Kommentar von Sahra Barkini – Stuttgart/Kassel. Die beiden Städte hatten vergangenen Samstag eines gemeinsam: In Stuttgart wie in Kassel gab es Demonstrationen. Das war’s dann aber auch schon mit der Gemeinsamkeit. Während in Stuttgart bis zu 1000 AntifaschistInnen mit FFP2 Masken und enger Polizeibegleitung gegen Repression demonstrierten, irrten in Kassel bis zu 20 000 CoronaleugnerInnen, QuerdenkerInnen, EsoterikerInnen, AntisemitInnen, Neonazis in einem eigentlich verbotenen Aufzug durch die Straßen – kaum behelligt von der Polizei.
Sie provozierten und drangsalierten PassantInnen und GegendemonstrantInnen. Twitter-Videos zeigen, welche Gewalt – mal wieder – von diesen Menschen ausging. Da wird einer Frau in den Unterleib getreten, oder sie gehen auf eine Blockade von GegendemonstrantInnen los. Dabei bekommen sie dann auch noch Hilfe der Polizei, die ihrerseits mitschubst und von der Straße drängt. Freilich nicht den verbotenen Aufzug der CoronaleugnerInnen, sondern die GegendemonstrantInnen.
Trotz eklatanter Verstöße dieser egoistischen Menschen handelt die Polizei kaum. Fehlende Masken und Verstöße gegen den Mindestabstand scheinen die „Ordnungshüter“ nicht zu stören. Sie lassen sich von den Covidioten bejubeln, wenn sie wieder mal ein paar GegendemonstrantInnen aus dem Weg geräumt haben. Und weil man sich ja versteht, zeigen PolizistInnen auch ganz gerne mal Herz für die Covidioten.
Man hätte eigentlich von August 2020 lernen können, als TeilnehmerInnen einer Querdenker-Demo versuchten, den Reichstag zu stürmen. Oder von Leipzig oder sogar aus Dresden. Dort wurden Polizisten von diesen selbsternannten Corona-Rebellen angegriffen. Man hätte also versuchen können, dieses Treiben in Kassel zu unterbinden oder frühzeitig zu beenden. Immerhin wurde in diversen Telegramkanälen trotz Demonstrationsverbot der Stadt Kassel munter weiter mobilisiert.
Kinder sollten mitgebracht werden und bitte in die erste Reihe. Man wollte den „Querdenkern“ aber offenbar wieder mal nicht Einhalt gebieten. Man rollte ihnen stattdessen den roten Teppich aus. Besprenkelte sie, wenn überhaupt, mal ganz zaghaft ein bisschen mit dem Wasserwerfer.
Und in Stuttgart? Bei der erwähnten antifaschistischen Demonstration, glich die Stadt einer Polizeileistungsschau. In jedem Winkel standen BeamtInnen. Zwei Wasserwerfer waren in der Innenstadt positioniert: einer beim Landtag und der andere beim Landgericht. Das Viertel um das Landgericht glich einer Festung. Ein Hubschrauber stand den gesamten Nachmittag über der Stadt. Eine Reiterstaffel war auf Streife. Das USK aus Bamberg war vor Ort. Das neue Schloss war mit Hamburger Gittern abgeriegelt, sogar die Königstraße wurde mit Polizeiautos blockiert. Und warum das alle? Weil linke DemonstrantInnen auf die Straße gehen.
- Schloss vergittert
- Königstraße abgeriegelt
- Landgericht abgeriegelt
- Drohkulisse mit …
- Wasserwerfer
- Gitter im Überfluss
Eine Woche zuvor bei einer Demonstration aus dem Querdenker-Spektrum in Stuttgart wurden JournalistInnen angegriffen. Und PassantInnen angepöbelt – allein deshalb, weil sie eine Maske trugen. Da war allerdings das Polizeiaufgebot sehr überschaubar. Die demonstrierenden Querdenkerfans feierten auf ihren Kanälen, dass sie „zick, zack“ durch die Stadt gehen konnten und sie keiner aufhielt.
Am Rand der antifaschistischen Demonstration sagte eine Passantin in Richtung der Polizei: „Hättet ihr diese Einheiten mal nach Kassel geschickt, wäre sinnvoller gewesen.“ Ich finde, dieser Samstag hat deutlich gemacht, dass in diesem Land mit zweierlei Maß gemessen wird. Die Covidioten, die ganz gerne mit Rechtsextremen Schulter an Schulter auf die Straße gehen, werden mit Samthandschuhen angefasst. Dagegen ruft schon allein der Aufruf zu einer antifaschistischen Demonstration ein massives Polizeiaufgebot auf den Plan. Vielleicht sollte man während einer Demonstration der Coronaleugner einfach mal „Alerta, Alerta Antifascista“ rufen. Dann wäre vielleicht schnell Schicht im Schacht.
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