Von Alfred Denzinger – Rudersberg/Berlin. In der Streitsache Alfred Denzinger ./. Bundesrepublik Deutschland (BRD) fällte das Verwaltungsgericht Berlin am 17. April „im Namen des Volkes“ ein Urteil: „Es wird festgestellt, dass der Entzug der Akkreditierung des Klägers zum G20-Gipfel in Hamburg 2017 durch die Beklagte rechtswidrig war. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.“ Eine krachende Niederlage für die BRD und ihre Helfer und Helfershelfer namens Staats- und Verfassungsschutz.
In der letzten Runde war der stark angeschlagene Herausforderer quasi „stehend k.o.“. Breitbeinig hatte er dem Chefredakteur der Beobachter News und 31 weiteren Journalisten beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg die Akkreditierung, also die Zulassung zur Berichterstattung, entzogen. Dafür musste er sich vor Gericht rechtfertigen, nachdem mehrere Betroffene mit Unterstützung der dju (Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union in Verdi) gegen ihren Ausschluss geklagt hatten – unter ihnen auch ich.
Nun flog aus der schwarz-rot-goldenen Ecke das Handtuch. Um nach ersten juristischen Niederlagen Schlimmeres zu verhindern, wurde der chancenlose Angreifer aus dem Ring genommen. Schade eigentlich, ich hätte diesen Kampf gern durch einen klaren „Knock-out“ zu Ende gebracht. Dieses Sahnehäubchen haben mir diese „Kämpfer“ nicht gegönnt.
Horrorgeschichten der „Sicherheitsbehörden“
Was hatten die Anwälte der BRD, die Berliner Rechtsanwälte Redeker, Sellner und Dahs, nicht alles für Gespenster über mich an die Wand gemalt. Über viele Seiten wurde da eine Gefährlichkeit meiner Person zusammenphantasiert. Im Hintergrund trugen Polizeibehörden mit ihren Lügenmärchen zu den völlig wahnwitzigen Horrorgeschichten bei. Die Rede war unter anderem von Körperverletzung, Sachbeschädigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Hausfriedensbruch, die ich angeblich in den Jahren vor dem Gipfel begangen hätte. Allesamt nachweislich frei erfunden.
Zusätzlich steuerte auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg „weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse“ bei. So hätte ich zum Beispiel im „Jahr 2013 an einer linksgerichteten Gegendemonstration teilgenommen. Überdies lagen weitere nachrichtendienstliche Erkenntnisse zum Kläger vor, die gegenwärtig jedoch noch nicht beweisbar waren“. Bis zum heutigen Tag wird mir die Einsicht in meine Akten beim Verfassungsschutz verwehrt. Begründung: „Sie haben kein berechtigtes Interesse.“
Auf Stichhaltigkeit käme es nicht an
Das Bundeskriminalamt will „auf der Basis dieser hinzugetretenen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse zumindest die Möglichkeit“ gesehen haben, „dass der Kläger eine Akkreditierung für den G20-Gipfel für Störungen der Abläufe im Sinne seiner politischen Ausrichtung nutzen könnte“. Schließlich gelangten die Repressionsbehörden zu der Erkenntnis, „dass die Sicherheit und ordnungsgemäße Durchführung des G20-Gipfels einschließlich der Presseberichterstattung nur gewährleistet werden könne, wenn diejenigen Journalisten, zu denen Sicherheitsbedenken vorlagen, die Akkreditierung entzogen würde“.
Auf die Frage, ob die Erkenntnisse der „Sicherheitsbehörden“ aufgrund ihrer Einträge oder angeblicher Erkenntnisse zutreffend waren oder nicht, komme es nicht an, meinten die BRD-Anwälte, und kamen schließlich zur Schlussfolgerung: „Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht war ein sofortiger Entzug der Akkreditierung des Klägers alternativlos geboten.“ Geht’s eigentlich noch erbärmlicher?
Wenn man nicht „boxen“ kann, sollte man es lassen
Als sich schließlich im jahrelangen Schlagabtausch in Form von Schriftsätzen vor dem Verwaltungsgericht die krachende Niederlage für die Bundesrepublik abzeichnete, warf das „BRD-Team“ das Handtuch und nahm seinen „angeknockten Kämpfer“ aus dem Ring. Vorausgegangen waren Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin vom November 2019. Sie stellten eindeutig fest, dass die BRD zwei anderen Journalisten beim G20-Gipfel die Akkreditierung zu Unrecht entzogen hatte. Wohlweislich verzichtete die BRD darauf, Berufung einzulegen. Die Urteile sind rechtskräftig. Nun stellte das Gericht auch in meinem Fall fest, dass der Entzug der Akkreditierung rechtswidrig war.
Die nächsten „Gegner“ habe ich bereits im Visier. Ich werde es nicht hinnehmen, dass der „Verfassungsschutz“ mir den Einblick in die über mich gespeicherten Daten verweigert. Ich bin davon überzeugt, dass es sich auch bei diesen Datensätzen über unterhaltsame Realsatire handeln wird. Leider ist das letztendlich nicht (nur) witzig, sondern brandgefährlich. Der Kampf geht weiter!
Rückblick
Das Bundespresseamt hatte 32 Journalisten beim G 20-Gipfel in Hamburg die bereits zugesagte Akkreditierung entzogen (wir berichteten). Lapidare Erklärung: Das BKA habe Sicherheitsbedenken. Eine plausible Begründung für den Ausschluss von der Berichterstattung lieferten die Behörden trotz Protests und Nachfragen zunächst nicht. Inzwischen liegt die Auskunft des BKA vor. Mit Schreiben vom 22. August 2017 wurde mir mitgeteilt, welche Einträge zum Entzug meiner Akkreditierung beim G20-Gipel geführt haben sollen. Auf sechs Seiten werden die gespeicherten Daten über mich aufgelistet. Diese Auflistung könnte auch den Titel „Münchhausen-Datei“ tragen (siehe „BKA verunglimpft mit falschen Daten„).
Von Halbwahrheiten über belanglose Bespitzelungen bis hin zu absoluten Unwahrheiten ist alles vertreten. Unter all den „Vorwürfen“ und Unterstellungen gibt es lediglich eine Straftat: Per Strafbefehl musste ich 500 Euro zahlen. Ich soll als Pressevertreter einen Polizeibeamten beleidigt haben. Ich habe das immer bestritten. Aber selbst wenn es die Wahrheit wäre, wäre das sicher kein sicherheitsrelevanter Grund, mich von der Berichterstattung über den G20-Gipfel auszuschließen. Hatten die Sicherheitsleute Angst davor, dass ich Trump, Erdogan oder Merkel beleidigen könnte, und die dann vor Schreck tot umfallen?
Hier wurde ein ganzer Berufsstand bedroht
Wenn ich für so eine grottenschlechte Arbeit verantwortlich gezeichnet hätte, würde ich mich zu Tode schämen. Zuvor würde ich aber die verantwortlichen MitarbeiterInnen wegen totaler Unfähigkeit entlassen. Ich finde es absolut skandalös, wie hier mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umgegangen wurde.
Hier wurde nicht nur ich bedroht, sondern ein ganzer Berufsstand. Wer schützt uns vor diesen Feinden unserer Grundrechte?
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