Tübingen. „Unsere Solidarität wächst mit jedem neuen Angriff!“ war das Motto einer Demonstration am Freitag, 10. Juli, in Tübingen. Sie richtete sich gegen die Durchsuchung mehrerer Objekte in ganz Baden-Württemberg, unter anderem des Wohnprojekts Lu15 in Tübingen, am 2. Juli. Der „fadenscheinige Grund für diesen erneuten Einschüchterungsversuch“ – so die Veranstalter – sei ein „Angriff auf Neonazis mit guten Kontakten zum NSU-Umfeld“ am 16. Mai in Stuttgart. Die Lu15 war bereits fünf Monate vorher das Ziel einer Razzia gewesen. Am Dienstag, 14. Juli, ruderte die Staatsanwaltschaft zurück: Sie teilte mit, dass der Tübinger Beschuldigte, Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten der Linken Tobias Pflüger, nicht mehr verdächtigt werde, da er tatsächlich nicht am Tatort war. Die beschlagnahmten Asservate erhalte er unangetastet zurück (siehe Staatsanwaltschaft rudert zurück).
Seit den Durchsuchungen sitzt der Antifaschist Jo in Stammheim in Untersuchungshaft. Ihm wird versuchter Totschlag vorgeworfen und weiteren von der Durchsuchung Betroffenen Landfriedensbruch (siehe auch Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, DNA-Entnahmen und Verhaftung, Bewohner protestieren gegen „Willkür-Razzia“, Solidarität nach Lu15-Razzia und Abgeordneter will beschlagnahmte Unterlagen zurück).
Solidarisch mit Jo
An der Demonstration nahmen um die 400 Menschen teil. Sie begann um 20 Uhr am Haagtor. Bevor die Demonstration sich in Begleitung der Polizei Richtung Marktplatz in Bewegung setze, wurde ein Grußwort verlesen, das sich solidarisch an den in Untersuchungshaft sitzenden Jo richtete. Am Holzmarkt hielt das Offenen Treffen gegen Faschismus und Rassismus eine Rede über die „ultrarechte Pseudogewerkschaft Zentrum Automobile“. Das Offene Treffen wollte damit verdeutlichen, welche strukturelle Gefahr von einer solchen Organisation ausgeht. Weiter hielt about:utopia einen Redebeitrag, der sich mit Kritik an der Polizei, deren Verfehlungen und Alternativen zu „dieser unreformierbaren Struktur“ beschäftigte.
Linke Strukturen immer häufiger Angriffen ausgesetzt
Die Demonstration zog durch die Mühlstraße und über die Neckarbrücke zum Zinser-Eck. Dort gab es eine weitere Zwischenkundgebung, bei der sich Bewohner der Münze 13 aus einer kritischen Perspektive mit den Gefahren der sich weiter ausbreitenden Überwachung des öffentlichen Raumes auseinandersetzten. Weiter versuchte about:utopia, die aktuellen Vorgänge in einen gesellschaftlichen Rahmen einzuordnen. Während immer mehr faschistische Netzwerke in Polizei, Verfassungsschutz und Militär aufgedeckt würden, seien linke Strukturen immer häufiger Angriffen ausgesetzt.
Von dort aus ging es weiter über die Blaue Brücke und durch die Eugenstraße in der Südstadt zur Abschlusskundgebung auf dem Sternplatz. Das Epplehaus sprach über das in der Gesellschaft durch Film, Fernsehen und Kinderbücher verankerte positive Bild der Polizei, welches dazu führe, dass berechtigte Kritik an polizeilichen Strukturen kein Gehör finde.
Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit Recherchen zu rechten Netzwerken betrachten
Zum Abschluss hielt der Betroffene der Hausdurchsuchung in der Lu15 eine Rede, bei der er das Erlebte schilderte und sich für die erfahrene Solidarität bedankte. Weiter machte er deutlich, dass die Durchsuchung auch im Zusammenhang mit seinen Recherchen zu rechten Netzwerken, die ebenfalls die baden-württembergischen Polizei betreffen, betrachtet werden sollte. Er ist Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten und verteidigungspolitischen Sprechers der Linken Tobias Pflüger.
Fotos: OTFR – Offenes Treffen gegen Faschismus und Rassismus für Tübingen und Region
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