Von Sahra Barkini – Stuttgart. „Koffer voller Hoffnungen – Valizler Dolusu Umut“ ist der Titel einer Ausstellung im Stuttgarter DGB-Haus über die letzten 60 Jahre türkischer Migration. Sie geht noch bis zum 17. September. Der Journalist und Fotograf Ali Çarman hat anhand von Fotografien und persönlicher Dokumente der Menschen porträtiert und ihr Leben nachgezeichnet. Sie kamen, um zu arbeiten, und blieben für ein gemeinsames Leben. Begleitend zur Ausstellung sind ein Bildband und eine Broschüre erschienen.
Am 5. Juli wurde die Ausstellung eröffnet. Etwa 40 Interessierte kamen zur von Didf (Föderation der Demokratischen Arbeitervereine auf türkisch: Demokratik İşçi Dernekleri Federasyonu) und dem DGB organisierten Vernissage und der gemeinsam finanzierten Ausstellung ins DGB-Haus.
Das Grußwort sprach Bernhard Löffler (DGB-Regionsgeschäftsführer Nordwürttemberg). Redebeiträge kamen von Zeki Capci von Didf und von Cuno Brune-Hägele, dem Geschäftsführer von Verdi Stuttgart. Die Moderation des Abends übernahm Jörg Munder vom DGB.
Löffler betonte, 60 Jahre Migration aus der Türkei bedeuteten auch 60 Jahre gemeinsames Leben. Am 30. Oktober 1961 regelte das Auswärtige Amt mit der türkischen Botschaft die Entsendung von Arbeitskräften aus der Türkei nach Deutschland. „Heute gehören Menschen mit türkischer Herkunft zum festen Teil unserer Gesellschaft. Sie haben unser Leben kulturell bereichert und sind nicht mehr aus unserer Mitte wegzudenken.“
Zu Unrecht im Visier des Verfassungsschutzes
Capci sagte, Didf setze sich seit über vierzig Jahren gegen jegliche Spaltung ein. Der Zusammenhalt und die Solidarität zwischen Menschen deutscher und nicht deutscher Herkunft werde gestärkt. Nach Jahren sei erkannt worden, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist: „Gestern noch Fremde und heute Freunde.“ Brune-Hägele ging in einer beeindruckenden Rede auf die Zusammenarbeit zwischen der Gewerkschaft und Didf ein. Er verurteilte die Erwähnung von Didf im Verfassungsschutzbericht und bezeichnete sie als Schande. Didf mache nichts anderes, als MigrantInnen in diesem Land eine Stimme zu geben.
Als die Menschen damals mit „Valizler Dolusu Umut – einem Koffer voller Hoffnungen“ ankamen, seien sie nur Arbeitskräfte gewesen. Man habe die Menschen nicht gesehen. Als die „Gastarbeiter“, wie man sie nannte, in dieser postfaschistischen Zeit einreisten, sah man in ihnen deshalb keine Menschen, weil die Geschichte bis 1945 noch immer nicht aufgearbeitet war. „Die Republik hat Arbeitskräfte angefordert, aber es kamen Menschen. Menschen mit ihren Hoffnungen, mit ihren Wünschen, mit ihren Sehnsüchten.“ Die Ausstellung verdeutliche in wunderbarer Weise, dass MigrantInnen Teil dieser Gesellschaft seien. Wenn Gewerkschaften heute zum Streik aufrufen, dann kämpfe man gemeinsam, sagte Brune-Hägele. Da spiele weder Pass noch Herkunft eine Rolle.
Die Lebensleistung wertschätzen
Man müsse die Lebensleistung der ersten Generation wertschätzen. Auch die Bundesrepublik als Gesellschaft versäume es bis heute, die Menschen als Teil der Geschichte anzusehen. Auch diese Ausstellung sei Teil der Geschichte dieser Republik: „Als Gewerkschafter sagen wir: Arbeiter aller Länder vereinigt euch.“ Für Brune-Hägele sind die ausgestellten Exponate von Çarman lebendige Geschichte. Die Bilder verdeutlichten, dass trotz aller widrigen Umstände in den 1960 und 1970 Jahren, und auch teilweise heute noch, bei vielen Zuwanderern die Hoffnung bestand, sich als Teil dieses Landes zu verstehen.
Es dauerte über zwanzig Jahre, bis türkische MigrantInnen mit Didf ihre eigene Stimme hatten und aus einem Koffer voller Hoffnungen politische Teilhabe wurde. Durch seine Bilder verleiht Çarman Menschen eine Stimme für Gleichberechtigung, für politische Teilhabe. „Als Gewerkschafter schließ ich mit den Worten gemeinsam sind wir stark. Gemeinsam stehn wir Seit‘ an Seit‘, wie es in einem Lied der Arbeiterbewegung heißt, Seit‘ an Seit‘ für Frieden, Seit‘ an Seit‘ gegen reaktionäre.(..) Danke für die Lebensleistung der ersten Generation.“
Auch Frauen gewürdigt
Ali Çarman bedankte sich für die Teilnahme an der Vernissage und betonte, dass es ihm auch wichtig war, die Frauen der ersten Generation zu zeigen. Sie kämen in anderen Publikationen häufig zu kurz.
Die Ausstellung ist bis zum 17. September montags bis freitags, von 8.30 bis 18 Uhr im DGB Haus, Willi-Bleicher-Str. 20 in Stuttgart zu sehen.
Videos
Weitere Bilder von der Vernissage
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