Medienformate stark ausgebaut. Dazu gehörten zum Beispiel die PI-News, der Internetblog Journalistenwatch oder auch das Compact-Magazin. Hier sei eine rechte Blase geschaffen worden, in der sich Faschisten wohl fühlten. Dort würden auch regelmäßig Fakenews verbreitet, die die Hetze immer wieder anfeuern. Gerade JournalistInnen seien auf Demonstrationen oft alleine unterwegs und den Angriffen der rechten Kräfte ausgesetzt. Doch gerade die Arbeit der JournalistInnen vor Ort sei dafür wichtig, sich ein Bild machen zu können.
Rechte Haltungen schon in der Mitte der Gesellschaft
Haltungen, die bei den extremen Rechten zu finden sind, findet man auch in der Mitte der Gesellschaft, sagte Sonja Großhans. Um Rassismus, Antisemitismus und Antiislamismus zu finden, brauche man nicht weit rechts schauen. Man könne sich auch selbst fragen, wo man ablehnend und diskriminierend reagiert. Das habe sich schon in gewissen Bereichen geändert.
Matthias Fuchs stellte klar, dass es sich beim „Zentrum Automobil“ nicht um eine Gewerkschaft handle, sondern einfach nur um eine Gruppe die Stimmung machen wolle. Er spreche lieber von der Lautstärke denn von einem Ruck. Denn die 15 bis 20 Prozent mit manifesten rechtslastigen Einstellungen habe es auch früher gegeben. Nur habe man die nicht so gehört.
Er habe sich mit anderen Gewerkschaftern dafür entschieden, klare Kante gegen die rechten Kräfte zu zeigen – auch gegen solche Gruppierungen wie „Zentrum Automobil“, sagte Fuchs. Er sei immer hin und her gerissen zwischen dem „Kampf gegen Rechts“ und dem „Kampf um unsere Werte“.
„Menschen lesen keine Parteiprogramme“, antwortete der IG Metall-Geschäftsführer auf die Frage, weshalb so viele Gewerkschaftsmitglieder die AfD wählen. Andernfalls wüssten alle, dass die AfD nicht die Partei der kleinen Leute und Arbeiter sei. Man brauche nur die österreichische FPÖ anschauen, der sich die AfD verbunden fühlt. In Österreich wurde innerhalb kürzester Zeit der 12-Stunden-Tag eingeführt. Es gebe auch bei der AfD nur Beschränkungen von Arbeitnehmerrechten.
Merkwürdige Rolle der Polizei
Erstaunlich ist, dass die Polizei die Täter noch nicht gefasst hat. Es gebe selbstverständlich Polizeibeamte, die ermitteln würden, sagte Denzinger. Doch er sei zunächst etwas baff gewesen, als Polizeibeamte nach einem Anschlag zu ihm kamen und ihn fragten, ob er denke, dass das alles einen politischen Hintergrund habe, und ob es von links oder von rechts komme. Die Sachbeschädigungen und Drohungen am Trafo-Häuschen gegenüber wollten die Beamten zunächst gar nicht aufnehmen. Denn die seien ja nicht direkt an seinem Haus gewesen.
Denzinger musste den Staatsschutz auch eigens auffordern, die Bedrohung und nicht nur die Sachbeschädigung in den Strafantrag aufzunehmen. Zu beurteilen, ob es sich um eine Bedrohung handle, sei jedoch allein Aufgabe der Staatsanwaltschaft, sagte Denzinger.
Dazu komme, dass er in Polizeikreisen nicht den besten Ruf genieße, da die Beobachter News in Text und Bild auch über das Verhalten der Polizei berichte. Das habe zur Folge, dass Redakteure nicht nur von Neonazis angegriffen würden, sondern auch von Polizeibeamten – und das ohne Grund. Kein Journalist der Beobachter News käme auf die Idee, sich Polizeibeamten entgegenzustellen.
Anwälte raten von Anzeigen gegen Polizisten ab
Das Ganze gipfelte darin, dass sein Sohn auf einer Demonstration in Stuttgart von drei Polizeibeamten angegriffen wurde, sagte Denzinger. Das habe einen Krankenhausaufenthalt und sechs Monate Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt. Dennoch rieten Anwälte in solchen Fällen von einer Anzeige ab, da Polizisten vor Gericht als besonders glaubwürdig gelten und abweichende Schilderungen womöglich als Falschaussage gewertet würden.
Welche Daten die Polizei über ihn in ihren internen Dateien sammle, sei ihm erst 2017 klar geworden, als ihm das BKA die bereits erteilte Akkreditierung zur Berichterstattung über den G20-Gipfel vor Ort in Hamburg wieder entzog. Angeblich sei er ein Sicherheitsrisiko, hieß es ohne weitere Begründung. Inzwischen laufe eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des Entzugs der Akkreditierung.
Der Einblick in die Akte offenbarte eine Latte von Straftaten wie Widerstand gegen Beamte, Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruch, die Denzinger angeblich begangen haben soll. Bis auf einen Fall – Denzinger erhielt wegen der angeblichen Beleidigung eines Polizisten einen Strafbefehl – sei alles frei erfunden gewesen. Rechtsstaatlich habe man keine Mittel, gegen solche Akteneinträge vorzugehen. Der Staatsschutz in Waiblingen habe ihm in der Zwischenzeit zwar versichert, dass es keine Einträge mehr gebe. Aber das könne er ja ohnehin nicht kontrollieren.
Fotografieren durch die Pressefreiheit gedeckt
Als ihn der baden-württembergische AfD-Schatzmeister Frank Kral nach einem Vorfall an einem Infostand in Backnang wegen Nötigung anzeigte, tauchte in den Polizeiakten plötzlich der gar nicht erhobene Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung auf. Das Gericht sprach Denzinger frei und belehrte Kral, dass er froh sein könne, nicht selbst auf der Anklagebank zu sitzen, da er versucht hatte, Denzinger daran zu hindern, seiner durch die Pressefreiheit gedeckten journalistischen Arbeit nachzugehen und den Infostand zu fotografieren (siehe „Freispruch für Chefredakteur der BN„).
In seiner Akte sei jedoch mindestens ein Jahr lang „gefährliche Körperverletzung“ gestanden, sagte Denzinger. Darauf gekommen sei er nur durch den Landesdatenschutzbeauftragten von Baden-Württemberg, der diese Auskunft von der Behörde bekommen hatte.
Keine Vernehmung zur Morddrohung
Die Morddrohung sei im April eingegangen, doch bis heute habe er dazu keine persönliche Aussage machen können, berichtete Denzinger. Dabei habe er beim Staatsschutz angegeben, dass er dazu relevante Angaben machen möchte. Erst zwei Tage vor der Podiumsdiskussion habe er einen Anruf des zuständigen Staatsschutzbeamten bekommen. Er habe da noch eine ältere Notiz seines Vorgesetzten, da würde stehen, er solle doch mit ihm Kontakt aufnehmen wegen seiner Aussage. Aber eigentlich wäre das gar nicht nötig, denn er wisse ja schon alles.
Auch deswegen fühle sich die rechte Szene so sicher, sagte Denzinger. Über Verflechtungen bis in Ermittlungsbehörden habe man ja in Hessen gelesen. Inzwischen wurden weitere Verstrickungen von Polizei und Bundeswehr mit Rechtsterroristen bekannt (siehe hierzu „Rechtsterrorismus in Deutschland-Staatsfeinde in Uniform“ und „Rechtes Netzwerk in Polizei, Bundeswehr und Geheimdiensten„).
Verschweigen hilft nicht
Was also tun gegen rechte Gewalt? „Als Journalist kann ich Öffentlichkeit schaffen und genau darüber berichten, was passiert“, sagte Denzinger. Er habe nie behauptet, neutral zu sein, denn das gebe es nicht. Jeder Journalist habe eine eigene politische Meinung. Selbstverständlich betrachte er sich als Antifaschist. Das sei kein Widerspruch zu seiner Arbeit. Denn eigentlich sollte jeder, nicht nur Journalisten, Antifaschist sein. Das entspreche dem Wesen des Grundgesetzes.
Die permanenten populistischen Entgleisungen der AfD hätten nur das Ziel herauszufinden, wie weit sie in ihrem rechten Dialograum gehen könne, sagte Matthias Fuchs. Man müsse sich als IG Metall und als Gewerkschafter besonders um die Menschen bemühen. Die Gewerkschaften hätten dazu gute Möglichkeiten, sie seien gut vernetzt und verankert in den Betrieben. Dort müsse man vor allem Aufklärung leisten. Er sehe seinen Schwerpunkt darin, sich mit den Menschen für eine lebenswerte Zukunft einzusetzen. Dann sei auch kein Platz für Antidemokraten.
Forderung nach „gesellschaftlichem Schulterschluss“
„Aufklären ist die Aufgabe der Journalisten“, sagte auch Peter Schwarz. Früher habe man geglaubt, man werte rechte Strukturen nur auf, wenn man über sie berichte. Heute wisse man, dass es nicht hilft, solche Entwicklungen unter den Teppich zu kehren. Man solle sich offensiv und ohne Angst dem Problem stellen. An Sachsen sehe man, wie sich rechte Strukturen verfestigten, wenn man das Problem Jahrzehntelang leugne.
Es müsse „breite gesellschaftliche Schulterschlüsse von der Jungen Union bis zur Antifa“ geben, forderte Schwarz. Natürlich bestünden massive Unterschiede zwischen rechts und links, wandte er sich gegen eine Gleichsetzung. Es sei ein großer Unterschied, ob jemand gegen Ausländer hetzt und sie im Zweifelsfall anzünden möchte, oder ob jemand dagegen aufsteht.
Der Journalist kritisierte jedoch nochmals das Vorgehen mancher Aktivisten gerade im Vorfeld der Europawahl. Die Demokratie werde nicht dadurch verteidigt, indem man einen AfD-Stand stört.
Aufklärung direkt auf der Straße
Das sieht Aleyna anders. Sie möchte Aufklärungsarbeit weiter betreiben und weiterhin rechte Propaganda, rechte Slogans und ihre Gefahren für alle Menschen in dieser Gesellschaft entlarven. Auch müsse man sich solidarisch den Menschen gegenüber zeigen, die Übergriffe von Rechts erleiden mussten. Das gelte auch bei Angriffen gegen Geflüchtete.
Am besten wirke Aufklärung direkt auf der Straße – genau da, wo die Menschen mit rechter Propaganda konfrontiert werden. Gerade da sei ein offenes Gespräch möglich und könne vieles verändern. Auch sei es für Rechte oft sehr unangenehm, direkt mit Widerspruch konfrontiert zu werden.
Hoffnung auf starke Zivilgesellschaft
Sonja Großhans setzt auf eine starke Zivilgesellschaft gegen Rechts. Wichtig sei auch, „Primärprävention“ zu betreiben. Oft spiele ideologische Indoktrination gar keine so große Rolle dafür, dass Jugendliche in die rechte Szene gerieten. Es gehe vielmehr um die emotionale Ebene. So würden fehlende Erfahrungen in der Kindheit verarbeitet. Es sollte mehr Orte geben, an denen Jugendliche Demokratie erfahren können, forderte Großhans.
Wer verlange, dass eine Demokratie die Rechten aushält, müsse auch den Protest dagegen aushalten, dass Stimmung gegen die Mehrheit der Bevölkerung gemacht werde, sagte Tim Neumann. Der Kampf gegen Rechts werde erfolgreich sein, wenn man breite Bündnisse aufstellt. Dann zeige schon allein das Zahlenverhältnis, dass die meisten rechte Hetze ablehnen.
Klare Haltung gegen Hetze
Genau diese Ablehnung sollte auch erfahrbar für die Rechten sein. Bratwurstgrillen laufe oft ins Leere. Es gehörten zum Beispiel auch Blockaden dazu. Der Zugang zu solchen solidarischen Bündnissen solle niederschwellig sein. Man müsse die sozialen Hintergründe und die wirtschaftlichen Ursachen des Aufstiegs der Rechten thematisieren. Nicht nur zu Hause brauche man eine klare Haltung gegen Rechts, sondern man müsse auch draußen auf der Straße das Gespräch suchen. Ob bei der Arbeit, an der Schule und der Uni oder in der Nachbarschaft: Es sei wichtig, klar Stellung zu beziehen – vor allem, wenn es zu rassistischen Äußerungen oder Propagandaauftritten kommt.
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