Tübingen. „Für Antifaschismus und Solidarität“ ist das Motto einer Demonstration am Freitag, 10. Juli, in Tübingen. Sie beginnt um 20 Uhr am Haagtor. Hintergrund ist die polizeiliche Durchsuchung von neun Objekten in Baden-Württemberg am 2. Juli. Darunter war auch das Tübinger Wohnprojekt Lu15.
„Wir wünschen uns eine große und ausdrucksstarke Demo, die offen für alle sein soll, die uns unterstützen. Bringt bitte eine Mund-Nasen-Bedeckung mit und lasst eure Parteifahnen zu Hause!“, heißt es in dem Aufruf zu de Demo mit Musik von VHämHop.
Bei der Durchsuchung der Lu15 nahm die Polizei den Betroffenen mit aufs Revier und entnahm ihm gegen seinen Willen DNA (siehe Bewohner protestieren gegen „Willkür-Razzia“). Ihm wird wie landesweit acht weiteren Beschuldigten schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Er soll am 16. Mai an einem Angriff auf Neonazis – laut Demo-Aufruf „mit guten Kontakten zum NSU-Umfeld“ – beteiligt gewesen sein, bei dem ein Daimler-Betriebsrat des Zentrums Automobil schwer verletzt wurde.
Allerdings versichert der Tübinger Beschuldigte, an dem Tag nicht in Stuttgart gewesen zu sein und das auch beweisen zu können. Bei den Durchsuchungen wurde eine Person aus dem Kreis Ludwigsburg, laut Demo-Aufruf „der Antifaschist Jo“ festgenommen. Er sitzt in Stammheim in Untersuchungshaft. Vorgeworfen wird ihm versuchter Totschlag.
In das Tübinger Wohnprojekt drang bei der Durchsuchung um sechs Uhr morgens „erneut eine vermummte, schwer bewaffnete, homogen und gewaltbereit wirkende Meute in private Wohnbereiche der Lu15 ein. Dabei stürmten die PolizistInnen auch in Zimmer, in denen sie unter anderem unbekleidete Personen antrafen, die nicht die Zeit fanden, sich in den Sekunden zwischen den „Polizei“-Rufen und dem Moment des „Zimmer-Sicherns“ anzuziehen. Diesen wurde der Einsatzleiter auch dieses Mal nicht genannt“, klagen die Bewohner.
Den Angriff auf Neonazis in Stuttgart sehen die Bewohner der Lu15 als vorgeschobenen Grund für die Durchsuchung, heißt es in ihrem Demo-Aufruf: „Es schien fast so, als wären in Tübingen vor allem die technischen Geräte des Beschuldigten im Fokus gewesen, welcher völlig zufällig auch ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Partei „Die Linke“ ist. Bei der Durchsuchung wurden auch parlamentarische Datenträger beschlagnahmt. Unklar bleibt, wie die Polizei ihr diesmaliges Überschreiten ihrer Kompetenzen erklären will, da der Beschuldigte aus Tübingen am betreffenden Tag nicht in Stuttgart war. Wer sagt uns also, dass nicht die Begründungen für alle Hausdurchsuchungen an den Haaren herbeigezogen sind?“
Die Razzien in der Lu15 und in anderen Städten seien ein erneuter massiver Angriff auf linke AktivistInnen und Strukturen. Polizei und Staat zögen „erneut gegen antifaschistischen Widerstand ins Feld“, heißt es weiter in dem Demo-Aufruf. „Wenn aber rechtes Gedankengut immer salonfähiger wird und Einzug in den Bundestag hält, wenn zehn Menschen in Hanau ermordet werden, wenn sich rechte Netzwerke in Polizei und Bundeswehr bilden, wenn Rechte Todeslisten erstellen und Waffen horten, wenn am wichtigsten jüdischen Feiertag ein Massenmord in einer Synagoge stattfinden soll, dann ist antifaschistischer Widerstand lebensnotwendig.“ „Unsere Solidarität wächst mit mit jedem neuen Angriff“, ist der Demo-Aufruf überschrieben.
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