Von Paul Linker – Oberndorf. AntimilitaristInnen und InternationalistInnen des Bündnisses „Rheinmetall entwaffnen“ riefen für Freitag, 8. Oktober, bundesweit zu einem Aktionstag gegen die international agierenden Rüstungskonzerne Heckler & Koch und Rheinmetall Defence in Oberndorf am Neckar auf. Mehrere hundert AktivistInnen aus verschiedenen linken Strukturen und Organisationen folgten diesem Aufruf, solidarische Unterstützung gab es auch aus Frankfurt, und auch aus Berlin reisten viele UnterstützerInnen an.
Beide Rüstungskonzerne haben im beschaulichen Schwarzwald- und Touristenort Oberndorf am Neckar ihren Sitz. An diesem Tag war Oberndorf aber nicht das Ziel von Touristen. Neben den AktivistInnen des Bündnisses haben an diesem Tag vor allem Polizisten das Bild im Touristen-Ort Oberndorf bestimmt.
Wie den Beobachter News bekannt wurde, waren viele Pensionen in Oberndorf und der näheren Umgebung von Sicherheitsleuten belegt. Hubschrauber und Drohnen wurden zur Überwachung eingesetzt, auch ein Räumpanzer stand bereit. Kein Wunder, schließlich wurde bereits im Vorfeld der Proteste in einigen Medien vor „gewaltbereiten Linksradikalen“ gewarnt. Die wirkliche Gewalt an diesem Tag ging aber von der Polizei aus.
H & K mit viel Erfahrung aus dem deutschen Faschismus
Die Blockadeaktionen richteten sich vorrangig gegen den Rüstungskonzern Heckler & Koch. Dieser Konzern wurde 1949 von drei Männern gegründet, die bereits in der NS-Zeit mehr als ausreichende Erfahrungen in der Rüstungsindustrie sammeln konnten und auch in den Einsatz von ZwangsarbeiterInnen involviert waren.
Die Verwicklungen der Gründergeneration von Heckler & Koch in die Verbrechen des Faschismus wurden nie aufgearbeitet. Man hat in der neoliberalen BRD offenbar Wichtigeres zu tun, nämlich Kriegswaffen weltweit profitorientiert zu verkaufen – auch in Konfliktregionen.
Sei es im Jemen, dem Irak oder Mexiko (man denke hier nur an die ermordeten Studenten von Ayotzinapa im Jahre 2014), überall kamen „Qualitätsprodukte“ von Heckler & Koch zum Einsatz, die ausschließlich der Unterdrückung der Bevölkerung, zur imperialistischen Kriegstreiberei und zur Sicherung der Macht von korrupten Regimen dienen. Ein geeignetes Ziel also für einen antimilitaristischen Protest.
Bereits in den frühen Morgenstunden des 8. Oktober trafen sich über hundert AntimilitaristInnen, um die Frühschicht bei Heckler & Koch zu blockieren. Das führte schon nach kurzer Zeit zu einem Aufmarsch der Staatsmacht in großer Stärke.
Polizei greift Friedensaktivisten an
In der Folge kam es zu teilweise surrealen Verfolgungsszenarien in stockdunkler und eiskalter Nacht durch gut ausgerüstete Polizisten über nasse und verschlammte Wiesen und Äcker. AktivistInnen wurden angegriffen und teilweise schwer verletzt, es gab Ingewahrsamnahmen (siehe Video unten).
Einzelnen Gruppen von AktivistinInnen gelang es trotz allem in unmittelbare Nähe des durch Stacheldraht geschützten Werksgeländes von H & K zu kommen und dort – zeitweilig sehr erfolgreiche – Blockaden durchzuführen.
Eine größere Gruppe von etwa 30 Personen wurde in unmittelbarer Nähe des Haupttores von Heckler & Koch eingekesselt, unter heftigen Schubsereien einzeln aus dem Kessel gezogen, fotografiert und mit einem Platzverweis bis 8 Uhr belegt, schließlich davongejagt.
Realsatire: Von gefährlichen Holzarten und fehlenden Spezialisten
Die Polizei beschlagnahmte Fahnenstangen, die angeblich zu dick und/oder zu lang gewesen sein sollen. Es wurde auch ausgeführt, dass es sich bei einigen Stöcken um eine nicht erlaubte Holzart handeln solle. Nach längerer Diskussion zwischen AktivistInnen und der Polizei räumten die BeamtInnen ein, dass sich unter ihnen keine Holzspezialisten befänden. Schließlich traf dann noch die Kriminalpolizei ein, die die angebliche „Gefährlichkeit“ der Holzart zusätzlich unterstrich.
.
Angriff auf die Pressefreiheit
Das gesamte Equipment des Presseteams von „Rheinmetall Entwaffnen“ wurde beschlagnahmt und damit eine effiziente Pressearbeit verhindert (siehe hierzu „Polizei beschlagnahmt Equipment von Pressebüro„).
Die morgendlichen Blockadeaktionen waren insofern erfolgreich, als an diesem Freitag wohl nur wenige MitarbeiterInnen von H & K ihre Arbeitsstätte erreicht haben. Der antimilitaristische Protest wurde über den ganzen Freitag hinweg fortgesetzt.
Unterstützung aus Mexiko
Eine Delegation der Zapatistas beteiligte sich ebenfalls an den Protesten, die Gruppe Rhein-Main von „Rheinmetall Entwaffnen“ veranstaltete ein viel beachtetes Tribunal vor dem Haupttor von H & K. Der Ankläger des Tribunals machte Heckler & Koch verantwortlich für den Tod Tausender Menschen in aller Welt, für Folter und Unterdrückung. Verschiedene Zeugen berichteten dem Tribunal über die Geschichte der Waffenindustrie in Oberndorf, die Verstrickungen der Gründer von H & K in der NS-Zeit, die weitere Entwicklung des Konzerns nach der Gründung 1949 und auch über die Ermordung der Studenten in Mexiko. Wie nicht anders zu erwarten und mehr als berechtigt endete das Tribunal mit einem Schuldspruch in allen Anklagepunkten.
Die abschließende Demo nach Oberndorf hinein wurde ebenfalls immer wieder von Polizisten angegriffen.
Videos
Die Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Konstanz:
„Blockadetag verläuft nahezu ohne Störungen (08.10.21)
Mit einer starken Präsenz hat die Polizei die angemeldete Demonstration des Aktionsbündnisses „Reinmetall entwaffnen“ am Freitag begleitet. Neben der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und einer ungehinderten Durchführung der Versammlung, war es erklärtes Ziel des Polizeipräsidiums Konstanz, das unter anderem auch für Landkreis Rottweil zuständig ist, einen reibungslosen Ablauf des Schichtdienstbetriebes der Firma Heckler & Koch am Freitag zu gewährleisten. Die Polizei hat sich in den letzten Tagen intensiv mit der Lage beschäftigt und auf einen Einsatz vorbereitet, da im Internet und anderen Kanälen verschiedene Blockadeaktionen in Zusammenhang mit der Versammlung angekündigt worden waren. Daher waren am Freitag von morgens bis abends mehrere Hundert Beamte auch anderer Polizeidienststellen im Einsatz und in der Reserve, darunter Beamte des Polizeipräsidiums „Einsatz“ mit der Polizeireiterstaffel und neben weiteren Spezialisten auch eine Besatzung mit einem Polizeihubschrauber.
Dank der für die Stadt Oberndorf ungewöhnlich hohen Präsenz der Polizei weist die Einsatzbilanz der Polizei am Ende des Tages nur wenige Störungen aus. Schon frühmorgens gegen 5 Uhr stellten Beamte auf der Hochmössinger Straße bei Beffendorf eine Gruppe von rund 100 Personen fest, die zu Fuß in Richtung Oberndorf unterwegs waren. Bei Erkennen der Polizeikräfte flüchteten diese über Ackerflächen und splittete sich in mehrere Gruppen auf. Einsatzkräfte umschlossen zunächst etwa 30 Personen kurzzeitig, kontrollierten diese und erteilten ihnen einen Platzverweis für das Heckler & Koch-Gelände. Eine weitere Gruppe meldete eine Spontanversammlung auf der Fahrbahn zu den Themen „Polizeigewalt, Waffengewalt, Kriegstreiber“ an und führte einen Demonstrationszug auf der Landesstraße 419 in Richtung Heckler-und-Koch-Straße durch, der polizeilich begleitet und abgesichert wurde. Hierdurch kam es zeitweise zu Verkehrsbeeinträchtigungen. Rund 30 weitere Personen blockierten den Kreisverkehr vor dem Werksgelände der Firma Heckler & Koch auf dem Lindenhof. Diese Gruppe wurde auf den festgelegten Versammlungsraum verwiesen. Hierbei kam es durch eine Person zu Widerstandshandlungen. Den anderen Personen wurde ein Platzverweis erteilt. Durch begleitete Polizeikräfte konnten die Mitarbeiter der Firma Heckler & Koch den Schichtwechsel ohne Verzögerungen vornehmen.
Am Nachmittag zog ein Demonstrationszug mit etwa 50 Teilnehmern über die Lindenstraße und Schützensteige in die Oberstadt und dann zu Bahnhof, wo gegen 15 Uhr eine Abschlusskundgebung stattfand. Auf dem Weg dorthin kam es wegen der Enge auf dem Fußweg vom Lindenhof zu kleineren Rangeleien zwischen Polizeibeamten und Versammlungsteilnehmern. Hierbei wurden zwei Polizeibeamte leicht verletzt. Insgesamt wurden von der Polizei 40 Platzverweise ausgesprochen. Eine Person wurde vorübergehend in Gewahrsam genommen. Ein Teilnehmer wurde mit einer leichten Kopfverletzung ins Krankenhaus gebracht.
Zu der angemeldeten Versammlung reisten Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet mit Bussen und anderen Fahrzeugen an. Mehrere Transparente und Fahnen sowie Stangen für Transparente, die gegen die Auflagen der Versammlungsbörde verstießen, wurden von der Polizei sichergestellt.
Die Polizei zieht insgesamt ein positives Fazit. Zu schweren Straftaten oder Ausschreitungen kam es nicht. Auch zum Wochenende hin sind noch verstärkt Einsatzkräfte in Oberndorf vorhanden.“
Folge uns!