Stuttgart. Die Gewerkschaft Verdi spricht von Zynismus: Der Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger VSZV hat eine großangelegte Anzeigen- und Imagekampagne für die Tageszeitungen seiner Mitgliedsverlage gestartet. Auf den Titelseiten der beteiligten Verlage erschien ein Text, in dem deren Chefredakteure – unter ihnen nur drei Chefredakteurinnen – den Qualitätsjournalismus beschworen. Von verlegerischer Verantwortung für eine personelle Ausstattung der Redaktionen, die qualitativ hochwertigen und unabhängigen Journalismus erst ermöglicht, war keine Rede.
„Es ist zynisch, wenn 48 Chefredakteurinnen und Chefredakteure und Lokalchefs behaupten, die beste Zeit für guten Journalismus ist jetzt, während sie gleichzeitig Redaktionen schließen, Personal abbauen und Tarifflucht begehen“, kritisiert Siegfried Heim, Leiter des Verdi-Fachbereichs Medien in Baden-Württemberg, in einer Pressemitteilung die Werbekampagne verschiedener regionaler Tageszeitungen mit einem gemeinsamen Titelblatt.
Als jüngste Beispiele für Gefährdung von Qualitätsjournalismus nennt Heim den angekündigten Abbau von mehr als 40 Stellen in der Gemeinschaftsredaktion von „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“ sowie die Schließung der Mantelredaktion der Mittelbadischen Presse in Offenburg, die künftig ihren überregionalen Teil aus Stuttgart bezieht.
Mit Blick auf einen medienpolitischen Kongress der Landesregierung wies Heim außerdem darauf hin, dass die meisten der Unterzeichnenden Zeitungstitel vertreten, die lediglich Tochterunternehmen der großen Zeitungskonzerne im Land sind. „Für diese Konzerne ist die Qualität des bei ihnen gemachten Journalismus nachrangig, da sie nur an möglichst hohen Gewinnen für die Eigentümer interessiert sind“, kritisierte Heim „diese Verschleierung mangelnder journalistischer Vielfalt bei den regionalen Tageszeitungen
im Land“.
Die deutsche journalistinnen und journalisten union (dju in Verdi) kämpfe seit mehr als 15 Jahren gegen immer neue Runden von Personalabbau, Arbeitsverdichtung und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durch Tarifflucht.
„Es ist richtig, dass in Zeiten von Fake-News und Rechtsextremismus Qualitätsjournalismus für den Zusammenhalt der Gesellschaft dringend notwendig ist“, so Heim weiter. Dieser werde jedoch nicht durch eine gemeinsame Werbeaktion von leitenden Redakteurinnen und Redakteuren gefördert, sondern durch personell ausreichend ausgestattete Redaktionen, in denen Journalistinnen und Journalisten ihrem Beruf mit guten, tariflich gesicherten Arbeitsbedingungen nachgehen können.
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