Von Alfred Denzinger – Urbach. „Ja, aber die Kommunisten …“ wetterte der hilfsbedürftige Opa beim lautstarken Protest gegen den sogenannten „Bürgerdialog“ der AfD den rund 100 AntifaschistInnen entgegen. Was er damit genau meinte, wird wohl sein ewiges Geheimnis bleiben. Vielleicht Stalingrad? Schließlich beschimpfte und beleidigte er die Protestierenden als Lügner. Viel Freude hatte die AfD allerdings mit ihrer Veranstaltung am Donnerstag, 3. September, in Urbach (Rems-Murr-Kreis) offensichtlich nicht. Gähnende Leere – die 550 Personen fassende Auerbachhalle war gerade mal mit rund 40 ZuhörerInnen belegt.
Etwa eine Hundertschaft hielt die Polizei für angemessen, um den Rechtsradikalen ihren Auftritt zu ermöglichen. Offenbar hält man in Polizeikreisen eine AfD-Veranstaltung für schützenswerter als den Reichstag in Berlin. Zumindest, wenn er von Rechten bedroht ist.
Neben dem völlig überzogen wirkenden uniformiertem Polizeiaufgebot, bei dem auch eine Reiterstaffel nicht fehlen durfte, waren in Urbach auch zahlreiche Zivilbeamte des sogenannten „Staatsschutzes“ im Einsatz. Sie filmten und/oder fotografierten teilweise fleißig mit ihren Handys. Was wohl mit dem dokumentiertem Film- und Fotomaterial passieren wird? Gibt es für diese kriminalpolizeilichen Handlungen eine Rechtsgrundlage? Vermutlich ist den Herrschaften das egal.
Zahlreiche „Schlapphüte“ in Aktion
Die „Staatsschützer“ sind ja von Berufs wegen äußerst kamerascheue Menschen. Sie verstecken sich vorzugsweise gerne hinter Büschen und größeren Fahrzeugen.
Wohlwollende Auslegung pro Rechtsradikalismus
Ermöglicht hatte dieses AfD-Spektakel auch die Gemeindeverwaltung Urbach. Sie ignorierte einfach die Vermietungsbestimmungen der Auerbachhalle, nach der eine Anmietung der Räume durch Auswärtige „nur für öffentliche Veranstaltungen“ möglich ist, „zu denen jedermann Zutritt hat“. Genau diesen öffentlichen Zutritt für jedermann gab es nicht. Dies wurde auf den Veranstaltungsflyern und sonstigen Veröffentlichungen der teilweise rechtsextremistischen Partei auch offen angekündigt. Der schon früher zweifelhaft in Erscheinung getretene AfD-Funktionär Frank Kral (siehe hierzu „Juristische Klatsche für baden-württembergischen AfD-Schatzmeister„) gab am Eingangsbereich den Türsteher. Er wies ihm augenscheinlich nicht passende BesucherInnen ab und sorgte damit für die Umsetzung der Nichtöffentlichkeit der Veranstaltung der AfD-Fraktion im Bundestag.
Das ursprünglich angekündigte „Zugpferd“ der Rechtaußenpartei trat in Urbach nicht auf. Statt Alice Weidel sprach der „Chefphilosoph“ Marc Jongen, der hauptsächlich über die Abschaffung Deutschlands und seiner Kultur lamentierte. Jürgen Braun outete sich als Anhänger der Coronarebellen. Diese Gruppierung wird von ihren Gegnern liebevoll als „Covidioten“ bezeichnet. Marc Bernhard und Rainer Kraft sprachen ebenfalls zu ihrer kleinen Fangemeinde.
Der Protest gegen die AfD endete mit einer kleinen Spontandemonstration zum Urbacher Bahnhof.
Es gibt kein ruhiges Hinterland
Tim Neumann, Pressesprecher des Bündnisses Zusammen gegen Rechts (ZgR), erklärte zu den Protesten: „Es ist ein gutes Zeichen, wenn an einem Werktag über 100 Menschen verschiedensten Alters in der Ferienzeit gegen Rechts auf die Straße gehen. Die schlechte Außenwirkung der AfD ist ein Verdienst des kontinuierlichen antifaschistischen Protestes, der auch zum Ziel hat, die örtliche Bevölkerung mitzunehmen. Noch ist es zu früh im Wahlkampf, um ein tiefgreifendes Fazit zu ziehen, doch die AfD-„Sommeroffensive“ ist insbesondere in der Region Stuttgart erfreulicherweise gescheitert. Jetzt gilt es, auf dem bisher Erreichten aufzubauen, noch mehr Menschen für Proteste gegen die AfD zu gewinnen und den schlechten Zustand der blauen Partei zu nutzen, um ihren gesellschaftlichen Einfluss noch weiter zurückzudrängen. Im Namen des Bündnisses bedanke ich mich recht herzlich bei allen anwesenden DemonstrantInnen und hoffe, dass wir uns bald wieder bei Protesten gegen Rassismus und rechte Hetze begegnen.“
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