Leipzig/Göttingen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage gegen das Verbot der alternativen Medienplattform linksunten.indymedia.org am Mittwoch Abend abgewiesen. Mit Verweis darauf, dass die Klagenden nicht berechtigt seien ein entsprechendes Verfahren anzustrengen, verweigert das Gericht in Leipzig eine inhaltliche Prüfung des Verbots.
Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. fasst das Prozessgeschehen vom Mittwoch, 29. Januar, zusammen: „Um das Verbot von linksunten.indymedia.org durchsetzen zu können, hat das Innenministerium einen Verein konstruiert, der nie existierte. Nun lehnt das Bundesverwaltungsgericht eine inhaltliche Prüfung des Verbotes ab, weil nur der verbotene Verein klageberechtigt sei. Das BVG führt die Situation damit ad absurdum.“
Juristenverbände und politische Organisationen hatten das unter Innenministers Thomas de Maizière erlassene Verbot immer wieder scharf kritisiert. Die Rote Hilfe e.V. hat in den vergangenen Jahren Öffentlichkeit organisiert und Spenden für die Klagen gesammelt. Zur Deckung der bereits angefallenen Prozesskosten und für mögliche weiterer Rechtszüge, wird die Rote Hilfe nach eigenen Angaben dieses Engagement fortsetzen.
Anja Sommerfeld hierzu: „Das Verbot von linksunten.indymedia war und ist ein Angriff auf die Pressefreiheit. Dass das Bundesverwaltungsgericht der Kriminalisierung alternativer Medien keinen Riegel vorschiebt, ist ein Skandal.“
Berliner linksunten-AutorIn treibt eigene Klage gegen das Verbot weiter voran
Die/der nach eigenen Angaben „frühereR linksunten-LeserIn und AutorIn“ Detlef Georgia Schulze will eine eigene Klage gegen das Verbot weiter betreiben.
Als Gründe hierfür wird von „links-wieder-oben-auf.net“ erklärt:
„1. Das Bundesverwaltungsgericht hat gestern das Verbot von linksunten.indymedia nicht inhaltlich bestätigt, sondern eine inhaltliche Überprüfung des Verbotes verweigert.
2. Das BVerwG hat gestern keine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob in Bezug auf linksunten.indymedia bzw. den HerausgeberInnen-Kreis die – vom Bundesinnenministerium behaupteten – Verbotsgründe des Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz (Strafgesetzwiderläufigkeit; Gerichtetheit gegen die verfassungsmäßige Ordnung) vorlagen.
3. Das BVerwG hat ausschließlich geprüft (und bejaht), ob in Bezug auf den HerausgeberInnen-Kreis von linksunten.indymedia die Vereinsmerkmale des § 2 Vereinsgesetz vorlagen.
4. Damit hat das BVerwG seine langjährige Rechtsprechung bestätigt, dass gegen Vereinsverbote – im Grundsatz und mit Anspruch auf volle inhaltliche Überprüfung des Verbots – ausschließlich die Vereine selbst klagbefugt seien. Klagen dagegen Mitglieder der verbotenen Personenstruktur mit der Behauptung, die Personenstruktur sei nicht vereinsförmig organisiert, dann beschränke sich die Überprüfung auf genau diese Frage (Verein oder Nicht-Verein?). Einen Anspruch auf Überprüfung des Vorliegens der Verbotsgründe hätten gegen nur die verbotenen Vereine, aber nicht deren Mitglieder.
5. Unabhängig davon, ob diese Rechtsprechung in Bezug auf das Verhältnis zwischen Vereinen und deren Mitgliedern zutreffend ist, bleiben damit im vorliegenden Fall die Interessen und Rechte der AutorInnen und LeserInnen von dem linksunten-Verbot in der gestrigen Entscheidung völlig unberücksichtigt. Deshalb wird Detlef Georgia Schulze, einE
frühereR linksunten-LeserIn und AutorIn, eine eigene Klage gegen das Verbot weiter betreiben.
6. Schulze argumentiert: In Bezug auf die LeserInnen und AutorInnen sei nicht der – in dem heutigen Urteil allein geprüfte Artikel 9 Grundgesetz (Vereinigungsfreiheit), sondern Artikel 5 Absatz 1 und 2 Grundgesetz (Meinungsäußerungs- sowie Informationsfreiheit sowie Medienfreiheiten) die einschlägige Norm. Die LeserInnen und AutorInnen müßten das Recht haben, die Verletzung ihrer Grundrechte durch das sog. Vereinsverbot anzugreifen.
7. Bemerkenswert ist allerdings, dass Rechtsanwalt Prof. Wolfgang Roth, der Prozessvertreter der beklagten Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf den Vorwurf, das Verbot verletzte die Meinungsäußerungsfreiheit, noch deutlicher als in vorgehenden Schriftsätzen sagte: „Niemand – weder Ihre Mandanten noch andere – ist gehindert wieder so eine Seite einzurichten, wenn es nicht gerade eine Fortsetzung der verbotenen Vereinsaktivitäten ist.“
Daher ruft Schulze dazu auf, eine politische Diskussion über die Schaffung einer neuen HerausgeberInnen-Struktur von
linksunten.indymedia zu beginnen. Dabei wird zu diskutieren sein, wie ohne politischen Opportunismus vermieden werden kann, als Ersatzorganisation klassifiziert zu werden.
Hier kann unsere bisherige Berichterstattung zum linksunten-Verbot nachgelesen werden.
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