Von Alfred Denzinger – Fellbach. Der DGB-Ortsverband Fellbach lud am Freitag, 30. August, zu seiner traditionellen Antikriegstagsveranstaltung am Friedensbaum in Fellbach ein. 170 friedensinteressierte Menschen folgten der Einladung – mehr als doppelt so viele wie im letzten Jahr (wir berichteten). Erstmals trat der Freie Chor Stuttgart in Fellbach auf. Im Anschluss an die Friedenskundgebung gab es eine ausdrucksstarke Demonstration durch die Innenstadt. Der beteiligte „Rheinmetall entwaffnen-Block“ zerstörte am Marktplatz symbolisch einen Panzer. Am Abend sprach der Politikwissenschaftler Prof. Frank Deppe bei der Arbeiterwohlfahrt. Sein Thema: „Was lehrt uns die Geschichte über Ursachen und Triebkräfte von Krieg und Faschismus?“.
Der DGB-Vorsitzende von Fellbach Dieter Keller eröffnete die Gedenkveranstaltung am Friedensbaum und begrüßte die Gäste. Die Mahn- und Gedenkrede hielt der DGB-Regionssekretär Jörg Munder.
Von einer Verteidigungs- zur Angriffsarmee
Keller sprach über den Wandel der Bundeswehr von einer Verteidigungs- zur Angriffsarmee. Er begründete dies mit der aktiven deutschen Beteiligung am „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien“ im Jahr 1999. Dieser Krieg stelle eine Zäsur in der Außenpolitik der Bundesrepublik und der Bundeswehr dar. Bis dahin sei sie Verteidigungsarmee gewesen, jetzt sei sie eine Angriffsarmee. Danach sei es dann „Schlag auf Schlag“ gegangen – es folgte „Afghanistan, Irak, Libyen, Pakistan, Syrien …“. Es habe ungezählte unschuldige Opfer in der Zivilbevölkerung gegeben. „Deutsche Waffen, deutsches Geld und deutsche Soldaten morden mit in der Welt“, hob Keller hervor.
Die „neue Mehrzweckwaffe der Bundeswehr – AKK – hat als erste Amtshandlung ein deutliches Bekenntnis“ zur Erhöhung der Militärausgaben abgelegt, prangerte Keller an. Es gehe dabei um den größten Militärhaushalt der deutschen Geschichte. Er sprach vom „militärischen Größenwahn“, der sich in unser Leben hineinfresse. Dagegen gelte es aufzustehen. Der DGB sei für gebührenfreie Kindertagesstätten statt für Panzer, „für Bildung statt Bomben, für Abrüstung statt Aufrüstung, für die Beendigung der Kriege“.
DGB solidarisch mit dem Herausgeber der BN
Keller betonte, dass der DGB Faschismus und Krieg entschieden bekämpfe und dabei mit „allen friedlichen, demokratischen und antifaschistischen Kräften“ zusammenarbeite. Der Deutsche Gewerkschaftsbund heiße Flüchtlinge willkommen und helfe bei deren Integration. Die Terroristen von Rechts betrieben hingegen „Rassismus, Volksverhetzung“ und führten Todeslisten. Sie schreckten selbst vor Morden und Morddrohungen nicht zurück. Mit Blick auf die Morddrohung gegen den Chefredakteurs der Beobachter News (siehe hierzu „Morddrohung gegen Chefredakteur„) erklärte Keller, „wir verurteilen mit aller Entschiedenheit diese abscheuliche Morddrohung. Wir fordern von den zuständigen Organen lückenlose Aufklärung, Verfolgung und Bestrafung des Täters oder der Täter“. Keller versicherte im Namen des DGB die volle Solidarität mit dem Herausgeber der Beobachter News. Die vollständige Rede von Dieter Keller kann im Video angehört werden.
Der DGB-Regionssekretär Jörg Munder sagte, der diesjährige Antikriegstag erinnere an den faschistischen Überfall von Nazi-Deutschland auf Polen vor 80 Jahren und damit an den Beginn des zweiten Weltkriegs. Es werde gerne eingewandt, dass die Situationen von „gestern und heute“ nicht vergleichbar wären. Wenn auch die politische Landschaft eine andere gewesen sei, so seien die politischen Vorzeichen dennoch gleich: „Den Boden bereiten mit Aufrüstung, eine revisionistische Umdeutung der Geschichte, mediale Empörung gegen andere Länder, Erzeugung von wirtschaftlicher Abhängigkeit, Ignoranz von Selbstbestimmungsrechten“.
„Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“
Munder erklärte, man sei „in Deutschland und in Europa einer Kriegsgefahr näher gekommen wie schon lange nicht“. Der „Kampf gegen Faschismus, gegen nationalistische Kriegstreiberei und besinnungsloses Wettrüsten“ brauche einen langen Atem. „Wir fordern alle Menschen, die gegen Kriege sind, zu gemeinsamem Handeln heraus“, so Munder. Weiter warnte er vor der Gefahr, die von Neonazis ausgehe. Er beendete seine Rede mit den Worten: „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus, umfassende Abrüstung jetzt und weg mit der 2 Prozent-Zielvorgabe der Nato“. Munders kompletter Redebeitrag kann hier angehört werden.
Die musikalische Umrahmung übernahm der Freie Chor Stuttgart.
Panzer von der Straße gefegt
Im Anschluss an die Gedenkkundgebung formierte sich ein Demonstrationszug, der sich seinen Weg durch die Innenstadt bahnte. Der beteiligte „Rheinmetall entwaffnen-Block“ platzierte sich mit rund 40 Leuten. Mit lauten Parolen wie „Rhein Metall und deutsche Bank, der Hauptfeind steht im eignen Land“ oder „Hoch die internationale Solidarität“ wurde die Demo belebt. Am Marktplatz wurde symbolisch ein „Panzer“ zerstört. In einer Sprinteinlage und mit pyrotechnischer Untermalung wurde der Papp-Panzer von der Straße gefegt.
Was lehrt uns die Geschichte?
Am Abend sprach der Politikwissenschaftler Prof. Frank Deppe bei der Arbeiterwohlfahrt. Sein Thema: „Was lehrt uns die Geschichte über Ursachen und Triebkräfte von Krieg und Faschismus?“. Im Anschluss an Deppes Vortrag diskutierten die TeilnehmerInnen noch rege mit dem Wissenschaftler. Eine Videoaufzeichnung des Vortrags und der Diskussion gibt es hier.
Wieder mal stellt sich die Frage: „Nur ein Narr“?
Am Rand der Friedenskundgebung versuchte der nicht ganz unbekannte – aber doch politisch unbedeutende – Rechtsradikale Michael Stecher, gegen die Versammlung des DGB zu „protestieren“. Seinem Aufruf zum Protest folgte 1 (ein) Vertreter des „Volkes“.
Als der „Rheinmetall entwaffnen-Block“ auf dem Kundgebungsplatz eintraf, erhielt Stecher von den jungen AntifaschistInnen einen eindeutigen „Platzverweis„. Verwirrt redend zog er sich mit seinem „Volk“ auf eine größere Distanz zurück. Warum die Polizei ein derartiges „Schauspiel“ durch ihren Schutz für diesen Rassisten und Hetzer ermöglicht und durchsetzt, wird ihr Geheimnis bleiben. Der Hinweis auf das Versammlungsrecht verfängt in diesem Fall nicht, da nach einschlägiger Rechtsauffassung eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes eine Mindestteilnehmerzahl von drei Personen vorsieht. Für den Schutzbereich des Artikels 8 im Grundgesetz gilt jedenfalls: Eine Versammlung besteht aus mindestens drei Personen.
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Nachstehend dokumentieren wir den Redebeitrag, der aus dem „Rheinmetall entwaffnen-Block“ auf der Demo gehalten wurde:
„Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,
wir sind heute auf der Straße, weil wir anlässlich des 80. Jahrestages des faschistischen Überfalls auf Polen für eine Sache einstehen wollen: „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“. Faschismus bedeutet stets Krieg, das hat uns die Geschichte bereits gelehrt. Aber warum gibt es heute noch Krieg, wenn wir offensichtlich nicht im Faschismus leben? Dazu müssen wir wissen, dass der Faschismus eine Herrschaftsform im Kapitalismus ist und ihn in schrecklichster Form repräsentiert. Wenn Faschismus und Krieg unmittelbar zusammenhängen, dann heißt dass auch, dass Krieg und Kapitalismus nicht voneinander zu trennen sind.
Eine andere Form des Kapitalismus ist der Imperialismus. Er kennzeichnet sich dadurch aus, dass sich in den kapitalistischen Zentren Wirtschaftsmonopole gebildet haben, die durch ihre wirtschaftliche Macht entscheidend die Außenpolitik ihrer Staaten prägen, beispielsweise durch Bestechung, Coups und Embargos. Die von ihnen kontrollierten Staaten unterwerfen sich den Rest des Globus, um den monopolistischen Konzernen Absatzmärkte, Rohstoffquellen und Arbeitskräfte zu erschließen. Gelingt das nicht mit vertraglichen Mitteln, Erpressung oder Bestechung, wird Krieg geführt. Diese Kriege werden oft als „humanitäre Einsätze“ getarnt, obwohl in Wahrheit die ökonomischen und geostrategischen Interessen durchgesetzt werden sollen.
In Palästina und dem gesamten Nahen Osten versucht Israel als Stellvertreter der USA ihre geostrategische Stellung auszubauen. Der jüngste Angriff auf das Staatsgebiet des Libanon zeigt hierbei dass sie vor keiner Eskalation mehr zurückschrecken. Saudi-Arabien führt, um mehr Einfluss und Land zu gewinnen, einen blutigen Krieg im Jemen, indem bereits unzählige ZivilistInnen ermordet wurden. Auch die europäischen Staaten setzen ihre Traditionen als koloniale Ausbeuter überall auf der Welt fort. So riskiert der NATO-Block in der Straße von Hormus unter dem Vorwand des Schutzes von freien Handelsrouten einen dritten Weltkrieg, in dem sie wie vor über hundert Jahren die Säbel rasseln lassen und bspw. Das Existenzrecht des Irans in Frage stellen.
All diese Kriege bedingen sich durch die Wirtschaftsinteressen der Großmonopole und ihrer Staaten. Auch die hießige Rüstungsindustrie verdient sich durch solche imperialistische Kriege eine goldene Nase. Solange das Geld stimmt, werden mit der expliziten Erlaubnis und Förderung der Bundesregierung Kriegswaffen exportiert. Alleine im ersten Halbjahr 2019 exportierte die BRD bereits 5,3 Mrd. an Rüstungsgütern. Diese Summe übersteigt bereits mehr als den gesamten Export im gesamten Vorjahr.
Einer dieser Kriegsprofiteure ist der Rüstungskonzern Rheinmetall, der seine Waffen in immer mehr Krisenregionen auf der ganzen Welt verschifft. Damit setzt er seine Tradition als Kriegslieferant aus dem zweiten Weltkrieg fort. Als Zulieferer produziert Rheinmetall die Rohre für Panzer und weiteres Kriegsgerät, mit denen die Interessen der Herrschenden auf der ganzen Welt durchgesetzt werden. Unsere heimische Rüstungsindustrie befeuert zusätzlich zu den bereits bestehenden 16 Kriegseinsätzen der BRD Krisen auf der ganzen Welt. Kurzum: Krieg beginnt hier.
Diese Verhältnisse, liebe Antimilitaristen und Antimilitaristinnen, diese Verhältnisse sind für uns nicht hinnehmbar. Unser Auftrag muss es sein, jetzt die bestehenden Verhältnisse anzugreifen. Was müssen wir dafür tun? Wir müssen die abscheulichen Verbrechen des BRD-Imperialismus schonungslos aufdecken und anprangern. Wir müssen das Kriegsgeschäft bekämpfen, in dem wir Sand in die Räder der Kriegsproduktion streuen. Wir müssen internationale Solidarität mit fortschrittlichen Bewegungen aufbauen, wie zum Beispiel der Frauenrevolution in Rojava.
Wie können wir all das lernen? Es gibt nächste Woche ein Camp vor den Toren einem der größten Produktions- und Teststandorte Rheinmetalls in Unterlüß bei Braunschweig. Dort könnt ihr eure theoretischen Grundlagen festigen, Praxis im Rahmen von antimilitaristischen Aktionen erlernen und am letzten Tag des Camps mit einer großen Demonstration auf unsere Bewegung und unser Anliegen aufmerksam machen.
Lasst uns gemeinsam eine revolutionäre, antimilitaristische Bewegung aufbauen! Lasst uns heute auf der Straße eins klar machen: Rheinmetall und Deutsche Bank – Der Hauptfeind steht im eig‘nen Land!“
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