Von Sahra Barkini – Stuttgart. Auf dem Stuttgarter Schlossplatz versammelten sich am Dienstag, 3. März, circa 450 Menschen, um sich mit den Geflüchteten an der türkisch/griechischen Grenze zu solidarisieren. Aufgerufen hatten das OTKM (Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart) und die Seebrücke Stuttgart.
„Grenzen auf, Leben retten! Gegen die tödliche Abschottung der EU“ – unter diesem Motto kamen die Menschen am Dienstagabend in Stuttgart zusammen. Grund dieser Kundgebung: Der türkische Staatspräsident Erdoğan hatte am vergangenen Wochenende verkündet, die Grenzen zur EU seien offen. So versuchte er die EU zu einem militärischen Eingreifen in Idlib zu zwingen. Geflüchtete, die bis dato in der Türkei lebten, machen sich auf den Weg Richtung Griechenland. Doch dort erwarten sie keine offenen Grenzen, sondern Frontex, die griechische Polizei und Armee. Sie feuern mit Tränengaskartuschen auf die Menschen, darunter viele Kinder.
Pogromartige Zustände auf Lesbos
Flüchtlinge, die versuchen, übers Wasser das vermeintlich sichere Griechenland zu erreichen, werden daran gehindert. Auch vor Schüssen auf Boote wird kein Halt gemacht. Griechische Faschisten der Partei „Goldene Morgenröte“ prügeln auf die Fliehenden und Journalisten ein. Ein deutscher Journalist spricht von pogromartigen Zuständen auf der Insel Lesbos.
Die KundgebungsteilnehmerInnen in Stuttgart wollen nicht tatenlos zuschauen. Sie fordern von der Politik Hilfe und die Aufnahme der Geflüchteten. Auf Transparenten war zu lesen „Grenzen auf statt Schießbefehl“, „Kriegstreiber stoppen“, „die EU ist kein Friedensprojekt, die EU tötet“, „Asyl ist Menschenrecht“ oder auch „Wo ist eure Menschlichkeit“.
Angepöbelt, bedroht und gejagt
Die RednerInnen waren sich einig: Solange Waffen exportiert werden, müssen Menschen fliehen. Die EU darf Griechenland mit den Fliehenden nicht allein lassen, man dürfe nicht wegschauen, was vor den Grenzen Europas geschieht. Eine Antifaschistin ging in ihrer Rede auf die Situation in Griechenland ein, Boote werden vom Kai zurückgestoßen, es werden Barrikaden vor Flüchtlingscamps errichtet, NGOs, JournalistInnen, solidarische BewohnerInnen werden angepöbelt, bedroht und gejagt – das ist die aktuelle Situation auf Lesbos. Sie sagte: „Diese Handlungen haben Akteure, Täter, und das sind eben nicht überforderte und mit der Situation im Stich gelassene BewohnerInnen, es sind Faschisten, die die Situation nutzen und sie befeuern.“ Das sei aber kein allein griechisches Phänomen, so die Rednerin weiter. Das sei auch 2015 in Deutschland so gewesen. Wöchentlich wurden Brandanschläge auf Unterkünfte verübt, es führten Faschisten Demonstrationen mit über 1000 Menschen an.
Frontex und die EU Hand in Hand mit Faschisten
In Griechenland existiert mit der „Goldenen Morgenröte“ eine offen faschistische Partei, die in den letzten zehn Jahren gefährlich schlagkräftige Strukturen und Netzwerke aufbauen konnte. Man dürfe aber nicht alleine die griechische Regierung für das Vorgehen verantwortlich machen, sondern müsse die Rolle von Frontex, EU und Deutschland herausstellen. Und weiter sagte sie: „Als Antifaschistinnen und Antifaschisten ist es uns aber wichtig, heute Abend zwei weitere Dinge zu benennen: Erstens ist es die Abwälzung der Krisenfolgen seit der Eurokrise 2008/09 auf die Länder des Europäischen Südens. Der massive Sozialabbau diktiert von Trojka und dem damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble hat in Griechenland den Nährboden für faschistische Propaganda bereitet. Zweitens sei es wichtig, sich den Rechten in Griechenland entgegenzustellen. Diese Aufgabe wolle und werde der griechische Staat nicht übernehmen. Es sei wie 2015 in Deutschland die Aufgabe der antifaschistischen Bewegung, faschistische Organisationen zurückzudrängen. Zum Glück gebe es diese antifaschistischen Kräfte auch in Griechenland. „Unsere Solidarität und unsere Unterstützung gilt auch ihnen“, sagte die Rednerin. Solidarität bedeute, ganz praktisch den Kampf gegen Rechte, gegen die AfD zu führen. Deshalb laute die Parole: „Solidarität heißt Widerstand, Kampf dem Faschismus in jedem Land.“
„Grenzen stehen nicht am Anfang oder Ende eines Landes, sondern im Kopf“
Ein weiterer Redner war ein Mann, der selbst vor vier Jahren aus Syrien geflüchtet ist und sich deshalb gut in die Situation der Menschen vor den europäischen Grenzen versetzen kann. Er floh übers Meer in einem Schlauchboot, das mit 43 Menschen besetzt war, obwohl es nur Platz für 30 Menschen gab. Er sagte: „Für Krieg, Elend, Wut und Zorn auf dieser Welt sorgen immer sieben Buchstaben. Diese sieben Buchstaben sind Grenzen.“ Weiter sagte er, man ziehe immer Grenzen, man kategorisiere. Dabei solle man sich darauf konzentrieren, was Menschen verbindet statt darauf, was sie unterscheidet. Zum Schluss seiner Rede sagte er: „Grenzen stehen nicht am Anfang oder Ende eines Landes, sondern im Kopf derer, die einfach ihre Menschlichkeit eingebüßt haben.“
Zum Abschluss dieser Kundgebung wurde von AntifaschistInnen noch mitgeteilt, dass eine Abschiebung in Cannstatt stattfindet. Mehr sei dazu nicht bekannt.
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