Stuttgart/Ludwigsburg. Das Kulturzentrum DemoZ in Ludwigsburg verliert die Gemeinnützigkeit. Offensichtlich wirkt das Attac-Urteil auch auf kleine Vereine. Nachdem Campact die Gemeinnützigkeit mit Bezug auf das Urteil entzogen wurde, wird jetzt erstmals ein solcher Fall bekannt. Das teilen der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ und das Demokratischen Zentrums Ludwigsburg – Verein für politische und kulturelle Bildung (DemoZ) mit.
Das örtliche Finanzamt habe dem soziokulturellen Zentrum „Demokratisches Zentrum Ludwigsburg– Verein für politische und kulturelle Bildung“ (DemoZ) in Baden-Württemberg am 24. Oktober die Gemeinnützigkeit aberkannt. Das gab der Verein bei einer Pressekonferenz in Stuttgart bekannt. „Seit 40 Jahren bietet das DemoZ einen für alle Menschen offenen sozialen Treffpunkt mit zahlreichen Kultur- und Politikangeboten. Ohne den Status der Gemeinnützigkeit sind wir in unserer Existenz bedroht“, erklärte Yvonne Kratz, Vorstandsmitglied des DemoZ.
Für das kulturelle Leben in der Stadt sei ein vielfältiges, für alle zugängliches Programm entscheidend. Dazu trage das DemoZ durch sein meist kostenloses Programm bei. Der Wegfall eines solchen Zentrums sei „ein fatales Zeichen für die kulturelle und soziale Entwicklung“.
Mit Attac und Campact waren bislang nur große Vereine mit dem Vorwurf konfrontiert, zu politisch zu handeln. Das Finanzamt wirft dem DemoZ vor, dass es sich politisch positioniert, beispielsweise durch kapitalismuskritische Veranstaltungen, die im Rahmen des Programms 2017 zu den Themen „Kapitalismus – was ist das und was können wir dagegen tun?“ oder „Einführung in die Idee des Anarchismus“ stattgefunden hatten.
Zudem kritisiert das Finanzamt, dass die Angebote des DemoZ nicht der Allgemeinheit diene. Schließlich seien rechtsextreme Menschen von den Veranstaltungen ausgeschlossen: „Gegenüber dem Anspruch, der ‚Volksbildung‘ und einer offenen demokratischen Diskussion zu dienen, ist laut Text neben dem Impressum festzustellen, dass der Verein DemoZ ausdrücklich auch Personen von seinen Veranstaltungen ausschließt‘, heißt es dem Verein zufolge in einem Schreiben des Finanzamts Ludwigsburg vom 11. Juni 2019.
„Die Auffassung des Finanzamts ist rechtlich nicht haltbar“, sagte Sarah Lincoln, Juristin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die das DemoZ juristisch begleiten. Das Finanzamt habe ein viel zu enges Verständnis von politischer Bildung. Politische Bildung müsse überparteilich sein, aber nicht wertneutral: „Eine lebendige Demokratie braucht diese Räume gesellschaftspolitischer Debatten.“
Mit dem DemoZ werde erstmals die Aberkennung der Gemeinnützigkeit eines lokalen Vereins öffentlich. „Wenn andere Finanzämter das kürzlich ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs zur Gemeinnützigkeit der Nichtregierungsorganisation Attac ähnlich auslegen, können in Deutschland bald zahlreiche kleine aktive Vereine schließen, die politische Bildungsarbeit betreiben – vom Stadtteilzentrum über freie Bildungsträger bis hin zu den christlichen Pfadfindern“, befürchtet Sarah Lincoln.
Der Fall DemoZ zeige, dass es bei der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts nicht um eine Lex Attac oder Campact geht, sondern dass tausende Vereine durch die Rechtsunklarheit bedroht seien. Der Bundestag müsse Rechtssicherheit schaffen und die Lücke zwischen politischen Aufforderungen zu demokratischem Engagement und den rechtlichen Möglichkeiten für gemeinnützige Vereine schließen, fordert sagte Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“.
Der Gesetzgeber müsse erklären, was er unter politischer Bildung und unter der Förderung des demokratischen Staatswesens versteht. Er müsse die Zwecke deutlich ins Gesetz schreiben, die er für förderwürdig hält. Auch müsse er ausdrücklich erlauben, sich zur Verfolgung dieser Zwecke auch politisch einzumischen: „Nur das schafft Rechtssicherheit für demokratisches Engagement.“
Das DemoZ sei ein typisches Beispiel für die Beschränkung gemeinnütziger Arbeit. „Solche Auseinandersetzungen um die Gemeinnützigkeit beginnen weit vor einem Gerichtsverfahren und belasten die gemeinnützige Arbeit engagierter Menschen von Anfang an – oder verhindern sie sogar“, sagte Stefan Diefenbach-Trommer. Vereine wie das DemoZ seien „Keimzelle und Kitt demokratischen, an Werte orientieren Handelns“ und bräuchten für ihre gemeinnützige Arbeit Rechtssicherheit.
Zum Hintergrund:
Das Demokratische Zentrum Ludwigsburg – Verein für politische und kulturelle Bildung (DemoZ) existiert seit 1980 und ist ein selbstverwaltetes soziokulturelles Zentrum mit vielfältigen Angeboten in den Bereichen Kultur und Politik. Das Jahresbudget liegt unter 50 000 Euro und setzt sich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und staatlichen Zuschüssen zusammen. Die kulturellen Angebote des DemoZ reichen von Konzerten mit Nachwuchsbands über Kabarett- und Theaterabende und Sportgruppen bis hin zu Ausstellungen, Filmvorführungen und Lesungen. Politisch setzt sich das DemoZ unter anderem gegen Rassismus und Antisemitismus sowie für eine solidarische, gleichberechtigte und soziale Gesellschaft ein.
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