Von Franziska Stier – Basel. Der Überfall der Türkei auf das im Norden Syrien gelegene Afrin jährte sich am 20. Februar um zweiten Mal. Der völkerrechtswidrige Einmarsch, dem die Europäische Union, aber auch die USA tatenlos zusahen, hatte keine Konsequenzen für den türkischen Diktator Recep Tayyip Erdoğan, jedoch für hunderttausende Menschen, die fliehen mussten oder getötet wurden. Auch hat sich die Situation der Frauen seither massiv verschlechtert. Kurdische Verbände riefen daher in Deutschland und der Schweiz zu Demonstrationen und Kundgebungen auf.
Während die Kundgebung beispielsweise in Stuttgart unter Corona-Bedingungen durchgeführt wurde, entzog man den Basler GesuchstellerInnen knapp zwei Tage vor der Demonstration die Bewilligung, obwohl diese bereits mehrere Wochen zuvor beantragt und am 8. Februar genehmigt worden war. Die Kantonspolizei kam zu dem Ergebnis, dass drei zuvor bewilligte Demonstrationen zu anderen Themen ausreichend gewesen seien und die Geduld der Basler Bevölkerung damit genug strapaziert wäre.
Bewilligung entzogen
In ihrer Verfügung, die Beobachter News vorliegt, erklärt die Kantonspolizei unter anderem: „Aufgrund der dargelegten aktuellen Situation (Unmut der Bevölkerung in Coronazeiten, Basler Nicht-Fasnacht, Unsicherheiten rund um die Partie des FCB) und der damit verbundenen gesamtheitlichen sicherheitsrelevanten Lagebeurteilung ist der Entzug der Bewilligung gerechtfertigt.“
Nun ist es durchaus so, dass in den sozialen Medien Kritik an Demonstrationen geäußert wurde. Mit Blick auf die ausfallende Fasnacht wurde regelrecht Hass vor allem gegen KurdInnen geschürt. So kursierten einige Beiträge, die eine kurdische Demonstration vom Februar 2021 kritisierten, aber mit einem Bild aus dem Jahr 2020 untermauert wurden. Da es damals keine Maskenpflicht oder Abstandsregeln gab, entzündeten die Beiträge massive Empörung, und die AutorInnen konnten auf diese Weise ihr eigenes Leid über die verlorene Fasnacht mit Fake-News ins Zentrum zu rücken. Auch ist es korrekt, dass der FCB am 17. Februar die Schweizer Cup Partie „gegen den weit unterklassierten FC Winterthur mit 2:6 [verloren hat]“ und einige Fußballfans empört zum Stadion marschierten, was bei einem weiteren Spielverlust am Samstag möglicherweise ebenfalls drohte.
Polizei mit Sehstörungen?
Die Kantonspolizei hielt fest, dass „mildere Massnahmen [als der Bewilligungsentzug], welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Anbetracht dieser Ausgangslage gewährleisten könnten, […] nicht ersichtlich [sind].“ Doch immerhin reichte das Polizeiaufgebot, die sich versammelnde Gruppe mit Gummigeschossen an der Demonstration zu hindern.
Brisant ist diese Geschichte aus mehreren Gründen. Natürlich ist Enttäuschung über die „Nicht-Fasnacht“ bei der Basler Bevölkerung groß. Rund 10 000 Fasnächtlerinnen bereiten das ganze Jahr über diesen Event vor. Dass das Justiz- und Sicherheitsdepartement jedoch Grundrechte zurückstellt, um Unmut über Ungleichbehandlung vorzubeugen, obwohl die Empörten Facebook-User Äpfel mit Birnen vergleichen, ist stoßend. Die „Nicht-Fasnacht“ und auch der Demo-Termin waren keine unvorhersehbaren Ereignisse. Auch ein verlorenes Fußballspiel gehört trotz der Basler Liebe zum FCB wohl kaum zu Ereignissen, die den Entzug eines Grundrechts rechtfertigen würden.
Die neue Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann (LDP) zeigt sich damit in puncto Grundrechte zunächst alles andere als liberaldemokratisch und vergisst offenbar, dass sich viele Menschen nicht beim Familiendinner, sondern nur auf der Straße Gehör für ihre Anliegen verschaffen können. Sie sind darauf angewiesen, dass ihr Protest politisches Gehör erhält und nicht weggeballert wird, bevor er sichtbar wurde.
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