Hamburg. Hat ein „Bild“-Redakteur das Hamburger Landgericht belogen? Die Rechtsanwaltskanzlei, die den kamerunischen Flüchtling Alassa M. vertritt, hat wegen dieses Verdachts Strafanzeige erstattet. Der Redakteur hatte gegenüber dem Gericht geltend gemacht, vom Stuttgarter Innenministerium die Auskunft erhalten zu haben, das Einreiseverbot gegen den Flüchtling Alassa M. aus Kamerun habe zum Zeitpunkt von dessen Wiedereinreise noch bestanden. Das Gericht hat daraufhin einen Antrag auf einstweilige Verfügung abgewiesen. Auf Nachfrage der Anwaltskanzlei, bestritt das Innenministerium Baden-Württemberg jedoch energisch, „Bild“ eine solche Auskunft erteilt zu haben.
Der Pressesprecher habe mit dem Redakteur, von dem die eidesstattliche Versicherung stammt, überhaupt nicht gesprochen. Inzwischen hat der Deutsche Presserat auch einen Artikel von „Bild“-Online vom 8. Januar gerügt.
Im Januar hatte eine Kanzlei aus Gelsenkirchen bei dem Gericht erfolglos eine einstweilige Verfügung beantragt. Es ging unter anderem um die Behauptung in einem „Bild“-Artikel vom 4. Januar, der Geflüchtete Alassa M. sei nach seiner Abschiebung aus Ellwangen nach Italien im Dezember 2018 „entgegen einem bestehenden Einreiseverbot“ wieder nach Deutschland eingereist und habe sich dadurch strafbar gemacht. Tatsächlich war dieses Einreiseverbot auf sechs Monate befristet und zum Zeitpunkt der Wiedereinreise am 21. Dezember 2018 abgelaufen.
Im Prozess legte „Bild“ die eidesstattliche Versicherung eines der für den Artikel verantwortlichen Redakteure vor, wonach ihm ein Pressesprecher des Innenministeriums Baden-Württemberg in einem Telefonat mitgeteilt habe, das Einreiseverbot gegen Alassa M. habe zum Zeitpunkt von dessen Wiedereinreise noch bestanden. Das Landgericht Hamburg wies daraufhin den Unterlassungsantrag mit der Begründung ab, „Bild“ habe sich ja auf die entsprechende Auskunft des Innenministeriums verlassen können.
Womöglich falsche Versicherung an Eides statt
Das Innenministerium Baden-Württemberg bestritt jedoch auf Nachfrage der Kanzlei mit Schreiben vom 28. Mai, eine solche Auskunft erteilt zu haben. Zudem habe der Pressesprecher mit dem Redakteur, von dem die eidesstattliche Versicherung stammt, überhaupt nicht gesprochen.
„Sollte diese Darstellung des Ministeriums zutreffen, so begründet sie gegen den BILD -Redakteur zumindest den Anfangsverdacht einer falschen Versicherung an Eides statt, strafbar nach § 156 StGB. Unsere Kanzlei hat daher bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart Strafanzeige erstattet“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Ordnungsgeld gegen Herausgeberin
Das Landgericht Köln verhängte im April auch ein Ordnungsgeld gegen die Herausgeberin des „Deutschland Kurier“. Es verbot dem Blatt, den kamerunischen Flüchtling Alassa M. als „Asylbetrüger“ und „Randalierer“ zu bezeichnen und zu behaupten, er sei „einer der Rädelsführer der Randalierer von Ellwangen“ gewesen.
Da die „Conservare Communication GmbH“ als Herausgeberin des „Deutschland Kurier“ den Hetzartikel trotzdem nicht löschte, verhängte das Gericht auf Antrag der Kanzlei gegen den „Deutschland Kurier“ wegen Zuwiderhandlung gegen den Gerichtsbeschluss ein Ordnungsgeld von 750 Euro. Der Hetzartikel steht jetzt nicht mehr im Netz.
Presserat rügte „Bild“-Online
Der Deutschen Presserat gab am 5. Juli auch einstimmig einer Beschwerde von Alassa M. gegen „Bild“-Online statt. Die Berichterstattung verletze Ziffer 2 des Pressekodex, der Sorgfalt bei der Recherche verlangt. Es ging um einen Artikel vom 8. Januar mit der Überschrift „So einfach kam ich zurück nach Deutschland“ über den sogenannten „SkandalAsylbewerber“.
Dort hieß es unter anderem: „Ende April 2018 zettelte er mit anderen in einer Flüchtlingseinrichtung in Ellwangen (Baden-Württemberg) einen Aufstand an, um die Abschiebung eines Togolesen zu verhindern.“ Dies ist nach Angaben der Kanzlei, die Alassa M. vertritt, unwahr.
Regelrechte Hetzkampagne
Gegen Alassa M., einen Repräsentanten der demokratischen Selbstorganisation der Geflüchteten, sei Anfang 2019 eine bundesweite rassistische Hetzkampagne losgetreten worden, so die Kanzlei – insbesondere in der „Bild“-Zeitung. Er sei als Krimineller, Rädelsführer gewalttätiger Flüchtlingsrandale, Schmarotzer und schwarzer Invasor verunglimpft und diskriminiert worden bis hin zur Forderung des AfD-Bundestagsabgeordneten Thomas Seitz, für ihn und seinesgleichen die Todesstrafe einzuführen.
Siehe auch
„Kanzlei kündigt Strafanzeige an“
„Alassa Mfouapon ist zurück„
„Polizisten und bewaffnete Spezialkräfte stürmen Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge“
„Protest gegen Kriminalisierung“
„Klage gegen Polizeieinsatz„
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