Von Andreas Scheffel – Waiblingen. Rechten Terror klar benennen, Hintergründe aufdecken, Betroffenen zur Seite stehen: Das hat sich das Bündnis „Zusammen gegen Rechts Rems-Murr“ (ZGR) zum Ziel gesetzt. Bei einem Pressegespräch am Donnerstag, 4. Juli, in der IG-Metall Geschäftsstelle in Waiblingen berichteten auf dessen Einladung Alfred Denzinger, Chefredakteur und Herausgeber der „Beobachter News“, der Gewerkschaftssekretär der IG Metall André Kaufmann und der Sprecher des Bündnisses Tim Neumann über rechte Strukturen und Übergriffe im Rems-Murr-Kreis. Nach Farbanschlägen auf das Wohnhaus und den Wagen des Journalisten und einer Morddrohung gegen ihn warfen sie der Polizei zögerliche Ermittlungen vor.
Bündnissprecher Tim Neumann sprach von „besorgniserregenden Entwicklungen im rechtem Milieu“, die zu dem Mord an dem hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke führten. Dem mutmaßlichen Täter Stephan E., einem ehemaligen NPD-Mitglied, werden Verbindungen zur rechten bewaffneten Gruppierung „COMBAT 18“ nachgesagt. Sie gilt als verlängerter Arm der verbotenen Gruppierung „Blood & Honour“.
In der Vergangenheit gab es Verbindungen von „Blood & Honour“ und weiteren faschistischen Gruppierungen in den Rems-Murr-Kreis. Eine kleine rechte Gruppierung, die sich „Autonome Nationalisten Rems-Murr“ (ANRM) nennt, sei im Kreis aktiv. Diese Gruppierung hat bei Anschlägen auf Denzinger und bei Schmierereien ihr Kürzel „ANRM“ hinterlassen. In jüngster Zeit wurden in unmittelbarer Nähe seines Hauses neue, offenbar erst vor kurzem angebrachte Neonazi-Aufkleber entdeckt.
Zweifel an Ernsthaftigkeit der Ermittlungen
Angst vor Entdeckung durch die Polizei haben die Urheber der rechten Drohungen offensichtlich nicht. Denzinger berichtet seit Jahren über rechte Aufmärsche und den Protest gegen sie, aber auch von Polizeiübergriffen bei Demonstrationen. Nach den Anschlägen auf sein Haus in den vergangenen zwei Jahren und der Morddrohung gegen ihn und seine Familie Ende April vermisst der Journalist bei den Ermittlungen der zuständigen Behörden die Ernsthaftigkeit.
Zögerliches Vorgehen der Ermittler
Denzinger führte Beispiele an. So sei er erst gut neun Wochen nach der Morddrohung auf mehrfaches eigenes Drängen zur Vernehmung geladen worden – obwohl er darauf hingewiesen hatte, dass er wichtige Informationen weitergeben möchte. Er brachte eigene schriftliche Ausführungen zur Vernehmung mit und bestand darauf, dass sie ans Protokoll angeheftet werden – obwohl der ermittelnde Beamte bereits am Telefon erklärte, dass dies keine übliche Praxis sei.
Kein Rechtsrat von der Polizei
Auf Denzingers schriftliche Anfrage, wie er sich zuhause, privat unterwegs oder beim Ausüben seines Berufs schützen könne, habe der ermittelnde Beamte geantwortet, dass er keine Rechtsberatung machen und ihm deshalb keine Auskunft geben dürfe. Er würde sich damit aber auch gar nicht auskennen, und empfahl ihm schließlich, sich an den Waffen-Fachhandel oder an die Rote Hilfe zu wenden.
Vorgeber der rechten Szene
Zur rechten Szene im Rems-Murr-Kreis gehören jedoch nicht nur gewaltbereite Neonazis. „Die AfD hat ihren Schafspelz abgelegt“, sagte der Gewerkschaftssekretär der Waiblinger IG Metall André Kaufmann auf Nachfrage eines Journalisten. Immerhin sei die AfD eine Partei, die sich einen offen faschistischen Flügel gönne.
Dazu gehörten nicht nur ostdeutsche Landesverbände der AfD, sondern auch Teile der Partei in Baden-Württemberg. „Ich persönlich sehe die AfD als ideologischen Vorgeber und mitverantwortlich für den Mord an dem hessischen Politiker oder die verübten Anschläge und die Morddrohung gegen den Journalisten Alfred Denzinger“, sagte Kaufmann.
„Tote, Verkrüppelte. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen …“
Der Gewerkschaftssekretär zitierte aus einen Artikel der Wochenzeitung Kontext. Sie hatte Auszüge aus dem Chatprotokoll eines Abgeordneten-Mitarbeiters der AfD im baden-württembergischen Landtag veröffentlicht: „Wenn ich die Scheisse von Gabriel dazu schon wieder lese, weiß ich dass ich die Drecksau am liebsten abknallen würde. IRGENDWANN! Ich werde noch ausrasten… Da soll man kein Terrorist werden!!!!! Hoffen, dass es bald knallt.“ Und weiter: „Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Hauptsache es geht los. Insbesondere würde ich laut lachen, wenn sowas auf der Gegendemo passieren würde. Tote, Verkrüppelte. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!“
Kaufmann hofft, dass sich noch viel mehr Menschen an Protesten gegen Rechts beteiligen. Er sei sehr froh, dass Journalisten wie Alfred Denzinger den Anschlägen und Bedrohungen von Rechts trotzten und sich nicht einschüchtern ließen.
Rechte Terrorstrukturen sind Realität
Rechtsterroristen bereiteten Anschläge vor und übten sie aus, um den Widerstand gegen Rechts zu schwächen, sagte Neumann. Der Widerstand gegen Rechts solle eingeschüchtert und letztendlich zerschlagen werden, um eine faschistische Diktatur errichten zu können. Für Neumann steht fest: „Faschistische Terrorstrukturen wie der NSU, COMBAT 18, Oldschool Society, Gruppe Freital oder Revolution Chemnitz sind Realität in Deutschland.“
Betroffene nicht allein lassen
Nach Auffassung des ZGR gehört es zum politischen Kampf gegen rechten Terrorismus, ihn als solchen zu benennen, ihn einzuordnen, seine Ursachen, Hintermänner und Verstrickungen aufzudecken. Nötig sei auch, politische Orientierung zu geben und praktische Angebote für ein breites Publikum zu machen. Vor allem aber, Betroffene nicht allein zu lassen und gemeinsam mit ihnen nach Lösungen und Antworten zu suchen.
Siehe auch „Von „Schwarzen Listen“ und „Versagern““
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