Von unseren ReporterInnen – Stuttgart/Freiburg/Zürich. Zum Frauenkampftag lud das Aktionsbündnis 8. März zu einer Kundgebung und Demonstration in Stuttgart ein. Nach Angaben der VeranstalterInnen nahmen 4000 Menschen teil. Der Demonstrationszug wurde von einem großen Polizeiaufgebot begleitet. Zu ihm gehörten acht PolizeireiterInnen. Bei der Demonstration setzte die Polizei eine teilnehmende Person fest und stellte die Personalien mehrerer TeilnehmerInnen fest. Die BeamtInnen setzten auch eine Drohne ein und filmten die DemonstrantInnen. Am Abend des 8. März gab es dann vor dem Gewerkschaftshaus gewalttätige Übergriffe der Polizei auf Frauen.
„Überlastet. Ungesehen. Un(ter)bezahlt. Feministisch streiken!“ Dies war das Motto der diesjährigen Frauenkampfdemonstration. Der Schwerpunkt lag auf der zur gleichen Zeit stattfindenden Tarifrunde im Erziehungs-und Sozialdienst. Bei ihr geht es um einen neuen Tarifvertrag, der die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessern soll. So nahmen auch 300 Beschäftigte der Diakonie und weitere GewerkschafterInnen teil. In einer Rede hieß es: „Wir sind heute hier, weil wir alle täglich zu spüren bekommen, dass unser System von Fehlern und unsere Gesellschaft von Ungerechtigkeiten geprägt ist. Aber wir sind auch hier, weil wir wissen, dass wir gemeinsam etwas ändern können. Wenn wir zeigen, dass ein besseres Miteinander möglich ist. Wenn wir gemeinsam laut sind und wenn wir einfordern, was uns zusteht!“
Gemeinsam laut und sichtbar war die Demonstration auch. Bereits nachmittags machten 139 Frauen mit roten Schirmen auf Femizide und Gewalt gegen Frauen aufmerksam. Das Bild im Stadtgarten war geprägt von Gewerkschaftsfahnen und lila Luftballons mit dem Schriftzug „Feministisch streiken“.
Auf Schildern waren die Forderungen der Streikenden und FeministInnen zu lesen. „Wir verdienen mehr – Gleicher Lohn bei gleicher Arbeit“, „Bildung statt Aufsicht“, „Ohne Streik wird sich nichts verändern“, „Stop violence against women in Afghanistan“, „Future thinks intersectional“, „Als Klasse gemeinsam kämpfen! Frauenkampf ist Klassenkampf“, „Istanbul-Konvention verteidigen – Internationale Frauensolidarität aufbauen!“, „Safe places, safe spaces-Stadt für Alle“, „Frauenkampf statt Rosen und Schoki“, „Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau“, „Gewalt gegen Frauen* aktiv bekämpfen“.
Immer wieder die Reiterstaffel
Als sich die Demonstration durch die Innenstadt in Bewegung setzte, wurde das Polizeiaufgebot erst so richtig deutlich. Der Zug wurde von einem Videowagen, acht PolizeireiterInnen und mehreren Fahrzeugen angeführt. PolizeibeamtInnen liefen neben der Demonstration. Dieses Aufgebot erweckte bei Außenstehende den Anschein, als wären die DemonstrantInnen gefährlich.
Warum man diese bunte Demonstration fast schon kriminalisiert hat, erschließt sich wohl niemandem. Es nahmen Frauen, Kinder, die Streikenden aus Sozial-und Erziehungsdienst und solidarische Männer teil. KurdInnen erinnerten an die Ermordung von Fidan Doğan, Sakine Cansız und Leyla Şöylemez. Die drei kurdischen Aktivistinnen wurden 2013 in Paris ermordet. Mit lauten Parolen wie: „Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine“, „Alle zusammen gegen den Sexismus“ und „Jin Jian Azadî“, „Streik in der Schule, Streik im Betrieb, das ist unsere Antwort auf eure Politik“ machten die DemonstrantInnen auf sich aufmerksam.
- Transpiaktion…
- … am Rande des…
- … Rotebühlplatzes
Die Route führte über die Theodor-Heuss-Straße an der VHS vorbei über den Rotebühlplatz und die Eberhardstraße in Richtung Marktplatz. Dort sicherten mehrere Polizeikräfte das Rathaus. Mit massivem Eingreifen verhinderten die BeamtInnen inklusive der Pferdestaffel, dass TeilnehmerInnen Klebezettel mit ihren Forderungen am Marktplatz hinterlassen konnten. Daraufhin nahmen die BeamtInnen mehrere Personalien auf. Am Schillerplatz stoppte die Polizei die Demonstration dann endgültig. Sie drohte damit, den genehmigten Lautsprecherwagens zu beschlagnahmen, und begründete ihr Vorgehen mit angeblichen Auflagenverstößen. Hier wurde das Abbrennen von Pyrotechnik genannt. Zwei Personen wurden vorübergehend festgenommen.
- Screenshot Twitter
- Polizei stoppt die…
- … die Demo auf dem Schillerplatz…
- … und filmt die TeilnehmerInnen
Übergriff vor dem Gewerkschaftshaus
Der Stuttgarter Stadtrat Luigi Pantisano (die FrAktion) kritisiert das Vorgehen der Polizei auf seiner Facebookseite. Er schreibt: „Das ist so ein Moment, bei dem ich mich für meine Stadt schäme. Ein friedlicher Demozug mit mehreren tausend Frauen, ErzieherInnen, Beschäftigten der Sozialberufe läuft durch die Stadt und wird erst von vielen PolizistInnen mit Reiterstaffel und allem polizeilichen Brimbamborium begleitet. Vor dem Rathaus dann das Highlight dieser Show. Das Rathaus wird von diesen gefährlichen Frauen beschützt, weil sie ihre Forderungen mit Aufklebern am Rathaus anbringen wollten. Warum wird ein solch demokratischer Akt nicht zugelassen? Die Aufkleber können dann ja einfach wieder abgeklebt werden.“
Nach dieser Machtdemonstration der Stuttgarter Polizei konnte die Demonstration fortgesetzt werden. Am neuen Schloss vorbei zog sie zurück in den Stadtgarten. Dort gab es eine kurze Abschlusskundgebung. Inzwischen wurde bekannt, dass es im Anschluss vor dem Gewerkschaftshaus noch polizeiliche Übergriffe auf die Frauen gab. Das Aktionsbündnis 8. März schreibt in einer Pressemitteilung: „Gegen 19.20 Uhr versammelten sich ungefähr 30 Organisatorinnen, Gewerkschafterinnen, Helferinnen und Helfer vor dem Gewerkschaftshaus, um den Weltfrauentag gemeinsam ausklingen zulassen. „Einige Frauen von uns standen auf dem Platz vor dem Gewerkschaftshaus, andere räumten noch die letzten Sachen auf, als die Polizei plötzlich mit unzähligen Einsatzkräften den Platz stürmte und uns angriff“, beschreibt Lena Kuhle vom „Aktionsbündnis 8. März“ die Geschehnisse.
Linke fordert vom Landtag Aufklärung
Im späteren Verlauf des Abends begründete die Polizei ihren brutalen Einsatz mit einer feministischen Abschlussaktion, bei der wie in den vergangenen Jahren am 8. März der Gustav-Heinemann-Platz vor dem Gewerkschaftshaus umbenannt werden sollte. „Wir wussten gar nicht, was da passiert. Die Polizei war völlig außer Kontrolle“, zeigt sich Kuhle schockiert. „Neben mir kickte ein männlicher Polizist mit gestrecktem Bein auf Brusthöhe in eine Gruppe Menschen. Ein anderer Polizist schlug einer Frau mit der Faust auf den Kopf.“ Im Laufe der Geschehnisse gab es mehrere Festnahmen. Mehrere Menschen wurden verletzt.
Die Partei Die Linke fordert Aufklärung durch den Landtag über diese Vorkommnisse. Der Bundestagsabgeordnete Bernd Riexinger hierzu: „Das Verhalten der Polizei beim Internationalen Frauentag und den Warnstreiks in den Sozial- und ErzieherInnenberufen in Stuttgart ist ein Skandal. Ich war selbst vor Ort, Mittags zunächst vor dem Gewerkschaftshaus und dann im Stadtgarten. Schon hier war die Polizei mindestens mit acht berittenen Polizeikräften und mehreren Wannen anwesend. Das Auftreten der Polizei war völlig deplatziert und unangemessen. Die vielen hundert weiblichen DemonstrantInnen und streikenden Beschäftigten waren bunt, laut und friedlich.“ Das Verhalten der Polizei gegenüber den Menschen vor dem DGB-Haus sei mit nichts zu rechtfertigen, so Riexinger. Er verlangt, dass das Landesinnenministerium diese Vorfälle untersucht und aufklärt. „Die Polizei Stuttgart muss sich für ihr skandalöses Verhalten entschuldigen“, verlangt der Abgeordnete.
Auch in Zürich auf der Straße
Bereits am Samstag hatten in Zürich bis zu 3000 Menschen gegen Sexismus und Patriarchat demonstriert. Auch hier war die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort. Sie setzte Wasserwerfer und Pfefferspray gegen die Demonstrierenden ein, schaffte es aber nicht, den Zug zu stoppen. Mit Parolen wie „Eusi Straße, eusi Quartier – weg mit em Patriarchat, weg mit de Schmier!“, „Zämme hässig, Zämme kämpfe“ zogen die TeilnehmerInnen durch die Innenstadt von Zürich. Das „8-Mrz-Unite“ Bündnis hat den Tag als Erfolg gewertet: „Dieses Jahr zeigt einmal mehr, dass wir für Staat und Patriarchat eine Bedrohung darstellen. Aber: Wir lassen uns nichts vorschreiben! Kein Einschüchtern, kein Verstummen, kein Platz machen! Wir kommen wieder!“.
Auch in Freiburg unnötig viel Polizei
In Freiburg im Breisgau fing der 8. März mit einem Streik der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst an, die sich zur Zeit in Tarifverhandlungen befinden. Nach einer „kämpferischen feministischen Mittagspause“ mit Rede- und Musikbeiträgen folgte eine Demonstration durch die Innenstadt mit etwa 600 TeilnehmerInnen, organisiert von den Gewerkschaften Verdi und GEW, dem Freiburger Bündnis zum bundesweiten Feministischen & FrauenStreik und ihren BündnispartnerInnen. Nach den Schlussreden ging die Veranstaltung fließend in den zweiten Teil des feministischen Kampftages über.
Das Bündnis für einen internationalen feministischen Kampftag hat zu einer Kundgebung auf den Platz der Alten Synagoge aufgerufen. Es kamen um die 2000 Menschen. Nach engagierten Redebeiträgen brachen die TeilnehmerInnen zu einem weiteren Demozug auf. Unter Anführung des FLINTA-Blocks wurden die Anliegen der verschiedensten AkteurInnen der feministischen Bewegung kundgetan.
Die Feier des feministischen Kampftages war trotz der betrüblichen Weltlage – der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine – für alle aufmunternd. Einzig die übergroße und unnötige Präsenz der Polizeikräfte war da eindeutig störend.
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