Von Sahra Barkini – Stuttgart. Helmut Ortner stellte sein Buch „Exit: Warum wir weniger Religion brauchen – eine Abrechnung“ im Alten Feuerwehrhaus in Stuttgart-Heslach vor. Zu der Veranstaltung hatte die gbs (Giordano Bruno Stiftung) Stuttgart eingeladen. Zirka 30 Interessierte fanden sich ein. Ortners Thesen wurden lebhaft diskutiert.
Ortner befasst sich in seinem Buch mit der Frage, wie säkular Deutschland ist und warum überhaupt Religionen noch immer eine so große Rolle im Staat spielen. Denn die größte Gruppe bildeten die Konfessionslosen. Für Ortner ist es unverständlich, dass diese 40 Prozent nicht längst auf die Barrikaden gingen.
Eklatanter Verstoß gegen das staatliche Neutralitätsgebot
Deutlich werde: Die großen Konfessionen verlieren stetig an Mitgliedern und Vertrauen. Dennoch genießen sie nach wie vor eine Vielzahl von Privilegien, die eklatant gegen das staatliche Neutralitätsgebot verstoßen. Die Trennung von Kirche und Staat findet nicht statt, weder in der Gesetzgebung, noch in der Fiskalpolitik, noch in der Medienpolitik. Also lebe man nur augenscheinlich in einem säkularen Staat, so Ortner, der gottlos sein müsse, dies aber nicht sei.
So finanziere Deutschland zahlreiche Kirchenaktivitäten wie beispielsweise Kirchentage oder das Lutherjahr. Die Kirchensteuer einzuziehen, sei ebenfalls Sache des Staates. Ortner kritisiert, dass die beiden Großkirchen weiterhin Sonderrechte genössen. Sie seien quasi ein Staat im Staat. Diese Privilegien müssten allen Religionen zu Teil werden oder ganz abgeschafft werden.
Laut Ortner sind weder Schulen noch die Justiz oder der öffentliche Rundfunk säkular. In manchen Gerichtssäalen hängen Kruzifixe, ARD und ZDF senden Gottesdienste, in den Sendeanstalten gebe es außerdem Kirchenredaktionen, und der Religionsunterricht sei als einziger Schulunterricht im Grundgesetz verankert.
In seinem Buch schreibt Ortner, ein überwiegend christliches Kabinett habe auch im Jahr 2018 wieder den Amtseid mit den Worten „So wahr mir Gott helfe“ beendet. Ortner weiter: Niemand wolle in Frage stellen, dass die heutige Demokratie unbestreitbar auf einem Menschenbild gründet, das viel mit dem Christentum zu tun hat. Aber die Geschichte zeige, dass die christlichen Kirchen nicht unbedingt TrägerInnen der Demokratie waren – und sind. Was heute Staat und Staatsbürger ausmacht, sei gegen die christlichen Kirchen erkämpft worden.
„Das Grundgesetz sollte gottlos sein“
Ob im Gerichtssaal oder im Klassenzimmer: Es gehe nicht um die Austreibung Gottes aus der Welt. Glaubens- und Religionsfreiheit sei Menschenrecht. Im Gegenteil: Demokratische Staaten garantierten religiösen Gruppen, Gemeinschaften oder Kirchen, dass sie frei agieren können, soweit sie nicht die Freiheiten anderer gefährden oder die Gesetze verletzen.
Und der Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes? Auch der dürfe gern gestrichen werden. Das Grundgesetz sollte gottlos sein, meint Ortner. Alle Bürger dürften ihren Gott, auch ihre Götter haben. Der Staat aber sei in einer modernen Grundrechtsdemokratie gottlos. Jeder habe das Recht, sich über „Monty Python“-Filme zu erregen, Mohammed-Karikaturisten zu verurteilen. Jeder habe das Recht, sich beleidigt zu fühlen. Doch das sollte er aushalten. Den Rest kläre in einem Rechtsstaat die Justiz.
Alle Fotos: Werner Koch (gbs)
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