Von unseren ReporterInnen – Backnang. Der Busfahrer Dmitrij M. wurde am Montag, 26. August, vom Amtsgericht Backnang zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten für zwei Jahre auf Bewährung und zu einer Geldbuße von 600 Euro verurteilt. Grund waren Körperverletzung, Sachbeschädigung und Verletzung der Persönlichkeitsrechte eines Fahrgastes nigerianischer Herkunft. Das Gericht erkannte aber keinen rassistischen Hintergrund.
Die Richterin Bender sah es als erwiesen an, dass Dmitrij M. am 3. Januar 2019 als Fahrer der Buslinie 455 in Erbstetten einen Fahrgast nigerianischer Herkunft mit den Fäusten ins Gesicht geschlagen und ihn auch getreten hat, nachdem er zu Boden gegangen war (siehe „Busunternehmen soll sich distanzieren„). Die Richterin ging im Unterschied zum Staatsanwalt auch davon aus, dass Dmitrij M., das Handy des Fahrgastes aus dem Bus geworfen hat. Des weiteren habe Dmitrij M. erniedrigende Fotos von seinem am Boden liegenden Opfer gemacht.
Ein Polizist hatte diese Fotos zufällig auf dem Handy von Dmitrij M. entdeckt, als dieser auf der Wache auch den Polizisten fotografierte. Die Behauptung des Angeklagten, er habe sich nur verteidigt, wies die Richterin als unglaubwürdig zurück, da er sie erstmals in der Gerichtsverhandlung vorbrachte und im Gegensatz zu seinem Opfer nicht die geringste Verletzung davontrug. Zeugenaussagen, ein Video und die selbst angefertigten Fotos bewiesen den Tatvorwurf.
In der Verhandlung betonte Dmitrij M. immer wieder: „Wir haben Regeln, die gelten für alle.“ Er habe nur die Regeln durchsetzen wollen. Schon das Mitführen einer Pizza im Karton belästige andere Fahrgäste – wegen des Geruchs. Es spiele keine Rolle, dass in Erbstetten, wo der junge Mann mit der Pizza einstieg, keine weiteren Fahrgäste im Bus waren. Am Bahnhof Backnang, der Endhaltestelle, würden immer Leute zusteigen. Daher habe er die Mitfahrt untersagt. Der Staatsanwalt hatte sich nicht die Mühe gemacht, in die Beförderungsbedingungen zu schauen. Er vermutete aber, der bloße Transport einer Pizza sei dort wohl kaum untersagt.
Ein Nazi-Fan der nicht rassistisch sein will
Als der junge Mann keine Anstalten machte, den Bus zu verlassen, versuchte Dmitrij M. den Fahrgast selbst aus dem Bus zu werfen. „Scheiß-Neger, verpiss dich aus meinem Bus und nimm Deinen Fraß mit“ soll Dmitrij M. laut der Aussage eines Zeugen gebrüllt haben. Als der bedrohte Fahrgast die Polizei anrufen wollte, entriss Dmitrij M. ihm das Handy und warf es aus dem Bus – die Sachbeschädigung. Weil der junge Mann als Berufspendler nachweislich eine Dauerfahrkarte (Polygokarte) hatte und vor Gericht im Detail schilderte, wie er diese vorzeigte, war Dmitrij M. auch mit seiner Behauptung, sein Opfer habe keinen Fahrausweis gezeigt, nicht glaubwürdig.
Dmitrij M. bestritt nicht, den Fahrgast als „Scheiß-Neger“ beschimpft zu haben. Rassistisch sei er aber auf keinen Fall. Einen ausländer- oder fremdenfeindlichen Hintergrund sah auch die Richterin nicht. Dmitrij M. sei ja als Spätaussiedler schließlich selbst Ausländer. Im Januar hatte die Polizei noch versichert, einen möglicherweise rassistischen Hintergrund prüfen zu wollen. Das hat sie offensichtlich nicht getan. Eine kurze Recherche in den sozialen Medien hätte genügt.
Anfang August diesen Jahres war das Facebook-Profil von Dmitrij M. noch öffentlich sichtbar. Ihm gefallen demnach Völkische, Rassisten und Nazis. Parteien wie AfD, FPÖ, NPD und Republikaner; außerdem Politiker wie der NPD-Vorsitzende Frank Franz und auffällige AfD-Politiker wie Harald Laatsch und Thomas de Jesus Fernandes; Hetz-Gruppen wie „Keine weiteren Asylantenheime in Deutschland“, „1 Millionen Menschen die Angela Merkel Scheiße finden“ oder „Merkel muss weg“.
Einschlägige Vorlieben des Schlägers – Quelle: screenshots Facebook
Diese Aufzählung ist nicht vollständig. Einige Kommentare waren auch Ende August im Web noch sichtbar: Angela Merkel ist für Dmitrij M. eine „Blöde Kuh“ (vor 3 Jahren auf Facebook) oder „Drecksau“ und „Deutschlands Untergang“ (vor einem Jahr auf Facebook). Gegen andere hetzt er mit den Worten „Verschwinde schnell du Araber und Neger Freundin!!!!“ (siehe Screenshot oben).
Der AfD-Slogan „Unser Land, unsere Regeln“ schimmert durch, wenn Dmitrij M immer wieder betont, alle müssten sich an die – von ihm erfundenen – Regeln halten. Als er am 3. Januar 2019 einem selbstbewussten jungen Mann aus Nigeria begegnete, der es auch noch wagt, seine Provokationen („Mit Pizza geht gar nix“) zu ignorieren, flippte er aus. In einem Gewaltexzess prügelte er auf den anscheinend nicht-deutschen Regelverletzer ein, bis er vor ihm zusammenbrach.
Den „Scheiß-Neger“ zusammengeprügelt
Dann trat er mit den Füßen. Die Gewaltorgie endete erst, als ein couragierter Anwohner eingriff. Dmitrij M. fotografierte sein blutendes, hilflos am Boden liegendes Opfer wie ein erlegtes Wild. Für „Bekannte“, wie er sagte. Mit der Ablichtung eines Polizisten meinte er sich vor Strafverfolgung schützen zu können. Rassistische Hetze in der virtuellen Welt des Internet und rassistische Gewalt in der Wirklichkeit verbanden sich bei Dmitrij M. zu einem wahnhaften, gefährlichen Realitätsverlust.
Dmitrij M. ist noch als Fahrer für Omnibus Müller (FMO) unterwegs. Diese Firma hat ihm rechtzeitig zu seinem Prozess in einem Zwischenzeugnis mit besten Bewertungen auch Freundlichkeit und Ausgeglichenheit bescheinigt. FMO gehört zum DB Konzern. Auftraggeberin von FMO im Rems-Murr-Kreis ist das Landratsamt in Waiblingen.
Bei dem jungen Mann aus Nigeria hat sich niemand entschuldigt.
Nach dem Prozess trafen sich einige Anti-FaschistInnen am Busbahnhof und forderten mit einem eilig gefertigten Banner den Einsatz von „Busfahrer*innen“ statt rassistischen Schlägertypen“. Wartende Fahrgäste und BusfahrerInnen zeigten großes Interesse und konnten kaum glauben, dass Dmitrij M. immer noch als Busfahrer im Einsatz ist.
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