Hamburg. Im Hamburger Elbchaussee-Prozess wurde am Freitag, 10. Juli, nach über eineinhalb Jahren das Urteil gefällt und die fünf angeklagten Gipfelgegner verurteilt. Die Rote Hilfe zeigt sich entsetzt über den Richterspruch: „Durch diesen politischen Prozess, der lehrbuchhaft die Prinzipien der politischen Justiz und den unbedingten staatlichen Verfolgungswillen zeigt, will der Staat erneut ein Exempel an G20-Gegnern statuieren, linke Bewegungen delegitimieren und alle AktivistInnen einschüchtern“, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand.
Ein 24-jähriger Aktivist aus Frankreich erhielt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, er wurde des schweren Landfriedensbruchs und Beihilfe zur Brandstiftung, gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf PolizistInnen schuldig gesprochen. Ein 26-Jähriger aus Hessen erhielt eine Bewährungsstrafe auf ein Jahr und fünf Monate Haft, ein weiterer Aktivist wurde zu einer eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Zwei der fünf Verurteilten sollen Sozialstunden ableisten, da sie wegen Landfriedensbruchs verurteilt wurden.
Mitlaufen in einer Gruppe soll „psychische Beihilfe“ sein
Dieses Urteil des Landgerichts Hamburg sei zustande gekommen, obwohl vier der fünf Aktivisten keine eigenhändige Straftat zugeordnet sei, so die Rote Hilfe, sondern die bloße Teilnahme an dem Protestzug, der sich während des G20-Gipfels im Juli 2017 durch die Hamburger Elbchaussee bewegte und aus dem heraus es zu Angriffen gegen Schaufenster und Autos kam. Auch die Vorwürfe gegen den fünften hätten sich auf zwei Flaschenwürfe beschränkt, die weder Personen noch Gegenstände trafen. Mit der staatsanwaltlichen Konstruktion, dass allein das Mitlaufen in einer militanten Gruppe eine „psychische Beihilfe“ darstelle und somit alle Anwesenden für jede einzelne Aktion anderer haftbar gemacht und bestraft werden könnten, sei trotzdem eine Verurteilung zu so hohen Strafen möglich gewesen.
Untersuchungshaft bis zu 16 Monaten
Schon im Verlauf des Verfahrens sei unübersehbar geworden, so die Rote Hilfe, dass es dem Gericht ausschließlich um eine Verurteilung ging: „Offensichtliche Pfuschereien bei den Ermittlungen, systematische Beweisfälschungen seitens der SoKo „Schwarzer Block“ und manipulierte ZeugInnenaussagen“ hätten beim Gericht zwar Verärgerung hervorgerufen, aber keineswegs zur sofortigen Einstellung des Verfahrens geführt. Die angeklagten Aktivisten seien im Sommer 2018 verhaftet und in Hamburg in Untersuchungshaft festgehalten worden – drei über viele Monate. Der fünfte Betroffene sei erst nach 16 Monaten freigekommen.
Der Kriminalisierung von Demonstrationen Tür und Tor geöffnet
„Indem Menschen, die sich an einem Protestzug beteiligen, aus ihrem Leben gerissen, in Untersuchungshaft genommen und mit so offensichtlich manipulierten Beweisen zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt werden, sollen andere Linke davon abgehalten werden, sich an politischen Aktionen zu beteiligen“, so die Einschätzung der Roten Hilfe. Mit dem Urteil werde der Kriminalisierung weiterer Demonstrationen Tür und Tor geöffnet. Aus der Wahrnehmung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit werde nach Ansicht des Gerichts die Mitgliedschaft in einer kriminellen Bande: „Ein solcher Angriff auf elementare Rechte kann nicht hingenommen werden, und es ist von größter Bedeutung, dass dieses Urteil in zweiter Instanz gekippt wird“, fordert die Rote Hilfe.
Siehe auch „Mordaufrufe gegen Linke sind jetzt alltäglich„, „Erneute Festnahme im Nachgang zum G20-Gipfel“ und „SoKo außer Rand und Band„
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