Von Paul Linker – Stuttgart. Wegen einer Demonstration kurdischer AktivistInnen im März dieses Jahres in der Stuttgarter Innenstadt erhielt ein deutscher Teilnehmer am Samstag, 20. Juli, einen Strafbefehl des Amtsgerichts über 600 Euro. Ihm wird das Tragen eines Mundschutzes vorgeworfen. Auch soll er eine dunkle Wollmütze und eine Sonnebrille aufgehabt haben. Der Demonstrant hat Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt.
In der Stuttgarter Innenstadt gab es am 16. März 2019 eine Demonstration kurdischer AktivistInnen. Die DemonstrantInnen forderten Freiheit für Abdullah Öcalan und eine Aufhebung seiner unmenschlichen Isolations-Haftbedingungen auf der türkischen Insel Imrali, auf der er seit 20 Jahren eingesperrt ist. Solidarität mit den Hungerstreikenden in der Türkei wurde ebenfalls im Lauf der Demonstration lautstark eingefordert.
Um ein klares Zeichen der Ablehnung dieser mit äußerster Repression gegen alle politischen Gefangenen in der Türkei verbundenen Bedingungen zu setzen, trug eine Vielzahl der TeilnehmerInnen einen Mundschutz. So gingen nach Beendigung der Demonstration auf dem Wilhelmsplatz Einsatzkräfte der Polizei auf die Jagd nach angeblich vermummten DemonstrantInnen.
Nun erhielt ein deutscher Aktivist einen Strafbefehl wegen dieser Demonstration. Ihm wird ebenfalls das Tragen eines Mundschutzes vorgeworfen. Weiterhin soll er eine dunkle Wollmütze und eine Sonnebrille aufgehabt haben. Diese staatsgefährdenden Kleidungsuntensilien sollen laut Amtsgericht Stuttgart der Staatskasse 600 Euro einbringen. Dagegen hat der Aktivist Einspruch eingelegt und wartet nun auf den Strafprozess.
Kommentar von Paul Linker: Absurde Beschuldigungen
Eine dunkle Wollmütze und eine Sonnenbrille an einem sonnigen, aber kalten Tag im März ergeben offenbar in Stuttgart eine sehr ungewöhnliche Erscheinung, vor allem wenn sie auf einer Demonstration getragen werden. Bei konsequenter Anwendung der bevorstehenden neuen Polizei-Aufgaben-Gesetze sollte zukünftig auch der durchschnittliche rechtstreue Bürger gewarnt sein, im Winter eine Wollmütze oder gar eine Sonnenbrille zum Schutz vor der gleißenden Wintersonne zu tragen. Er könnte ganz schnell in den Verdacht kommen, ein Gefährder zu sein.
Auch empfiehlt es sich zukünftig zum Beispiel am Neckartor, lieber die gesunde Luft einzuatmen, als sich mit einem Mundschutz vor den mannigfaltigen Giftstoffen eben dieser Luft zu schützen.
Als trauriges, aber in Zeiten der zunehmenden Krisen des Kapitalismus nicht überraschendes Fazit, gilt auch hier: Während in der Bundesrepublik Rassisten und Faschisten immer öfter mit der Schusswaffe in der Hand nahezu ungehindert von staatlichen Behörden Jagd auf Menschen mit einer anderen politischen Meinung oder der „falschen“ Hautfarbe machen oder gar „Todeslisten“ erstellen, werden linke und migrantische AktivistInnen mit absurden Beschuldigungen kriminalisiert.
Offenbar gilt die alte, schon in der Weimarer Republik praktizierte Devise der Blindheit auf dem rechten Auge. Gleichzeitig sollen linke soziale Bewegungen klein gehalten und mit zunehmenden Repressionen von weiteren berechtigten Protesten gegen die vielfältigen Probleme des kapitalistischen Gesellschaftssystems abgehalten und eingeschüchtert werden.
Genau dies darf aber nicht passieren! Dafür ist Solidarität in linken Kreisen unbedingt erforderlich, um gegen die zunehmenden Angriffe von faschistischen Strukturen und den zunehmend reaktionär agierenden bürgerlichen Parteien auf der Straße weiter entschlossen Widerstand leisten zu können. Lassen wir uns nicht unsere freie Meinung verbieten!
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