Heidelberg. Das klimaaktivistische Bündnis „Wurzeln im Beton“ protestierte seit Freitagmorgen (7. August), 6 Uhr, mit zivilem Ungehorsam gegen das Unternehmen HeidelbergCement. Vor dem Gebäude der Hauptzentrale hatten sich AktivistInnen die Füße einbetoniert. Andere bestiegen die Vordächer. Einen Tag lang sollte der Haupteingang des Gebäudes blockiert werden, um auf die Klimakrise und auf das neokoloniale Handeln HeidelbergCements hinzuweisen. Gegen Mittag war Schluss. Die Polizei löste die Versammlung auf.
“Während fünf vermummte Personen mit einem Banner auf dem Vordach des Gebäudes standen und mit einem Megafon Protestgesänge skandierten, hielten elf weitere Aktivisten in einem Sitzkreis den Haupteingang blockiert. Dabei griffen einige von ihnen zu einer extremen Form des Protests: Vier Demonstranten hatten ihre Füße in Kisten einzementiert“. So berichtete die Rhein-Neckar-Zeitung über den Protest.
Die Polizei sei mit einem großen Aufgebot angerückt. Mehr als 50 Polizisten hätten den Eingangsbereich in einem Halbkreis umstellt. Währenddessen seien Verhandlungen zwischen Heidelberg Cement und den AktivistInnen geführt worden. Auch die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut aus Mannheim sei als Beobachterin vor Ort gewesen. Auch der 42-jährige Togolese Pierre Koku war zur Unterstützung der Aktion dort und stellte sich an den Rand. Er floh 2005 als politisch Verfolgter aus dem Togo nach Deutschland.
Auch kleinere Gruppen von DemonstrantInnen zeigten sich solidarisch, darunter AktivistInnen von Fridays for Future.
Polizei löst die Versammlung auf
Gegen 11.45 Uhr sagte die Polizei durch, dass ihr ein Strafantragsvorbehalt der Eigentümer wegen Hausfriedensbruchs vorliege. Daher werde die Versammlung aufgelöst. Die Aktivisten leisteten keinen Widerstand und verließen den abgesperrten Bereich. Die Beamten nahmen ihre Personalien auf.
Wäre die Zementindustrie ein Staat, wäre sie die Nation mit den dritthöchsten Emissionen weltweit, beschreiben die AktivistInnen den Hintergrund ihrer Aktion. Eine Tonne Zementklinker herzustellen, verursacht 800 Kilogramm CO2. HeidelbergCement ist der zweitgrößte Zementhersteller weltweit. Von allen Dax Unternehmen, zu denen auch BMW, Daimler, VW und die Lufthansa gehören, ist HeidelbergCement das Unternehmen mit dem bilanziell höchsten CO2 Ausstoß – und damit ein massiver Anheizer des Klimawandels.
Klimakiller aus der Baubranche
Die Baubranche selbst ist für noch deutlich mehr Emissionen verantwortlich. Stahl, Beton und Zement verschlingen Unmengen an Energie. „Aus diesem Grund protestieren wir hier heute gegen den Klimakiller Zement. Besonders europäische Zementriesen wie LafargeHolcim und HeidelbergCement tragen eine maßgebliche Verantwortung für die Klimakrise“, betont die Pressesprecherin Luca Holz. Mit ihrem Protest reihen sich die AktivistInnen ein in die Aktionstage „Aufstand mit Abstand!“ der Gruppe „Zucker im Tank“ (ZimT).
„Die Zementherstellung sorgt nicht nur für die globale Klimakatastrophe, sondern auch für lokale Zerstörung an Abbaustandorte im globalen Süden. In Indonesien, Ghana, Togo, der Westsahara sowie im Westjordanland handelt HeidelbergCement unverantwortlich gegenüber Menschen und Umwelt“, so Luca Holz. Die Protestform, Füße einzubetonieren, stamme von indonesischen AktivistInnen und werde aus Solidarität vor dem Hauptverwaltungsgebäude ausgeübt. In Indonesien plant eine Tochterfirma ein Zementwerk und den Kalksteinabbau im Kendeng-Gebirge. Der Abbau würde das Ökosystem des Karstgebirges, seinen Wasserhaushalt und seine hohe Artenvielfalt zerstören und die Existenzgrundlage der Kleinbauern in der Region vernichten.
Der Kapitalismus zerstört die Erde
Der globale Bauboom steigert den Bedarf nach Zement, heute wird jährlich dreimal so viel Zement hergestellt als noch vor 20 Jahren. Grund sei der Mythos von Wirtschaftswachstum, der Entwicklung und Fortschritt verspricht, aber im Gegenteil zu Umweltzerstörung und Entwurzlung der Menschen vor Ort führt. „Die Klimakrise zeigt, dass Kapitalismus und unendliches Wachstum nicht zukunftsfähig sind. Wir zerstören mit diesem Wirtschaftssystem uns selbst und unseren Planeten. Noch können wir eine bessere Zukunft aufbauen, in der Menschen mehr zählen als die Gewinne von Konzernen“, so Luca Holz. Die AktivistInnen von Wurzeln im Beton fordern eine grundlegende Bauwende. „Es reicht nicht, effizientere Zementproduktion zu erforschen. Wir müssen Bauen und Wohnen radikal umdenken. Statt immer mehr zu bauen, müssen wir uns die Frage stellen, wie wir gesamtgesellschaftlich Wohnen organisieren wollen“, so die Pressesprecherin des Bündnisses.
Ob die AktivistInnen wegen der Protestaktion mit Anzeigen rechnen müssen, war zunächst noch unklar. Elke Schönig, Pressesprecherin des Konzerns, wandte sich in einer Erklärung gegen die Vorwürfe. Heidelberg Cement sei der größte deutsche Auslandsinvestor in Togo und fördere lokale Entwicklungen vor Ort durch Ausbildungsprogramme und die Förderung von Infrastruktur und Naturschutz.
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