Kommentar von Sahra Barkini – Stuttgart. Ist „humanistisch“ vielleicht doch nur eine Floskel, hinter der sich gar nicht viel Substanzielles verbirgt? Diesen Verdacht legt die „Partei der Humanisten“ nah. Deren ellenlange Unvereinbarkeitsliste ist eigentlich schon furchtbar genug, schließlich findet sich auf ihr sogar die VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten). Doch nun schlug pünktlich zu Anne Franks 90. Geburtstag am 12. Juni die „Partei der Humanisten Hessen“ dem Fass den Boden aus.
In einem Erinnerungpost auf Facebook schrieb sie, Anne Frank wäre ein Opfer von Extremismus – nicht, wie es der Wahrheit entspräche, des Nationalsozialismus. Sie erinnert an alle, die Opfer von Verfolgung, Extremismus, Hass und Hetze wurden.
Damit spucken die hessischen „Humanisten“ den Millionen Opfern des Holocausts nachträglich ins Gesicht. Sie relativieren die Gräueltaten der Nazis, indem sie es nicht schaffen, das „dritte Reich“ als das zu bezeichnen was es war. Im Gegenteil, sie bedienen sich der Hufeisentheorie, die sogar in bürgerlichen Kreisen oft abgelehnt wird. Sie besagt, dass rechter und linker Extremismus gleichzusetzen sei.
Das ist falsch, und im vorliegenden Fall handelt es sich noch dazu um Geschichtsrelativierung. Denn konsequenter Antifaschismus hätte den Holocaust verhindern können. Aber das blendet die „Partei der Humanisten“ aus. In ihren Augen scheint Antifaschismus böse zu sein oder zumindest unvereinbar mit ihren Werten.
Rechts und links wird gleichgesetzt
Wie verblendet kann eine Partei sein, einen Post über ein Holocaust-Opfer zu verfassen, ohne nur ein einziges Mal den Nationalsozialismus zu erwähnen? Stattdessen schreibt sie was von wegen „jeder Extremismus ist gleich schlimm“.
Unter diesem Facebook-Post gab es neben entsetzten Kommentaren auch viel Zustimmung und Verständnis. So schrieb ein User: „Klasse Text! Lasst euch nicht runterziehen von den Antifa-Extremisten!“ Ein anderer: „Ein ziemlich linkes Wespennest, in das ihr da scheinbar gestochen habt“.
Antifa-Extremisten, linkes Wespennest – interessante Wortwahl für Fans dieser humanistischen Partei. Aber es geht noch besser beziehungsweise schlimmer. Ein User schrieb: „Toll. Der Onkel meiner Oma würde heute auch noch leben … Er musste für das deutsche Reich in den Krieg. Also sch… auf Anne. Jede Familie hat ihre eigene Anne Frank“.
Übrigens: Weder zu diesem Kommentar noch zu den vielen weiteren regte sich Widerstand seitens der „Partei der Humanisten Hessen“. Ein weiterer Schreiber setzt den Holocaust mit Umweltschutz und den Fridays-for-Future-Demos fast gleich. Keine Ahnung wie man auf sowas kommt!
Angeblich ein Shitstorm
Wieder ein anderer bedient sich dann auch wieder der Hufeisentheorie und schreibt: „Die Kommentare zeigen, warum wir Demokraten vehement gegen Rechtsextremismus, genauso aber gegen die realen Umtriebe der Linksextremisten kämpfen müssen“. Was daran linksextrem sein soll, diesen Post zu kritisieren, erschließt sich wohl nur der kommentierenden Person und sonst niemandem. Und dann schwurbelt noch jemand was von einem gut orchestrierten Shitstorm par excellence. Eine gute Organisation müsse man der Antifa und Co. zusprechen. Seinen Kommentar beendet dieser Schreiber er mit dem Satz: „Wenn dich die Antifa nicht als Nazi gebranntmarkt hat, hast du dann überhaupt einen Puls?“.
Es ist mühsam und wahrscheinlich auch überflüssig, wieder zu erwähnen, dass es „die Antifa“ nicht gibt. Denn das verstehen gewisse Personenkreise nicht – beziehungsweise wollen es nicht verstehen. Es gibt AntifaschistInnen, und das sollte jeder aufrechte Mensch eigentlich sein.
Aufmerksamkeit um jeden Preis?
Und noch ein Kommentar unter dem „Humanisten“-Posting: „Aus einem Erinnerungschreiben wird eine Diskussion ob die richtigen Keywords genannt werden und das man Extremisten nicht über einen Kamm scheren darf (….)“ Darauf wurde geantwortet: „Den Tod von Anne Frank zu instrumentalisieren, um die eigene politische Agenda zu verbreiten, ist nunmal voll der Schmutzmove“.
All diese und viele weitere Kommentare wurden von der „Partei der Humanisten Hessen“ nicht moderiert und auch nicht der Diskussion gestellt. Es ist zu vermuten, dass deren Motto ist: „Hauptsache Aufmerksamkeit, egal um welchen Preis“. Da sich der Bundesvorstand der „Partei der Humanisten“ bisher noch nicht zu Wort gemeldet hat, ist anzunehmen, dass dies Konsens in der „Partei der Unvereinbarkeitsliste“ ist.
Was sagen die Piraten dazu?
In Stuttgart trat diese Partei immer wieder in Zusammenarbeit mit der Piratenpartei in Erscheinung. Wie können die Piraten eigentlich ruhigen Gewissens mit solch einer Partei gemeinsame Sache machen? Oder stimmen sie etwa dem Geschwurbel der „Humanisten“ zu? Warum distanziert sich die Piratenpartei nicht? Reicht es denn, gemeinsam gegen Uploadfilter oder das Karfreitags-Tanzverbot zu sein? Ist dann alles, das die Möchtegern-Humanisten sonst von sich geben, irrelevant? Oder wissen die Piraten schlichtweg nicht, was dort gepostet wird? Kennen die Piraten die „Unvereinbarkeitsliste“ nicht? Eigentlich könnte man von einem Bündnispartner erwarten, dass er sich distanziert, wenn wiederholt solche kruden Theorien verbreitet werden. Schade, dass dies bisher nicht geschah.
In einem der obigen Kommentare war die Rede davon, dass die Welt die „Partei der Humanisten“ braucht. Nein! Im Gegenteil, die Welt braucht keine Pseudo-Humanisten, die mit Hufeisen um sich werfen. Jeder klar denkende Mensch kann und sollte auf sie verzichten können.
Der Post zu Anne Franks Geburtstag war an Widerwärtigkeit kaum zu übertreffen. Und es bleibt zu hoffen, dass diese Kleinstpartei für immer eine Kleinstpartei bleibt und niemals in irgendwelche Parlamente einzieht. Am allerbesten wäre, sie verschwindet schnellstmöglich komplett aus der Parteienlandschaft.
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