Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Der 22. Januar, ein Samstag, stand in Stuttgart im Zeichen des Protests. Personen aus dem „Querdenker“-Spektrum mobilisierten mit Hilfe der Identitären Bewegung (IB) dazu, „vor die Medienhäuser zu ziehen, denn da sitzt das Virus“. Diese Demonstration führte vor das Funkhaus des SWR. Daran beteiligten sich zwischen 2000 und 3000 Menschen. Die AfD veranstaltete eine Kundgebung auf dem Schillerplatz. Es nahmen nicht einmal 100 Personen teil. Und das Bündnis „Stuttgart gegen Rechts“ (SgR) rief zu Gegenprotesten auf. An diesen beteiligten sich etwa 350 AntifaschistInnen.
Im Zug der Proteste nahm die Polizei einen Antifaschisten fest. Außerdem beschädigte ein Teilnehmer aus dem rechten Spektrum die Fahne eines Antifaschisten. Hierzu ermittelt die Polizei wegen Sachbeschädigung, wie der Pressemitteilung der Behörde zu entnehmen ist.
Wie immer, wenn die selbsternannte Alternative in Stuttgart auftaucht, verwandelte die Polizei die Stadt in eine Drohkulisse. Wasserwerfer standen bereit, der Schillerplatz war mit Hamburger Gittern und BeamtInnen gesichert. Auch ein Kamerawagen stand bei den gegen die AfD und die „Querdenker“ Protestierenden. Im Gegensatz zur Kundgebung im Dezember (siehe „AfD und Querdenker im Schulterschluss„) schaffte es die in Teilen rechtsextreme Partei dieses Mal nur, ein Häufchen AnhängerInnen zu mobilisieren. Flankiert von ein paar Hools und Mitgliedern der IB standen sie eingezäunt und ohne Außenwirkung auf dem Schillerplatz.
Antifaschistische Gegenkundgebung
Die Gegenkundgebung von SgR startete auf dem Stauffenbergplatz am Mahnmal. Nach zwei kurzen Redebeiträgen zogen die TeilnehmerInnen zu den Gittern, um dort an zwei Blockadepunkten zu protestieren. Mit Trillerpfeifen und Parolen wurde die Veranstaltung des Stuttgarter Kreisverbands der Partei gestört. Die AfD, die sich gern als „das Volk“ sieht, mobilisierte an diesem Januarsamstag gerademal ein „Völkchen“ und wurde von zwei Seiten beschallt. „AfD Rassisten Pack – wir haben euch zum Kotzen satt“, „hoch die Internationale Solidarität“, „rassistisch, sexistisch, neoliberal – AfD Partei fürs Kapital“ schallte den Versammelten ebenso entgegen wie „ganz Stuttgart hasst die AfD“ und „siamo tutti Antifascisti“ – aber auch „Wer schweigt stimmt zu, lasst Rassisten nicht in Ruh'“.
Mehr als zwei Stunden wurden die Blockaden aufrechterhalten. Immer wieder schlossen sich auch PassantInnen den Protesten an. Wie zu erwarten war, ließen es sich einige TeilnehmerInnen der rechten Kundgebung nicht nehmen, durch die antifaschistische Blockade zu laufen. Dies versuchten AntifaschistInnen zu verhindern. Dabei nahm die Polizei einen Antifaschisten fest. Ein Teilnehmer der AfD-Kundgebung zerstörte die Fahne eines Antifaschisten. Laut Pressemitteilung der Stuttgarter Polizei wird wegen Sachbeschädigung gegen eine Person aus dem rechten Spektrum ermittelt.
Marsch zum SWR-Funkhaus
Etwas skurril mutete der Versuch einer Gruppe der UID (Union Internationaler Demokraten) an, sich unter den Gegenprotest zu mischen. Nach kurzer Diskussion mit AntifaschistInnen zogen sich die mit orangefarbenen Warnwesten ausgestatteten UID-AnhängerInnen zurück. Die UID ist eine Lobbyorganisation der AKP. Sie ist in Europa und besonders in Deutschland aktiv. Gegründet wurden sie 2004 in Köln auf Betreiben des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
Die „Querdenker“-Demonstration zog vom Wasen durch Stuttgart Ost zum SWR und wieder zurück zum Wasen. Die Spitze des Demonstrationszuges versuchte nach Wiener Vorbild die „Identitäre Bewegung“ IB zu bilden. Sie war mit etwa 30 Personen vor Ort. AnwohnerInnen hatten entlang der Strecke ihren Unmut zum Ausdruck gebracht und Plakate an die Häuser gehängt. Auf ihnen hieß es zum Beispiel: „Man spaziert nicht mit Nazis“ oder „Telegram aus. Hirn an“.
„Querdenker“ gegen die Pressefreiheit
Die medienfeindliche „Querdenker“-Demo skandierte immer wieder Parolen wie „Lügenpresse“, „Widerstand“ und „Wir sind das Volk“. AnwohnerInnen wurden teilweise aus der Demo heraus angepöbelt. Masken wurden wie üblich selten getragen. Die Polizei ermittelt wegen einigen Verstößen gegen die Maskenpflicht. Der Pressemitteilung der Polizei ist außerdem zu entnehmen, dass ein Demonstrationsteilnehmer wegen Volksverhetzung angezeigt wurde, da er den verbotenen Hitlergruß zeigte. Ein weiterer Teilnehmer wehrte sich gegen polizeiliche Maßnahmen und wurde festgenommen. Ihm droht eine Anzeige wegen Widerstands gegen Polizeibeamte. Bereits in der Nacht zu Samstag hatten AktivistInnen der IB Sticker ans Gewerkschaftshaus geklebt. Sie wurden aber rasch entfernt wurden, wie SgR auf Twitter schrieb.
Der Schulterschluss der AfD mit „Querdenkern“ schien dieses Mal nicht gefruchtet zu haben. Die TeilnehmerInnen der „Querdenker“-Demonstration schlossen sich nicht der AfD-Kundgebung an. Dennoch versucht sich die AfD bei den „Querdenkern“ anzubiedern. Dies zeigte sich deutlich an der Themenauswahl der Veranstaltung und auch an der Terminwahl. Da die „Querdenker“ Demo schon länger bekannt gewesen ist, war es wohl kein Zufall, dass der Stuttgarter AfD-Kreisverband an diesem Tag eine Kundgebung abhielt. Diesen möglichen Zusammenschluss wollen die AntifaschistInnen weiter beobachten. Sie machten an diesem Samstag deutlich, dass die AfD in Stuttgart nicht unwidersprochen bleibt, wo immer sie auftaucht. Denn es gebe kein Recht auf Nazipropaganda. Das wurde auch einen Tag später in Herrenberg deutlich (Bericht dazu folgt).
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