Backnang. Etwa 60 AntifaschistInnen hielten am Samstag, 24. Oktober, auf dem Backnanger Marktplatz eine Kundgebung ab. Die Redebeiträge beschäftigten sich mit verschiedenen rechten Akteuren im Rems-Murr-Kreis und der Rolle des Höcke-nahen AfD-Ortsverbands Backnang, heißt es in einer Mitteilung des gastgebenden Bündnisses „Zusammen gegen Rechts“ (ZgR). Auch sei „die Notwendigkeit antifaschistischer Organisation“ betont worden, und man habe die jüngsten Razzien in Süddeutschland, so auch in Backnang-Sachsenweiler, in den gesellschaftlichen Kontext eingeordnet. Es blieb jedoch nicht bei der Kundgebung in der Backnanger Innenstadt.
Tim Neumann, Pressesprecher des Bündnis ZgR führt aus: „Neben der Kundgebung in Backnang, wo wir vor allem einer breiteren Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Positionierung und Information geben wollten, war es uns auch sehr wichtig am Ort des Geschehens selbst präsent zu sein. Mit mehr als 30 AntifaschistInnen nutzten wir eine Schilderaktion mit der Aufschrift „Rechter Terror hat System“ zur Aufklärung der Nachbarschaft in Sachsenweiler. Gleichzeitig stellt das auch unsere Haltung zu jeglichen faschistischen Terrorgruppen dar, ob sie sich in nachgebauten Schützengräben des 2. Weltkrieges oder im Falle der Gruppe S auf Grillplätzen zusammentun: Wir lassen uns nicht einschüchtern und sind bereit, den Finger in die Wunde zu legen.“
Staatsschutz stellt seinen Schwerpunkt zur Schau
Für Irritationen sorgte abermals die starke Präsenz des polizeilichen Staatsschutz-Chefs und seiner Mitarbeiter: Anstatt die zurückliegenden Attacken gegen Journalisten und Drohbotschaften an Fassaden öffentlicher Infrastruktur durch die selbsternannten „Autonomen Nationalisten Rems-Murr“ aufzuklären, sei „Protest gegen wehrmachtsuniformtragende Faschisten bespitzelt“ worden, so Neuman: „Ich stelle die Frage: Hat diese Behörde nicht dringendere Aufgaben zu erledigen, zum Beispiel die Durchleuchtung des Umfelds und der Kontakte des Durchsuchten? In jedem Fall werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass rechte Positionen oder Veranstaltungen hier im Rems-Murr-Kreis nicht zur Normalität werden. Wir bedanken uns bei allen Anwesenden, insbesondere den BacknangerInnen für ihre Teilnahme.“
- Die auffälligen …
- … Unauffälligen …
- … im Einsatz
Waffen und Naziuniformen
Bei der Razzia am 15. Oktober hat die Polizei im Backnanger Ortsteil Sachsenweiler unzählige Waffen und Uniformen mit verfassungsfeindlichen Nazi-Symbolen beschlagnahmt (siehe „Neonazis unter Waffen„). Ermittler hatten neben Sachsenweiler auch in den Landkreisen Esslingen und Sigmaringen eine derart große Anzahl an Waffen beschlagnahmt, dass zum Abtransport Lastwagen benötigt wurden. Staatsanwaltschaft und Polizei halten sich seither mit Informationen zum Stand der Ermittlungen mehr als zurück. Es heißt, „die Ermittlungen gegen die 19 Beschuldigten dauern an“. Über die Hintergründe dieses Schweigens kann nur spekuliert werden.
Jochen Klein und der angebliche Filmservice
Der Beschuldigte aus Sachsenweiler soll sich unter dem Namen Jochen Klein gegenüber der Backnanger Kreiszeitung (BKZ) zu Wort gemeldet und beteuert haben: „Ich bin absolut kein Nazi“. Weiter berichtete die BKZ über die Angaben des des Beschuldigten: „Er sei vielmehr seit gut 25 Jahren als Sammler von Militaria aktiv und (…) geschätzt. Seine Expertise auf diesem Gebiet (…) habe nichts mit rechtsterroristischen Ambitionen, sondern mit seinem Geschäft zu tun. Er ist als Leihausstatter für sogenannte Reenactment-Veranstaltungen, bei denen historische Ereignisse – zumeist Kriegsszenen und bestimmte Schlachten –nachgestellt werden, ein versierter Ansprechpartner und nicht zuletzt im Filmgeschäft ein gefragter Mann. Er nennt verschiedene, zum Teil namhafte und auch preisgekrönte Filmproduktionen, (…) die er als Fachmann für authentisch historische Ausstattung begleitet habe. Nun aber sieht er durch den Verlust seines Materials nicht nur seine berufliche Existenz bedroht. Er fürchtet auch eine Eskalation der Demo vonseiten der Aktivisten vor seinem Haus, in dem er mit seiner Frau und seiner Mutter lebt, die von dem Paar gepflegt wird. Derweil hofft er, dass die Ermittlungen der Polizei möglichst bald „die Wahrheit ans Licht bringen“.“
Warum schweigen die Sicherheitsbehörden?
Die von Klein befürchtete Eskalation vor seinem Haus blieb aus. An der Hausklingel des Beschuldigten stehen drei Buchstaben mit dem Zusatz „Filmservice“. Wir fanden weder diesen angeblichen Filmservice noch den Namen Jochen Klein in einem Telefonbuch. Auch unsere Internetrecherche blieb erfolglos. Licht ins Dunkel können wohl nur die Sicherheitsbehörden bringen. Diese aber schweigen beharrlich.
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